Spitzenreiter Paznaun: Die Suche nach Österreichs Corona-Herden

In Ischgl könnte eine Art lokaler Herdenimmunität entstanden sein
Die Tiroler Skigebiete sind wohl der mit Abstand größte Ausgangspunkt des Virus in Österreich. Allerdings müssen noch viele Infektionsfälle ausgewertet werden.

Ursprung der meisten Corona-Infektionen in Österreich ist nach wie vor die Region Paznaun. Etwa 41 Prozent der bestätigten Fälle haben sich in den Tiroler Skigebieten angesteckt – oder bei Urlaubern, die von dort heimgekehrt sind.

Das zeigen neue Daten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Die Agentur untersucht für das Gesundheitsministerium, wie sich Personen wann und wo mit dem Coronavirus angesteckt haben.

Für die Untersuchung wird der Ansteckungsverlauf von Infizierten mit standardisierten Fragebögen rekonstruiert. Diese Daten werden analysiert, ausgewertet und täglich in "Reports" an das Gesundheitsministerium gemeldet.

"Cluster S"

In 2.018 von 14.839 bestätigten Fällen (Stand: 21.04.) konnte die AGES bisher die sogenannte Infektionskette rekonstruieren: Also wann, wo und wie sich eine Person infiziert hat. Auf diesem Weg identifiziert die AGES sogenannte "Cluster". Das sind Orte oder Regionen, an denen die Infektion ihren Ausgangspunkt hat. "Jedes Cluster ist wie ein einzelner Ausbruch zu bearbeiten", sagt ein Sprecher der AGES dem KURIER.

Ziel der Auswertung ist es, einzelne Cluster später miteinander verbinden zu können. Wie die Entwicklung sogenannter "Transmissionsketten", die in Cluster zusammengefasst werden, aussieht, sehen Sie in folgender Grafik zu "Cluster A". Der Corona-Herd war in diesem Fall eine in Wien registrierte Person, die sich bei einer Italien-Reise angesteckt haben dürfte. Die Infektion führte zu 60 weiteren Infektionen:

Spitzenreiter Paznaun: Die Suche nach Österreichs Corona-Herden

Der mit Abstand größte Cluster ist und bleibt das Paznaun – wo der mittlerweile weltweit bekannte Skiort Ischgl liegt. Paznaun wird als "Cluster S" bezeichnet. "Ein COVID-19-Fall ist Teil von Cluster S, sofern sich dieser nach dem 31.01.2020 während seiner Inkubationszeit in der Region Paznaun aufgehalten hat oder sich bei einer dieser Personen angesteckt hat", schreibt die AGES.

Von 2.018 bestätigen Fällen ist aktuell der Ursprung der Infektion nachgewiesen. 825 konnten dem Cluster S zugeordnet werden – am 3. April waren es 611. Sie verteilten sich folgendermaßen über ganz Österreich:

Spitzenreiter Paznaun: Die Suche nach Österreichs Corona-Herden

Cluster S: Grafik von 3. April

AGES will alle bestätigten Fälle untersuchen

Die Zahl der Cluster verändert sich täglich. 47 Cluster hatte die AGES bis Anfang April ermittelt. Mittlerweile hat die Agentur 141 Cluster identifiziert. 41 Prozent der Infektionen werden dabei auf Paznaun zurückgeführt. Auch hier gilt: Dieser Prozentsatz ändert sich täglich und der Anteil von Paznaun ist in den vergangenen Wochen gesunken.

Die AGES will auch nicht die "Schuldfrage" klären, sondern bei sämtlichen Infektionen die Übertragungskette rekonstruieren. Dafür arbeite man derzeit rund um die Uhr. Mindestens 13.000 Fälle müssen noch ausgewertet werden. Bei über 1.400 Fällen sei eine Quellen-Zuordnung bisher nicht möglich gewesen, heißt es.

Hauptübertragungsweg: Von Mensch zu Mensch

Anfang April gab es zumindest für Cluster S detaillierte Grafiken, die zeigen, wie sich das Virus aus Paznaun in ganz Österreich verbreitet hat. Eine neue Aufschlüsselung dieser Daten für Cluster S bzw. für andere Cluster konnte die AGES auf KURIER-Anfrage noch nicht zur Verfügung stellen - die Daten werden nachgereicht.

Was die epidemiologische Untersuchung der AGES aber zeigt: "Der Hauptübertragungsweg ist die Mensch-zu-Mensch-Übertragung über Tröpfcheninfektion bei längerem engen Kontakt", sagte ein Sprecher. Das Virus müsse "in die oberen Atemwege gelangen", damit eine Infektion möglich sei. Das würden die bisherigen Auswertungen bestätigen. Deshalb seien ein bis zwei Meter Abstand und Händewaschen nach wie vor die wichtigsten Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

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