Stadtwerke-Servicetreff: Kunden müssen in der Kälte stehen
Eine 89-jährige Dame steht in der Schlange vor dem Kundencenter: „Ich will wissen, warum ich keinen Erlagschein bekommen habe“, sagt sie. Sie habe Angst, dass ihr Strom abgedreht werde.
Eine andere Dame sei bei einem privaten Anbieter und habe von den Wiener Netzen eine Quartalsabrechnung für Strom/Gas in der Höhe über 13.000 Euro für eine 50-Quadratmeter-Gemeindebauwohnung erhalten: „Die Wiener Netze sagen, dass ich zahlen muss.“ „Man muss die Leber für die Stromrechnung verkaufen“, kommentiert ein anderer Kunde. Resignation, Wut, manchmal ist auch Verzweiflung der Wartenden spürbar. Auf der Telefon-Hotline hebt niemand ab, per Mail bekomme man keine Antwort. Der nächste Termin für eine Beratung sei im März online unter servicetreff.at buchbar.
Warten müssen die Kunden vor der Tür – in der Kälte. Meistens eine Stunde und dann drinnen nochmals einige Stunden. Der Grund: „räumliche Kapazitätsgrenzen“, heißt es von Wien Energie. Man schenke aber auf dem Vorplatz Tee aus, verteile Handwärmer.
Zwei bis drei Sicherheitsmitarbeiter seien im Dienst. Vor Ort sieht man aber fünf: Zwei draußen vor der Türe und drei drinnen. Die Beratungsplätze werden in den kommenden Wochen auf 26 Plätze aufgestockt, versichert Wien Energie. Täglich sind es 10.000 Anrufe, 4.500 Mails und 600 Personen, die Hilfe brauchen.
„Entschlackung, mehr Service, weniger Tohuwabohu“, wünscht sich ein älterer Herr, der über technische Probleme des Online-Zugangs von meine.wienenergie.at klagt. Ein anderer Herr wurde nicht mehr in die Service-Stelle reingelassen wegen eines Einlass-Stopps: „Ich hoffe, sie drehen mir den Strom nicht ab, ich war zweimal hier, aber die lassen mich nicht rein, obwohl Strom ein Grundbedürfnis ist“, sagt er.
Laut Vorstand Alfons Haber von der Regulierungsbehörde E-Control gab es noch nie so hohe Energiepreise. „Dass Kunden an ihre Grenzen kommen, ist nachvollziehbar“. Energieunternehmen sollten erreichbar sein, eine Personalaufstockung sei wünschenswert.
„Erreichbarkeit schafft Vertrauen“. Kunden können sich in schwierigen Fällen an die E-Control Schlichtungsstelle wenden oder den Tarifkalkulator nützen. Die E-Control hat bereits mehrere Energieunternehmen abgemahnt.
1. Klare, individuelle Kundenkommunikation
Bei Preisänderungen und Kündigungen sollen einfach verständliche Informationen über Handlungsmöglichkeiten der Kund:innen und deren Auswirkungen kommuniziert werden. „Viele Kund:innen wissen zum Beispiel nicht, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – ihre Teilzahlungsbeträge ändern können. Und das in beide Richtungen. Eine Information dazu wäre beispielsweise hilfreich.“, so Wolfgang Urbantschitsch.
2. Kund:innen über die Teilbeträge und die Stromkostenbremse informieren
Eine individuelle Information über die Höhe, den angenommenen Verbrauch sowie die Anzahl der Teilbeträge im Jahr soll den Kund:innen automatisch zur Verfügung gestellt werden . Vor allem, ob die Stromkostenbremse berücksichtigt wurde und wenn ja, in welcher Höhe soll dabei erkennbar sein. „Viele Konsument:innen sind verwirrt, weil sie zwar von der Stromkostenbremse in den Medien gehört oder gelesen haben, auf den Teilzahlungsbeträgen wirkt sich diese aber häufig noch nicht aus. Mit einer individuellen Information könnte hier einfach Abhilfe geschaffen werden.“, ist Urbantschitsch überzeugt.
3. Keine Einschränkung der Grundversorgung
Unternehmen sollen keine Bedingungen für den Erhalt der Grundversorgung stellen und den jeweiligen Grundersorgungstarif, der den gesetzlichen Anforderungen entsprechen muss, klar kommunizieren.
4. Abschaltverzicht bei Härtefällen
Gerade in den Wintermonaten sollen keine Kund:innen abgeschaltet oder aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten gekündigt werden. Ratenpläne sollen auch im Gasbereich angeboten werden.
5. Verrechnen, was verbraucht wird
Für Abrechnungen soll der Verbrauch nicht mehr rechnerisch ermittelt werden. Rechnungen sollen immer auf einem durch Netzbetreiber oder durch Kund:in abgelesenen Zählerstand beruhen. Kund:innen mit Smart Meter sollen aktiv Monatsrechnungen angeboten bekommen.
6. Erreichbarkeit sicherstellen
Das Kundenservice soll gut erreichbar sein, Rechnungen müssen zeitnah ausgestellt und schriftliche Antworten rasch an die Kund:innen geschickt werden.
7. Hilfe bei Zahlungsschwierigkeiten
Umfassende Informationen über geltende Unterstützungsmaßnahmen in Österreich und beim Energieunternehmen selbst sollten zur Verfügung gestellt werden. Für soziale Einrichtungen, die Härtefälle vertreten, sollte es speziell geschulte Kontaktpersonen geben.
8. Leichter Zugang zu Vertragsbedingungen
Informationen über den geltenden Energiepreis oder Preisänderungsmöglichkeiten sollen über das Servicecenter und in einem individualisierten Kundenportal leicht zugänglich sein. „Als enorm wichtig erachten wir die Information darüber, welcher Energiepreis überhaupt zur Anwendung kommt. Hier herrscht häufig große Unsicherheit, wie wir von unserer Beratungsstelle wissen.“, erläutert Wolfgang Urbantschitsch.
9. Schnelle Meldung von Produktdetails in den Tarifkalkulator
Um Preistransparenz zu gewährleisten, sollen Lieferanten Preise und Details ihrer Produkte im Tarifkalkulator der E-Control stets vollständig und aktuell halten.
10. Rasche Weitergabe von gesunkenen Großhandelspreisen
Kund:innen sollen gesunkene Großhandelspreise zeitnah in ihren Abrechnungen spüren.
FPÖ will Rettungsschirm
Unterdessen forderte die FPÖ Wien am Donnerstag einen „Energie-Rettungsschirm“ für die von den Energiepreisen betroffenen Wiener. Verwendet werden sollten dafür die von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bereitgestellten, von der Wien Energie dann aber nicht abgerufenen 1,4 Milliarden Euro.
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