Ein 23-jähriger Flugbegleiter stirbt nach einem Swiss-Flug in Graz. Grund dafür ist ein Sicherheitsproblem bei Rauchentwicklung, das es aktuell in jedem Passagier-Jet geben dürfte.
Der Tod des 23-jährigen Flugbegleiters Tobia B. wäre wohl vermeidbar gewesen. KURIER-Recherchen zeigen nun die dramatischen Hintergründe des Vorfalls vom 23. Dezember in Graz, aber auch mutmaßlich schlampige Ermittlungen. Und Fakt ist - so ein Fall könnte sich jederzeit auf jedem Flug wiederholen.
Wie berichtet, musste der Swiss-Air-Flug LX1885 von Bukarest (Rumänien) nach Zürich in Graz zwischenlanden. Grund dafür waren noch ungeklärte Probleme mit einem Triebwerk, sowie Rauch in der Kabine und im Cockpit. Der Qualm war so dicht, dass man teilweise nicht einmal mehr die Sitzreihe vor einem sehen konnte.
Um 17.32 Uhr dürfte jedenfalls eine Ölleitung in einem Triebwerk geplatzt sein. Während es für die Passagiere Sauerstoffmasken gibt, haben die Crewmitglieder so genannte Smokehoods, im Prinzip eine Gasmaske mit einer Kapuze. Die drei Flugbegleiter setzen dieses Protective Breathing Equipment (PBE) rund eine Minute später auf, wobei Tobia B. ein Neuling ist, er ist erst seit Oktober im Einsatz.
Swiss benötigt mehr als 20 Minuten bis zur Landung in Graz
Gegen 17.35 Uhr beginnt der Swiss-Pilot mit dem Abstieg aus 12.500 Metern. Der Airbus mit 79 Insassen wird schließlich um 17.54 Uhr in Graz aufsetzen. Ein auf YouTube gepostetes Video soll sogar den minutenlangen Todeskampf des 23-Jährigen dokumentieren. Eine Kollegin, die neben ihm sitzt, kann nicht helfen. Auf die Idee, noch eine weitere Maske zu holen, die unberührt im Cockpit liegt, oder dem jungen Schweizer die tragbare Sauerstoffflasche zu geben, kommt niemand.
Etwa ein Dutzend Passagiere benötigen anschließend medizinische Versorgung, Tobia B. wird mit dem Hubschrauber auf die Intensivstation geflogen, wo er eine Woche später stirbt. Die offizielle Todesursache lautet Sauerstoffmangel im Gehirn. Eine Bronchitis dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt werden, denn mit dieser wird schneller geatmet - und mehr Luft verbraucht.
Doch die Smokehoods stehen im Zentrum des Geschehens. Da es mit diesen offensichtlich Probleme gab, startete Swiss im April 2024 (anderen Quellen zufolge sogar bereits 2023) einen Austausch. Die alten Fluchtmasken eines US-Weltraumunternehmens sollten gegen ein deutsches Produkt ausgewechselt werden.
Smokehoods bieten nicht ausreichend Schutz
Im Airbus waren offenbar noch die alten im Einsatz. Diese sollen nur für 15 Minuten ausreichend Schutz bieten, dann können die Crew-Kapuzen kollabieren. Zwischen dem Beginn des Vorfalls und der Ankunft am Gate waren aber mehr als 20 Minuten vergangen.
Man sollte jedenfalls meinen, diese Smokehoods wären das wichtigste Beweismittel. Doch die fünf Masken werden von einem Ermittler des Verkehrsministeriums in einen Sack geworfen und einem Flughafenmitarbeiter übergeben. Dieser wiederum bringt den Sack durch die Sicherheitsschleusen sowie den videoüberwachten Bereich und stellte ihn unbewacht auf den Parkplatz neben das Auto des Beamten. "Ein Mitarbeiter des Graz Airport wurde von den Mitarbeitern der Flugunfallkommission gebeten, verpacktes Material zum Fahrzeug der Behörde zu tragen", heißt es am Flughafen offiziell.
