Teil 2: Applaus für die Helden der Krise

Sie müssen auf die Straße, in die Häuser, zu den Menschen. Sie liefern sich dem Risiko aus, mit dem Coronavirus infiziert zu werden, um das Leben in Österreich in Gang zu halten. Das ist ihr Job. Die KURIER-Redaktion holt die Helden der Stunde vor den Vorhang.
Wer sind Ihre Helden? Schicken Sie uns Ihre Vorschläge und Erlebnisse mit den Menschen der Stunde an helden@kurier.at
Die Hebamme: „Die Geburt kann man nicht verschieben“
Etwa 600 Kinder kamen mit Hilfe der Hebamme Melanie Huber in den vergangenen neun Jahren schon auf die Welt. Und die Zahl steigt weiter, auch während Corona. Die 33-Jährige und ihre Kollegen des Landesklinikums Amstetten arbeiten nach wie vor rund um die Uhr, um die werdenden Mütter bei der Geburt zu begleiten.
Auch für Huber gilt: regelmäßiges Desinfizieren der Hände, bei Kontakt mit Verdachtsfällen oder Covid-Infizierten Schutzkleidung tragen und Abstand halten. Letzteres sei schwierig: „In der Praxis ist es fast unmöglich, da uns die Frau ja in der Nähe braucht“, sagt Huber.
Einschränkungen spürt sie derzeit in ihrer zusätzlichen, freiberuflichen Tätigkeit. Weil sie eben auch Krankenhaushebamme ist, muss sie besonders darauf achten, jede Ansteckungsgefahr zu meiden. Hausbesuche sind daher nicht möglich, Mütter können sich derzeit übers Handy ab melden. Ihre Rückbildungs- und Geburtsvorbereitungskurse bietet sie nun online an. Die Nachfrage sei groß. „Die Frauen hängen in der Luft und eine Geburt kann man nicht verschieben“, sagt Huber.
Über Livestream erklärt sie mittels Puppe und Kunststoff-Becken die Vorgänge der Geburt. Auch Positionen zeigt sie vor. „Über den Stream kann ich individuell auf die Frauen eingehen.

Melanie Huber ist seit neun Jahren Hebamme.
Die Filialleiterin: Im Sozialmarkt wird ein Auge zugedrückt
Seit zwei Wochen hat Andrea Costea die meisten ihrer Stammkunden nicht gesehen. Der Grund: Bei ihr im Sozialmarkt in der Wiener Böckhgasse kaufen viele Senioren ein. Und die sollen während der Corona-Pandemie bekanntlich besser zu Hause bleiben. Damit sie trotzdem an günstige Lebensmittel kommen, hat sich Filialleiterin Costea etwas einfallen lassen.
Wer in dem Laden des Samariterbunds einkauft, muss an der Kassa üblicherweise eine Karte vorweisen, die ein niedriges Einkommen bescheinigt. Anders jetzt: Während der Corona-Krise werden auch Kunden ohne Berechtigungskarte bedient. Denn: „All jene, die für ihre Nachbarn einkaufen, sollen das bei uns tun können“, sagt die 26-Jährige.
Sie hält den Sozialmarkt mit einer Kassakraft, zwei Zivildienern und einem Chauffeur, der gespendete Lebensmittel von Supermärkten und Bäckereien abholt, am Laufen. Angst, sich anzustecken, hat Costea nicht: „Wir haben eine Plexiglasscheibe an der Kassa, wir desinfizieren die Griffe der Kühlschranktüren. Und wir tragen Handschuhe und Masken.“ Ältere ehrenamtliche Helfer hat die junge Frau zur Sicherheit nach Hause geschickt. Ersatz stand rasch parat: „Einige Menschen, die derzeit nicht arbeiten dürfen, unterstützen uns – zum Beispiel eine Physiotherapeutin.“

