Amoklauf in OÖ weckt düstere Erinnerungen an Stiwoll und Annaberg
Ein Mann tötet zwei Jagd-Kameraden und kann bewaffnet fliehen. Der Fall rund um den verdächtigen Jäger Roland Drexler im Bezirk Rohrbach in OÖ beginnt fast wie zwei andere Fälle, die in die österreichische Kriminalgeschichte eingegangen sind.
Im September 2013 tötet Jäger Alois H. in Annaberg in NÖ vier Menschen. Vier Jahre später gerät der kleine steirische Ort Stiwoll in die Schlagzeilen, wo Friedrich Felzmann zwei Nachbarn erschießt und danach untertaucht.
Der KURIER hat eine Rückschau zusammengestellt und die Fälle miteinander verglichen.
Der Fall Annaberg
Vor mehr als zehn Jahren ist die Jägerschaft im niederösterreichischen Annaberg auf der Suche nach einem Wilderer. Mit einer Wildkamera wird der Gesuchte schließlich identifiziert, es ist Alois H., ein angesehener Kamerad aus der Jägerschaft. Die Polizei startet eine Überwachungsaktion und stellt Straßensperren auf, um den Wilderer festnehmen zu können - dann eskaliert es.
Alois H. durchbricht die Straßensperre, durch Schüsse aus den Polizeiwaffen wird er allerdings an der Weiterfahrt behindert und durchstößt einen Zaun. Er steigt aus dem Auto und beginnt ebenfalls zu schießen, aus einem Sturmgewehr 77. Ein Polizist wird so schwer verletzt, dass er kurze Zeit später im Krankenhaus verblutet.
Später erschießt H. noch einen Rettungssanitäter und zwei weitere Polizisten, bevor er sich in seinem Anwesen hinter einer Geheimtür verschanzt. Es dauert einige Stunden, bis die Polizei es wagt, das Gebäude zu betreten. Dort findet sie den Raum in Flammen vor, der Täter Alois H. ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Auch im aktuellen Fall rund um Roland Drexler soll es laut KURIER-Informationen um Vergehen im Bereich der Wilderei gehen. Hinweise auf einen Suizid des Verdächtigen gibt es aber aktuell nicht, was wiederum an die Morde von Stiwoll erinnert. Der Verdächtige Friedrich Felzmann ist nämlich seit sieben Jahren spurlos verschwunden.
Der Fall Stiwoll
Um 9.15 Uhr fallen exakt vor sieben Jahren, am 29. Oktober 2017, Schüsse. Zwei Menschen sterben - erschossen von einem Mann, der seither auf der Flucht ist. Der Verdächtige gilt als gefährlich, als bewaffnet, als unberechenbar. Angetrieben von Ärger mit Nachbarn, wo ihn schon Kleinigkeiten ausrasten ließen. Er machte Unzählige Eingaben an Politik und Justiz, schrieb Briefe an Medien.
"Heil Hitler-"Schild am Auto
Er hatte nach Drohungen Hausverbot an einem Gericht, auf seinem Auto klebte ein "Heil Hitler"-Schild - doch die Verfahren gegen ihn wurden eingestellt: Der Mann wurde als "nicht zurechnungsfähig" eingestuft.
Damals stand Stiwoll, eine kleine Gemeinde am äußersten, westlichen Zipfel des Bezirks Graz-Umgebung, im Ausnahmezustand.
Der mutmaßliche Täter, ein 66-jähriger Steirer namens Friedrich Felzmann, flüchtete, seinen Wagen fand man später verlassen und abgesperrt in einem Waldstück in der Nähe seines Grundes.
Von Felzmann selbst fehlte jede Spur - bis heute. Nach wie vor steht der 66-Jährige auf der Fahndungsliste des Bundeskriminalamtes, zwar mittlerweile nicht mehr als "Austria's most wanted" neben Tibor Foco, sondern auf der Liste der "Personenfahndung nach Straftätern".
Die Parallelen mit dem aktuellen mutmaßlichen Doppelmord in Oberösterreich sind greifbar: Die Verdächtigen - auf der Flucht und als gefährlich eingestuft. Die Gemeinden - klein und überschaubar sonst - in Ausnahmesituationen. Die Bevölkerung - verängstigt.
Auch im Fall Felzmann gab es lange Zeit Personenschutz für jene Menschen, mit denen er im Streit gestanden oder sogar gerichtliche Auseinandersetzungen geführt hatte. Der Ort war abgeriegelt von Spezialeinheiten der Polizei, das Bundesheer half mit Spezialradarfahrzeugen aus.
5.000 Euro - und kein Erfolg
Die Landespolizeidirektion richtet eine eigene Sonderkommission ein, die "Soko Friedrich", sogar eine Art Kopfgeld wurde ausgesetzt: 5.000 Euro für jenen Hinweis, der zur Ergreifung des Flüchtigen führte - das war die höchste je ausgelobte Summe.
An die 500 Hinweise gingen damals ein, doch Felzmann blieb verschwunden. Im Februar 2018 beendet die "Soko Friedrich" ihre Arbeit. Im Mai 2018 brach die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren wegen Mordverdachts ab. Einstellung ist das keine: Sollte Felzmann tatsächlich noch gefunden werden, wird das Verfahren wieder aufgenommen.
Ist er tot?
Mittlerweile gehen die Polizei wie auch unterstützende Kriminalpsychologen davon aus, dass der Steirer tot ist: "Schon aufgrund der Tatsache, dass es so lange kein Lebenszeichen gab, keine Kontobewegungen, nichts", hieß es bereits 2019.
Doch worum ging es damals eigentlich bei dem Streit mit den Nachbarn, der so tragisch enden musste? Um ein Wegerecht, den Durchgang durch seinen Hof.
Kommentare