SPÖ-Verluste in Kärnten: "Nach der Corona hat sich alles verändert"
Auf der Menü-Tafel vor dem Alpengasthof Malle in Zell-Pfarre in Unterkärnten werden die Spezialitäten noch handgeschrieben: Kasnudel, Schnitzel, Hirtensalat.
Drinnen ist es vor allem Bier, das kurz vor zwölf Uhr über den dunklen Holztresen gereicht wird. Am Stammtisch sitzen Skitourengeher. Man spricht über das Wetter und Aufstiegsspuren. Politik steht nicht am Menüplan.
Dabei ist Zell nach der Landtagswahl in Kärnten und den Verlusten der SPÖ eine Art Miniaturausgabe des großen Bildes im Land.
Bei der Landtagswahl 2018 noch SPÖ-Hochburg, verloren die Roten hier am Sonntag 9,55 Prozentpunkte und fielen auf 53,3 Prozent. Zell ist neben Eisenkappel-Vellach damit die einzige Gemeinde Kärntens, in der die SPÖ mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichte.
Ruhiger Wahlsonntag in der einstigen roten Hochburg
Wer die Gründe verstehen will, nimmt in der Gaststube von Wirtin Elisabeth und ihrem Mann Peter Platz – und hört zu. „Ich habe am Sonntag um halb sechs abends zugesperrt, sowas hat es früher an einem Wahlsonntag nie gegeben, da bist bei der Tür nicht reingekommen, vor lauter Leute“, erzählt die 68-Jährige, die seit den Neunziger-Jahren den Gasthof in der kleinen, zweisprachigen 590-Einwohner-Gemeinde betreibt.
Wer nachhakt, warum die Leute nicht mehr SPÖ wählen und nur mehr selten ins Gasthaus kommen, erhält fast idente Antworten. Erstens die Teuerung, gegen die die Politik keine Lösung findet, und zweitens die Pandemie. Oder wie es Wirtin Elisabeth nennt, nachdem sie ein Holzscheit im Ofen nachgelegt hat: „Nach der Corona hat sich alles verändert.“
Neun Euro kostet im Alpengasthof das Schnitzel zum Mitnehmen, doch selbst da würde Elisabeth die Teuerung merken. „Wir verkaufen zwei Drittel weniger.“
Rendi-Wagner strahlt bis ins 590-Einwohner-Dorf
Direkt neben dem Gasthof, dort wo die Langlaufloipe perfekt gespurt ist, hat Charly gerade seine Zehn-Kilometer-Runde beendet. Aktiv in der SPÖ sei er früher gewesen, mit Peter Kaiser den einen oder anderen Marathon gelaufen. Am Sonntag hat er seine Stimme Martin Gruber und der ÖVP gegeben. „Hauptsächlich wegen der Wagner. Das geht einfach nicht, was die aufführen“, sagt er.
Gemeint ist SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Die SPÖ stehe für ihn nicht mehr für das Soziale, der Gruber sei hingegen „ein sympathischer Bursche, der in der Causa Flughafen seine Steherqualitäten gegenüber den Roten bewiesen habe“, erklärt Charly, während er seine Langlaufski im Auto verstaut.
Zwischen Gasthaus und Loipe verwandeln sich Analysen zu Wahlverlierern und Wahlsiegern hier zu den Lebensrealitäten von Menschen.
Kaiser soll Landeshauptmann bleiben
Dass Peter Kaiser, dessen Partei als einzige bei der Wahl Verluste eingefahren hat und dennoch als Erster dasteht, als Landeshauptmann zurücktreten sollte, davon hält in Zell-Pfarre aber niemand etwas.
„Die rot-schwarze Koalition hat das doch eh nicht so schlecht gemacht, die können ruhig weiter tun und werden sie auch“, sagt Thomas, der am Tresen des Gasthauses gerade ein Bier bestellt hat. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Heribert Kulmesch, roter Bürgermeister von Zell, hat dagegen nichts einzuwenden. Maximal überrascht sei er vom Verlust „seiner Partei“ landesweit gewesen. Warum die Roten in seiner Gemeinde so viel verloren haben? „Das Team Kärnten hatte etwa einen Spitzenkandidaten aus der Volksgruppe. In unserem Ort leben 80 Prozent Kärntner-Slowenen, das ist ein Wahlargument“, erklärt er.
Wähler sterben, Meinungsforscher liegen falsch
Hinzu komme der demografische Wandel und dass viele alte SPÖ-Wähler verstorben seien in den vergangenen fünf Jahren.
Und dann gebe es da ja auch noch die Meinungsforscher, die völlig falsch gelegen seien. „Viele haben wohl geglaubt, die SPÖ ist sicher und sind nicht wählen gegangen. Ein Fehler“, sagt der Bürgermeister.
Im Gasthof von Wirtin Elisabeth liegen noch einige Flyer von Peter Kaiser. Neben einem leeren Korb mit dem Konterfei von ÖVP-Gewinner Gruber. „Da waren Zuckerl drinnen. Doch die sind alle weg. Die waren heuer sehr beliebt“, sagt die Wirtin.
Kommentare