Andrea Costea bedient auch Kunden ohne Berechtigungskarte.
Die Zeitungszustellerin: Die Nachrichten zum Kaffee
Franziska Schwarz ist eigentlich seit 2008 in Pension. Aber nur eigentlich, denn die Ruprechtshofnerin (Bezirk Melk) ist derzeit als Zeitungszustellerin tätig. Auch den KURIER bringt sie zu Leserinnen und Lesern. Davor arbeitete sie als Diplomkrankenschwester. „Ich wollte aber noch gerne etwas arbeiten und einfach noch dazugehören zu den Erwerbstätigen. Mich einfach wichtigmachen am Arbeitsmarkt und ein bisschen Geld verdienen“, sagt die 72-Jährige und lacht.
Die Tätigkeit ist hart, aber sie mache es gern. „Ich liebe die Ruhe und die Freiheit in der Nacht auf der Straße“, sagt Schwarz. Jetzt in Zeiten der Krise seien die Leute diszipliniert. Es sei jetzt noch weniger Verkehr. „Ansonsten treffe ich fast niemanden beim Zustellen. Wenn ich andere Zusteller treffe, dann winken wir uns nur zu und tratschen nicht wie früher.“
Vor allem Wertschätzung tue ihr wohl. Die gäbe es oft zu wenig: „Auch für andere, wie etwa Supermarktkassierer.“
Schwarz bezeichnet sich selbst als Morgenmuffel. „Ich brauche meine Anlaufzeit in der Früh“, sagt sie. Aufstehen muss sie um etwa zwei Uhr. „Bevor ich losfahre muss ich meine Katzen noch versorgen. Die schauen mich dann immer ganz traurig an und ich sage: ,Ich komme ja eh wieder!’“

Franziska Schwarz liefert mit 72 Jahren Zeitungen aus.
Der Schaffner: „Die vollen Züge vermisse ich schon“
Knapp 42.000 Personen arbeiten bei den ÖBB. Trotz Coronakrise muss die Bahn am Laufen gehalten werden, damit die systemrelevanten Arbeiter und Angestellten ihren Arbeitsplatz erreichen. Einer, der dafür sorgt, ist Herbert Beneš, 44 Jahre alt und Zugbegleiter.
Er wohnt mit seiner Frau in Wien-Leopoldstadt und ist Vater einer 18-jährigen Tochter: „Ich bin seit 2008 bei den ÖBB, aber das habe ich noch nicht erlebt. Die vollen Züge und den Kontakt zu den Menschen vermisse ich schon sehr. Es ist ein bissl surreal, die Bahnhöfe und Züge waren wirklich schon einmal voller“, sagt er.
Herbert Beneš hofft, dass der „Spuk“, wie er sagt, bald wieder vorbei ist. Die Fahrgäste seien gut gelaunt, man teile ja quasi das gleiche Schicksal und das verbindet. Den Sicherheitsabstand von einem Meter kann er nach anfänglichen Schwierigkeiten derzeit jedenfalls locker einhalten. „Man musste sich ja auch erst an diese neuen Umstände gewöhnen. Ich finde es extrem wichtig, dass wir als Bahnunternehmen den Betrieb aufrecht erhalten, weil ja viele Menschen, die wir dringend in den Krankenhäusern oder den Lebensmittelgeschäften brauchen, auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind.“

Herbert Beneš ist seit 2008 bei den ÖBB.
Die Studentin: Am Telefon für „1450“ helfen
Dass das Coronavirus für die gesamte Gesellschaft eine enorme Herausforderung darstellt, ist dem Großteil der Bevölkerung voll bewusst. Für viele Menschen hat sich in den vergangenen Wochen viel verändert – darunter befinden sich auch einige Studierende der Fachhochschule Wiener Neustadt. Sophie Boos-Waldeck ist eine von ihnen.
Sie studiert „Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege“ im Bachelor-Studiengang in Wr. Neustadt. „Ein paar Tage, nachdem in Österreich die ersten Maßnahmen verkündet worden waren, bekam ich von der Fachhochschule eine Mail mit der Information, dass der Notruf NÖ helfende Hände sucht. Da musste ich nicht lange überlegen“, erzählt die Studentin.
Seitdem stehen sie und andere Studierende täglich vielen Menschen bei der Gesundheitsberatung mit Rat zur Seite. Die Telefone laufen praktisch ununterbrochen. 7.678 Menschen haben vergangenen Sonntag die Nummer der Gesundheitsberatung „1450“ gewählt. Normalerweise seien es nur etwa 100 Anrufe täglich, hieß es vom Land Niederösterreich. Sophie Boos-Waldecks Motivation für den Dienst? – Mithelfen, statt zu Hause zu sitzen. „Ich kann bei Notruf NÖ auch sehr viel lernen, das hilft mir auch für später“, erzählt sie.

Sophie Boos-Waldeck will mithelfen, statt zu Hause zu sitzen.
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