Wiens Gärtner versorgen die Metropole auch in der Krise
Wer die Glashäuser von Stefan Bauer in Wien-Essling betritt, dem verschlägt es erst einmal vor lauter Staunen den Atem. Auf 40.000 Quadratmetern zieht der 45-jährige Gärtner 190.000 Tomatenpflanzen auf Schnüren hoch, ein Regenwasserteich sorgt für die Bewässerung.
Gedüngt wird mit dem Dung aus einer Zucht afrikanischer Raubwelse, die sich in einem Nebengebäude befindet, ein Blockheizkraftwerk sorgt für konstante Temperaturen. Kreislaufwirtschaft heißt das Zauberwort.
Tomaten sind die Leidenschaft von Bauer. „Es gibt kein anderes Gemüse, das eine derartige Vielfalt hat. Wir haben sechs Tomatensorten im Angebot“, sagt Bauer. „In der Saison ernten wir 60.000 Kilogramm pro Woche.“ Die Sorten heißen: rote Mini-San-Marzano, gelbe und braune Cherry und Mini-Ovalis.
Vermarktet werden die Paradeiser über die Genossenschaft LGV Sonnengemüse und landen bei Billa, Merkur, Penny und Lidl im Regal. Auch in der Corona-Krise ist für Gemüse gesorgt.
Vor 20 Jahren hat Bauer begonnen, heute gehört sein Familienbetrieb in Wien zu den großen. Bauer arbeitet sieben Tage die Woche.
Wirtschaftlich ist er gut aufgestellt, der Betrieb hat mehr als fünf Millionen Euro Eigenkapital. Doch bis die erste Tomate gepflückt werden kann, muss er jedes Jahr eine Million Euro für die Vorfinanzierung der Plantage in die Hand nehmen.
Von Jänner bis November blüht und gedeiht es dann bei 23 bis 24 Grad Celsius. Rund 20.000 Hummeln sorgen für die Bestäubung der Pflanzen und verschiedene Nützlinge für die Schädlingsbekämpfung.
„Wir arbeiten zu hundert Prozent ohne Chemie“, sagt Bauer. „Die wenigsten wissen auch, dass alles von Hand gemacht werden muss.“ Jede Pflanze muss einmal in der Woche um die Schnur gewickelt werden, damit sie nicht abbricht.
Zudem muss sie jede Woche um 25 Zentimeter abgesenkt werden, damit sie nicht durchs Dach wächst. iese Arbeiten verrichten 40 Mitarbeiter, davon stammen zwei Drittel aus Rumänien.
Und Bauer lüftet ein Geheimnis um Tomaten: „Das richtige Aroma haben sie erst im Mai, denn je mehr Sonnenstunden sind, desto mehr kann die Pflanze Zucker in die Frucht einlagern.“
Ferrari-Glashaus
Martin Flicker, der Vize-Präsident der Wiener Landwirtschaftskammer, hat mit einem Partner rund 9,5 Millionen Euro in seinen Betrieb investiert. In zwei Glashäusern mit 4,2 Hektar Fläche werden Gurken in vier Größen angebaut, der Großteil sind Mini- und Snackgurken.
Weil eine Gurkenpflanze pro Tag sechs bis acht Liter Wasser und viel Licht braucht, ist ein Glashaus mit künstlicher Beleuchtung ausgestattet. Das ist eine Art Ferrari unter den Glashäusern. Dafür wirft diese Kultur zwölf Monate Ertrag ab. „Die Gurke will hohe Luftfeuchtigkeit und wir haben eine Hochdruck-Nebelanlage, die Wasser fein zerstäubt“, sagt Flicker. „Die Mini-Gurken brauchen zwei bis drei Wochen bis zur Ernte. Wir liefern etwa 40 Tonnen Gurken pro Woche aus.“
Im Hochsommer können es mehr sein, da wird zwei Mal am Tag geerntet. Die Gurkenpflanzen werden „am hohen Draht“ hinaufgezogen und müssen regelmäßig herumgewickelt werden, damit sie nicht abbrechen. Dafür bedarf es geübter Hände. 40 Mitarbeiter hat der Betrieb.
Auch geerntet und sortiert wird mit den Händen. Martin Flicker vermarktet sein Gemüse ebenfalls über die LGV Sonnengemüse, seine Produkte landen in den Regalen von Rewe, Hofer und Lidl.
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