Dem Vernehmen nach ist eine Untersuchung der Masken durch den Sachverständigen nun kaum mehr möglich, da die Smokehoods nun in einem anderen Zustand sein sollen, als sie auf dem Video zu sehen sind. Genaue Ergebnisse stehen aber noch aus.
Die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB), der schon bei den Ermittlungen zum Hagelflug der ebenfalls zum Lufthansa-Konzern gehörenden AUA vom Passagieranwalt Vertuschung vorgeworfen wird und wo laut Rechnungshof mitunter Beweise verschwinden, sorgt auch diesmal wieder für Kopfschütteln unter Experten. So ist unklar, wann die Untersuchung eigentlich begonnen hat und ob die Smokehoods überhaupt legal beschlagnahmt worden sind.
Im Ressort von Leonore Gewessler (Grüne) wird erklärt, die Untersuchung der SUB habe bereits am Tag des Vorfalls begonnen. Doch darüber müssten laut internationalen Vorschriften die Untersuchungsbehörden im Land des Herstellers und der Fluglinie informiert werden. Tatsächlich wusste aber die für das Triebwerk zuständige US-Behörde auch eine Woche später noch nichts von einer offiziellen Ermittlung. Diese wurde erst am Todestag des Flugbegleiters verständigt.
Passagiervideo vom Swiss-Flug:
Die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt jedenfalls "gegen unbekannte Täter wegen des Verdachtes der grob fahrlässigen Tötung sowie der fahrlässigen Körperverletzung", wie es heißt. Mehr will man zu den aktuellen Ermittlungen nicht sagen.
Bei Swiss wird erklärt: "Zur genauen Situation an Bord und damit auch dazu, welche Personen zu welchem Zeitpunkt ein PBE getragen haben, können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage machen. Diese Fragen sind Gegenstand der laufenden Untersuchungen. Diese sollen zeigen, was im Flugzeug genau vor sich ging. Auch in dieser Frage arbeiten wir eng mit den untersuchenden Behörden zusammen."
"Die Staatsanwaltschaft Graz hat vorläufig von der Sicherstellung des bei der SUB verwahrten Portable Breathing Equipment abgesehen", wird im Verkehrsministerium betont, "in Absprache mit der Staatsanwaltschaft wird das PBE zunächst zeitnah in Anwesenheit des Gerichtssachverständigen und des zuständigen Ermittlungsbeamten des LKA Steiermark einer visuellen Sichtprüfung unterzogen. Basierend auf den Ergebnissen dieser Prüfung wird dann die weitere Vorgangsweise, wie z.B. weitere Untersuchungen in spezialisierten Laboren, mit der Staatsanwaltschaft Graz abgestimmt.“
Und weiter: "Aufgrund der hohen Arbeitslast für den Untersuchungsleiter vor Ort wurde die Unfallaufnahme durch die Blaulichtorganisationen und den Flughafen Graz unterstützt. Unter anderem dabei, das zuvor dokumentierte und verpackte Untersuchungsmaterial zum Fahrzeug des Untersuchungsleiters zu bringen, wo es vom Untersuchungsleiter unmittelbar in das Fahrzeug verladen wurde.“
Die Smokehoods des deutschen Betreibers hätten jedenfalls vermutlich wenig geändert. Denn tatsächlich müssen alle Fluchtmasken weltweit nur 15 Minuten halten. Kommt es zu einem vergleichbaren Vorfall jedenfalls auf einem Atlantikflug, könnte das alles noch viel schlimmer ausgehen.
Übrigens gilt das gleiche für das Maskensystem für die Passagiere, auch dieses bietet nur für eine Viertelstunde Luft. Denn es ist lediglich dafür gedacht, dass die Fluggäste genügend Sauerstoff für einen Abstieg auf 4000 Meter haben, wo kein Druckausgleich notwendig ist. Dieses wird bei Feuer aber nicht verwendet und war auch hier nicht im Einsatz.
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