Terrorverdacht: Sogar 12-Jähriger im Visier der Ermittler

Sobotka: Es gebe "zusätzliche Hausdurchsuchungen"
Tatverdächtiger in Justizanstalt Josefstadt. Unmündiger in Wien als möglicher Komplize. Unterdessen auch U-Haft für in Neuss festgenommenen 21-Jährigen.

Im Zuge der Ermittlungen gegen den Terrorverdächtigen Lorenz K. in Wien ist nicht nur in Deutschland (siehe unten), sondern auch im Inland eine weitere Kontaktperson einvernommen worden. Es handelt sich dabei um einen Unmündigen, wie der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, am Montag in einer Pressekonferenz (PK) mitteilte.

Am Sonntag wurde an einer Kontaktadresse von Lorenz K. in Wien-Meidling eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dort soll er in engem Kontakt mit einem erst 12-jährigen Burschen gestanden sein. Die Wohnung der Eltern und das Zimmer des Buben wurden daraufhin durchsucht. Ob der 12-Jährige ebenfalls radikalisiert wurde, ist nun Gegenstand von Ermittlungen.

Mehrere Verbindungslinien in Österreich

Im Fall des Hauptverdächtigen gibt es laut Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) "mehrere Verbindungslinien innerhalb Österreichs" und nach Deutschland. "Wir sind in der Auswertung der Kommunikationsträger noch nicht so weit, alle Spuren dementsprechend zu verfolgen", sagte er bei einer Pressekonferenz in Innsbruck am Montag.

Das Hauptaugenmerk gelte nun also jenen Kontakten in Österreich, die potenziell mit einem Terroranschlag zu tun haben könnten, so der Innenminister. Nach wie vor gelte daher erhöhte Polizeipräsenz in Wien.

Sobotka wollte den Ermittlungen nicht vorgreifen, "klar ist aber, dass es einen salafistischen Hintergrund gibt". Wie konkret die Anschlagspläne waren, wollte der Innenminister nicht sagen. Derzeit schaue es aber so aus, als seien diese "noch im Planungsstadium" gewesen. Den 17-Jährigen habe man ab den erhaltenen Hinweisen von "befreundeten Diensten aus dem Ausland" observiert, das sei über einen Zeitraum von einigen wenigen Tagen gewesen, so der Innenminister: "Dann haben wir versucht, im günstigsten Moment zuzugreifen".

"In Österreich neues Phänomen"

Dass immer jüngere Personen radikalisiert werden, sei ein international bekanntes Phänomen, aber in Österreich neu, sagte Konrad Kogler, der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit. Die Fragen, was dem Kind konkret vorgeworfen wird, blieb offen. Der strafunmündige Bub und der beschuldigte 17-Jährige hätten über das "eine oder andere intensiv kommuniziert". Der strafunmündige Verdächtige sei an einem Ort untergebracht, an dem er unter Kontrolle stehe, betonte Kogler.

Terrorverdacht: Sogar 12-Jähriger im Visier der Ermittler
ABD0053_20170123 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.) Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, Nina Bussek, Vertreterin der Staatsanwaltschaft Wien, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, und Landespolizei-Vizepräsidenten Karl Mahrer am Montag, 23. Jänner 2017, anlässlich einer Pressekonferenz zu den Ermittlungsergebnissen nach der Festnahme des Terrorverdächtigen im Innenministerium in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Verdächtiger in Justizanstalt Josefstadt

Ob über den beschuldigten 17-Jährigen die U-Haft verhängt wird, wird im Landesgericht für Strafsachen am Dienstag entschieden, sagte dessen Sprecherin Christina Salzborn der APA. "Ich gehe davon aus, dass er in Einzelhaft untergebracht wird", sagte Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, bei der Pressekonferenz im Innenministerium.

Wann der 17-Jährige radikalisiert wurde, ist laut Kogler noch Gegenstand von Ermittlungen, wobei aber die Frage, welche potenzielle Gefahr von ihm ausging, Vorrang habe. Der 17-Jährige, gegen den schon mehrere Strafverfahren liefen, war auf Bewährung aus der Haft entlassen worden. Die Frage, ob er möglicherweise in der Strafhaft radikalisiert wurde, blieb offen.

