Chefarzt versus Primar
Die Antwort ist ein klares „Nein“, zumindest wenn man Christiane Pabst, Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs, fragt. Zu viele Wörter des alltäglichen Sprachgebrauchs seien typisch für Österreich. „Austriazismen“ können sich stark von deutschen Interpretationen unterscheiden. Beispielsweise bezeichnet „Chefarzt“ im österreichischen Sinn den Chef einer staatlichen, ärztlichen Institution, etwa einer Krankenkassa. Was in Deutschland der Chefarzt ist, ist in Österreich ein Primar – ein klarer Bedeutungsunterschied.
Auch bei kulinarischen Begriffen oder in der Fachsprache seien typisch österreichische Begriffe stark vertreten. Und das werde eben trotz Social Media und der Nähe zu Deutschland so bleiben. „Ich sehe keine Gefahr. Das österreichische Deutsch ist nach wie vor sehr produktiv“, so Pabst. Neue Wörter würden laufend im österreichischen Wortschatz ergänzt werden. Allein durch die Corona-Pandemie seien zahlreiche neue österreichische Wortschöpfungen entstanden, die nun im Österreichischen Wörterbuch vertreten sind, wie etwa „Impfstraße“, „Coronaheld“ oder die Abkürzung „MNS“ für „Mund-Nasen-Schutz“.
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Aus dem Englischen geborgt
Die Globalisierung schwemmt nicht nur Bundesdeutsch über die Grenzen. Der Kontakt zu englischsprachigen Ländern nimmt zu, was wiederum neue Begriffe in den österreichischen Wortschatz bringt. Für viele mögen die Anglizismen befremdlich wirken, Christiane Pabst sieht sie dennoch als wertvolle Ergänzung: „Es macht durchaus Sinn, dass Anglizismen auch bei uns sehr präsent sind. Für viele englische Wörter gibt es einfach kein passendes deutsches Synonym.“ Vor allem in der Jugendsprache oder im Sport seien solche Bezeichnungen geläufig. Beispielsweise würde es keine sinngemäße Übersetzung für das bei Jugendlichen beliebte „chillig“ geben. Auch sportliche Ausdrücke, wie der im Tennis gebräuchliche „Tie-Break“ seien schwer einzudeutschen. Bei anderen Begriffen wiederum merke man gar nicht mehr, dass es sich um Anglizismen handelt: Das Wort „downloaden“ ist im täglichen Sprachgebrauch mittlerweile fest verankert, obwohl sich das deutsche Synonym „herunterladen“ entwickelt hat. Im Österreichischen Wörterbuch sind natürlich beide zu finden.
Neben Anglizismen beinhaltet das Österreichische Wörterbuch außerdem regionale Kreationen. Diese sind bundesländerspezifisch mit dem Stichwort „besonders“, wenn sie die Ländergrenzen überschreiten, gekennzeichnet.
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Kein „hinzuaddieren“ mehr
Selten werden Begriffe aus dem Österreichischen Wörterbuch entfernt. Das Nachschlagewerk soll immerhin dabei helfen, verschiedene gesellschaftliche und historische Epochen abzubilden. Auch wenn einige Wörter heute weniger geläufig sind, findet man sie noch, um das Verstehen älterer Texte zu unterstützen.
Essenziell für die Entscheidung, ob ein Begriff im ÖWB bleibt, sind Rechtschreibreformen. So findet man „Kreme“ heute nicht mehr auf den Seiten. Stattdessen hat sich „Creme“ durchgesetzt. Wenn ein Begriff außerdem keine hohe Frequenz aufweist, sprich nicht oft vorkommt, können Änderungen vorgenommen werden.
Sind Ausdrücke auch im historischen Wortschatz nicht auffindbar, werden sie entfernt. Diese Rückverfolgung wird durch die Digitalisierung einfacher. Onlinebestände von Korpora und Zeitungen ermöglichen eine leichtere Überprüfung, inwiefern ein Wort historisch verbreitet war. Die einfachere Rückverfolgung wurde nun einem Wort zum Verhängnis: „hinzuaddiert“ wird künftig nicht mehr im Österreichischen Wörterbuch zu finden sein.
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