"Tinder" für den Bauernhof hilft bei der Nachfolger-Suche

"Tinder" für den Bauernhof hilft bei der Nachfolger-Suche
Die Zahl der Bauernhöfe sinkt, wobei es viele Interessierte gibt. Eine Plattform versucht, Bauern und externe Nachfolger zusammenzuführen.

Kleine Bergbauernhöfe mit nur einigen Kühen. Ein idyllischer Familienbetrieb im Flachland, der sich dem Anbau von regionalem Gemüse widmet. Eine Generation übernimmt von der anderen.

So malerisch ist die Situation der österreichischen Bauern aber nicht. Denn bei rund einem Drittel der Betriebe (29 %) ist die Hofnachfolge nicht geklärt. Das geht aus einer Bedarfsstudie der Landjugend aus dem Jahr 2015 hervor. Stefan Vogel, Professor an der BOKU Wien, spricht 2018 hingegen von 17 Prozent. Aber auch wenn die Ergebnisse unterschiedlich sind, beide Studien zeigen: Zahlreichen Bauern fehlen die Nachfolger.

"Ohne Landwirtschaft geht es nicht"

Dass es auch umgekehrt gehen kann, zeigt das Beispiel von Marcel Vollgruber und Isabella Luger. Das junge Paar möchte einen Bauernhof führen, hat aber keinen. Sie, 23 Jahre alt, ist auf einem Milchviehbetrieb im nö. Bezirk Scheibbs aufgewachsen. Doch übernehmen wird sie diesen nicht. Von Anfang an sei klar gewesen, dass der Betrieb an ihren jüngeren Bruder gehen wird.

Ähnlich ist die Situation bei ihrem Partner Marcel. Er, 23 Jahre, stammt von einem Schweinemastbetrieb im Bezirk Amstetten (ebenfalls NÖ). Auch er wird diesen Hof nicht übernehmen. Weil der Bauernhof seinem Stiefvater gehört, wird eines der jüngeren, leiblichen Kinder zum Zug kommen. „Ohne Landwirtschaft können und wollen wir aber nicht leben“, sagt Luger.

Plattform vernetzt mit potenziellen Nachfolgern

Mithilfe der digitalen Hofbörse „Perspektive Landwirtschaft“ suchen sie deshalb nach einem Bauernhof, den sie übernehmen können. In Kontakt kommen die Übergebenden und Übernehmenden dabei ähnlich wie bei der Dating-App „Tinder“ – nur ohne Swipen.

Während die Übernehmenden sich und ihre Motivation vorstellen, präsentieren die Übergebenden ihren Betrieb. Besteht Interesse, beginnt eine der beiden Parteien die Konversation. Das soll dem Schwund der Bauernbetriebe entgegenwirken. Von den 201.500 landwirtschaftlichen Betrieben im Jahr 1999 sind laut Statistik Austria 2020 nur mehr 126.100 übrig. Die Ursachen: Kinderlosigkeit oder Desinteresse vonseiten der Kinder. Dazu kommen wirtschaftliche Aspekte, wie zum Beispiel, dass Bauern an den von ihnen hergestellten Produkten nur wenig verdienen.

Während die Bauernhöfe auf der einen Seite also immer weniger werden, wachsen die noch übrig gebliebenen Betriebe weiter an. So ist die Gesamtfläche, die ein Betrieb 2020 durchschnittlich bewirtschaftet hat um rund drei Hektar größer als noch vor zehn Jahren. Statistisch gesehen ist die Übergabe bei größeren Betrieben auch eher geklärt.

Bei kleineren Betrieben ohne Nachfolge müssen also alternative Wege gefunden werden, um den Fortbestand zu sichern, sagen Lisa Altersberger-Kenney und Florian Jungreithmeier von „Perspektive Landwirtschaft“. Die außerfamiliäre Hofübergabe etwa.

Scham, wenn kein Nachfolger da ist

Darüber zu sprechen sei für die Betroffenen aber oft schwierig: „Für Bauern ist es häufig mit Scham behaftet, wenn sie zugeben müssen, keinen Nachfolger zu haben“, sagt Altersberger-Kenney.

Dass es auf der anderen Seite aber auch junge Leute gibt, die gerne einen Bauernhof übernehmen würden, ist vielen Landwirten nicht bewusst. Allein auf „Perspektive Landwirtschaft“ gibt es derzeit 365 Suchende.

Für Marcel und Isabella ist wichtig, dass die Chemie stimmt. Immerhin wollen 95 Prozent der Betriebsleiter auch nach der Übergabe auf dem Bauernhof leben. „Für uns ist das in Ordnung. Ich möchte auch nicht von meinem Hof weggehen“, sagt Marcel Vollgruber. Wichtig sei ihnen deshalb ein guter Umgang miteinander – und getrennte Wohneinheiten.

Selbstversorger auf dem Vormarsch

Ein anderes Phänomen, das sich vor allem während – und aufgrund – der Pandemie entwickelt hat, ist das Konzept der Hofgemeinschaften und Hofkooperationen. Angetrieben von der Selbstversorgeridee oder der Arbeits- und Verantwortungsteilung gibt es immer öfter Steckbriefe von Menschen, die sich für solche Modelle interessieren, sagt Florian Jungreithmeier. So auch von Hannah Strauß aus dem steirischen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag.

Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter sucht die Quereinsteigerin nach einem Hofkonzept, in dem sie die Rolle von Verwandten – die bei Arbeitsspitzen am Hof helfen – übernimmt. „Eigentlich würde ich mich gerne als Arbeitskraft anstellen lassen. Das können sich die Bauern aber nicht leisten“, sagt sie. Deshalb sucht sie nun eine Wohngelegenheit auf einem Bauernhof.

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