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Mehr Polizeipräsenz in Wien

"Wir werden die Sicherheitsmaßnahmen in Wien in gleichem Umfang aufrechterhalten", sagte Karl Mahrer, Vizepräsident der Landespolizeidirektion Wien bei der PK. Es gebe erhöhte Polizeipräsenz, insbesondere bei Verkehrsknotenpunkten und Einkaufsstraßen, "man kann nicht sagen, ob das Tage oder Wochen dauert".

Besuch in Neuss: U-Haft für mögl. Komplizen

Wie am Montag auch bekannt wurde, war Lorenz K. im Dezember zwei Wochen zu Besuch bei seinem mutmaßlichen Komplizen in Neuss (Nordrhein-Westfalen). Das sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, Ralf Herrenbrück. In dieser Zeit seien wohl Dinge "in Richtung Sprengstoff vorbereitet worden", sagte der Oberstaatsanwalt.

Dem Sprecher zufolge waren in der Nacht auf Freitag Hinweise aus Österreich gekommen, bei denen es um Kontakte des in Wien festgenommenen 17-Jährigen zu "Personen in Nordrhein-Westfalen" ging. "Konkret zu Personen in Neuss", präzisierte Scheulen. Diese Hinweise hätten sich bis Samstag verdichtet, und zwar in Richtung des 21-Jährigen. Bei der Durchsuchung der Wohnung des 21-jährigen Deutschen wurden nach Angaben der Behörde keine Sprengmittel beschlagnahmt, dafür Handys und ein Laptop.

Über den in Neuss festgenommenen Terrorverdächtigen ist die Untersuchungshaft verhängt worden. Das sagte Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Der 21-Jährige wurde auch bereits einvernommen. Es wurde letztlich wegen Paragraf 89a des deutschen Strafgesetzbuches - "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Sobotka: "zusätzliche Hausdurchsuchungen"

Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka sagte bereits im Ö1-"Morgenjournal", dass es angesichts der Verhaftungen in Wien und Deutschland "zusätzliche Hausdurchsuchungen" und "zusätzliche Vernehmungen" gebe. Laut Sobotka verfügt K. über ein "richtiges Kommunikationsnetz". Das zeige auch, dass der Terrorverdächtige "dementsprechend ein Gewicht hat“. Derzeit würden Telefonauswertungen durchgeführt und Kontakte überprüft.

Terrorverdacht: Sogar 12-Jähriger im Visier der Ermittler
Der Einsatzort in Wien-Favoriten

Kurz: "massives Sicherheitsrisiko"

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht Handlungsbedarf in der Prävention. Man müsse ideologisch gegen die Basis des IS-Terrors ankämpfen, nämlich "gegen den politischen Islamismus", sagte Kurz am Montag. Es gebe rund 300 Menschen, die sich aus Österreich auf den Weg gemacht hätten, um den IS-Terror zu unterstützen. "Sie sind ein massives Sicherheitsrisiko, wenn sie zu uns zurückkehren", betonte Kurz. Hinzu kämen noch mehr Menschen, die damit sympathisieren.

Terrorverdacht: Sogar 12-Jähriger im Visier der Ermittler

Die albanisch-islamische Kultusgemeinde (ALKIG) verurteilt den angeblich geplanten Terroranschlag des 17-jährigen Tatverdächtigen, der am Freitag in Wien-Favoriten festgenommen wurde. "Eine solche abscheuliche und unmenschliche Tat findet weder Rechtfertigung im Islam noch in anderen Religionen", hieß es am Montag in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Der 17-Jährige soll sich laut Behördenangaben in einem radikalen albanisch-islamistischen Milieu bewegt haben. Basierend auf den Medienberichten über den Terrorverdächtigen ist man sich in der albanischen Kultusgemeinde aber sicher, "dass er nicht Teil unserer Moscheegemeinden war, was die Angelegenheit selbst nicht weniger schlimm macht". Man müsse sich aber eingestehen, "dass wir nicht alle albanisch-stämmigen Muslime Österreichs erreichen können". Man könne daher auch nicht für alle auftreten, hieß es weiter.

