Staatsverweigerer: "Sie wollten Selbstjustiz üben"
"Die meisten sind geläutert", merkt der Staatsanwalt mit Blick auf die 14 Angeklagten an und mahnt die Geschworenen: "Aber sie waren immens radikalisiert, das können Sie mir glauben."
Dienstagvormittag beginnt in Graz der Prozess gegen führende Mitglieder des "Staatenbundes Österreich", die der Staatsanwalt als "größte staatsfeindliche Verbindung, die in Österreich je existiert hat", einstuft. "Da ging es nicht um Nächstenliebe. Sondern darum, den Staat, die Regierung, zu bekämpfen."
Rund 3.000 Mitglieder hatte der "Staatenbund" in ganz Österreich.
19 Stunden Beratung
Es ist der zweite Prozess für die Angeklagten, die die Führungselite des "Staatenbundes" aus allen Bundesländern darstellten.
Das Verfahren muss wiederholt werden, weil der Oberste Gerichtshof das Urteil des ersten Prozesses im Jänner aufgehoben hatte: Die Fragen an die Geschworenen seien nicht konkret genug gewesen.
Allerdings berieten die Laienrichter 19 Stunden lang und hatten 300 Fragen zu beantworten.
Bis zu 14 Jahre Haft
"Präsidentin" Monika U. wurde im Jänner zu 14 Jahren Haft verurteilt, ihr "Stellvertreter" zu zehn Jahren. Weiters gab es vier unbedingte Haftstrafen zwischen zwei und zweieinhalb Jahren sowie acht bedingte Haftstrafen zwischen neun Monaten und drei Jahren (nicht rechtskräftig).
Der "Stellvertreter" fasste zudem vor ein paar Monaten wegen versuchter Entführung weitere 12 Jahre Haft aus (nicht rechtskräftig).
Die Anklage und der Ankläger sind aber die selben geblieben. Der Staatsanwalt wirft der ehemaligen Führungsriege des "Staatenbundes Österreich" neben Betrug auch staatsfeindliche Verbindung vor, weil sie Republik und Demokratie ablehnten. Finanziert worden sei dies unter anderem durch den Verkauf eigener Kfz-Kennzeichen.
"Tauglicher Putschversuch"
Die "Präsidentin" und ihr "Vize" sind auch wegen Hochverrats angeklagt oder genauer: Bestimmung zum Hochverrat. Sie sollen Offiziere des Bundesheeres mehrmals schriftlich aufgefordert haben, an die 100 Politiker zu verhaften. Da Soldaten bewaffnet sind, wertete der Ankläger dies als einen "tauglichen Versuch", einen Putsch zu organisieren - noch nie in der Zweiten Republik wurde so ein Delikt angeklagt.
"Selbstjustiz üben"
150 Haftbefehle habe U. ausgestellt, zählt der Ankläger auf. "Sie wollten Selbstjustiz an Richtern und Politikern üben. Das kann man nicht tolerieren, dass solche Leute Selbstjustiz üben." Immerhin gehe es um 3.000 Mitglieder mit "kruden Ideen und teilweise bewaffnet. Da ist Gefahr im Verzug."
Doch die Angeklagten scheinen an diesem Tag nicht mehr sie selbst zu sein. Gab es 2018 noch Proteste gegen jeden Satz der Richter, sind die meisten heute kooperativ.
Die "Präsidentin", damals noch die Lauteste in dem Verfahren, schweigt, sitzt auf ihrem Platz und steht sogar auf, als die Geschworenen vereidigt werden - das gab es 2018 nicht. "Geläutert durch das Haftübel", kommentiert der Ankläger. U. sitzt seit der Festnahme 2017 in U-Haft und wurde mittlerweile auch in eine Anstalt eingewiesen.
Coronavirus geleugnet
Nur ihr "Vize" und der Angeklagte Nummer 14, ein Deutscher, fallen immer wieder in die alten Rollen zurück. "Der Staatsanwalt hat meine Person in Beschlag genommen. Es gibt sie also nicht mehr", behauptet der Angeklagte. Dem "Vizechef" des Staatenbundes missfällt die Maskenpflicht im Gericht. "Es gibt keine Bestätigung für dieses Coronavirus."
Der neue Prozess ist vorerst für 19 Tage in den kommenden vier Wochen angesetzt.
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