Zugleich dankte man den Sicherheitsbehörden für die Vereitelung eines möglichen Anschlags und bot die Zusammenarbeit an. "Wir sind bereit, kooperativ mit den Behörden zusammenzuarbeiten, falls Bedarf besteht und wir damit für ein friedliches Zusammenleben in Zukunft beitragen können."

Der Islam fordere von seinen Anhängern "Liebe, Weisheit, Menschlichkeit und gegenseitige Hilfe zu verbreiten und nicht Menschen zu töten, zu gefährden oder in Unsicherheit und Angst zu versetzen", betonte die albanische Kultusgemeinde. Zugleich stellte man klar, dass in albanischen Moscheen keine Radikalisierung stattfinde: "Die albanischen Moscheen haben eine unbefleckte Vergangenheit dank unserer Imame, die immer einen gemäßigten und in der hiesigen Gesellschaft eingebetteten Islam predigen."

Im Vordergrund stehe dabei Zusammenleben in Vielfalt. Dazu wolle man auch in Zukunft beitragen und die Gesetze sowie die Verfassung der Republik Österreich achten und für einen gemäßigten Islam eintreten. "Daher fordern wir als albanisch-islamische Institution in Österreich alle Mitbürger der österreichischen Gesellschaft, zu der ebenso ethnische Albaner und Mitbürger anderer ethnischer Zugehörigkeit sowie Muslime wie Nichtmuslime gehören, zum gemeinsamen Auftreten gegen Terror auf."

Die Zahl der sich radikalisierenden Anhänger des salafistischen Dschihadismus ist in Österreich seit längerem im Ansteigen. Verfassungsschützer weisen auf diese Tendenzen in Richtung aktiver Engagements in der salafistisch-dschihadistsichen Szene immer wieder hin. Fälle wie jener des 17-jährigen Terrorverdächtigen aus Wien-Favoriten könnten künftig also häufiger auftreten.

"Vor allem junge männliche Muslime sowie vereinzelt (im Bundesgebiet aufgewachsene) Konvertiten werden weiterhin von einer potenziellen Radikalisierung betroffen sein", schrieb das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) schon im Vorjahr in seinem bisher letzten Verfassungsschutzbericht. Die Verfassungsschützer sehen vom Phänomen der Radikalisierung vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betroffen und sprechen deshalb auch von einer Art "Jugend-" bzw. "Protestkultur" oder von "PopDschihadismus".

Die Suche nach dem eigenen "Ich", dem Sinn des Lebens, nach Identität, Aufmerksamkeit, Anerkennung und Selbstverwirklichung sowie die Bewältigung persönlicher Krisen spielten im Zusammenhang mit der Radikalisierung eine ausschlaggebende Rolle. Auch Diskriminierungs- oder Entfremdungserfahrungen können Jugendliche und junge Erwachsene in radikale bzw. extremistische Kreise treiben, erklärten die Verfassungsschützer.

Sportklubs, öffentliche Parkanlagen oder auch Gefängnisse

Radikalisierungsvorgänge finden dabei an ganz unterschiedlichen Orten statt: Sportklubs, öffentliche Parkanlagen oder auch Gefängnisse. In den meisten Fällen spielen das unmittelbare Umfeld sowie charismatische Persönlichkeiten oder ideologische Anführer eine relevante Rolle im Radikalisierungsprozess. Die radikalen "Predigten" sowie die Verwendung von einschlägigem Propagandamaterial erfüllen dabei eine gemeinschaftsstiftende und zugleich eine politische Funktion. Die Beziehung der radikalisierten Personen zu den anderen Gruppenmitgliedern sowie die Annahme der salafistisch-jihadistischen Ideologie tragen zur Bildung einer neuen Identität bei und ermöglichen die Identifizierung mit der Gruppe, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

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