Spitzenpolizist warnt vor "After-Corona-Party der Mafia"
Am Freitag wurde die Bestellung von Andreas Holzer als neuer Chef des Bundeskriminalamts bekannt gegeben. Mit dem KURIER sprach er über die dramatische Entwicklung des Cyber-Kriminalität, seinen Zugang zu Ermittlungen und bessere Überwachungsmöglichkeiten.
Holzer arbeitete sich im Bundeskriminalamt nach oben und war in vielen Bereichen tätig - von der Zielfahndung über die Dopingjagd, die SOKO Ibiza bis zur Organisierten Kriminalität.
KURIER: Wohin geht es für das Bundeskriminalamt (BK) unter Ihrer Führung?
Andreas Holzer: Für mich sind zwei Bereiche zentral: Der erste ist Cybercrime. Hier steigen die Zahlen nicht nur, sie explodieren förmlich. Sowohl bei Angriffen auf Datenanwendungen als auch bei der Kriminalität im Netz.
In der analogen Welt scheinen die Anzeigen hingegen zurückzugehen.
Das ist die Crux. Corona hat eine Art Stopp-Taste für Kriminelle verursacht, löst sich diese wieder, folgt ein Zurückschwappen der Kriminalität. Das ist der zweite Punkt: eine After-Corona-Party der Organisierten Kriminalität muss verhindert werden.
Wie soll das gelingen?
Gerade im Osten und auf dem Balkan sieht man, dass sich die Organisierte Kriminalität in Stellung bringt und die Motivation, Straftaten zu begehen, steigen dürfte. Deswegen ist es wichtig, hier nicht nachzulassen und fit für die Zukunft zu sein: Wie funktioniert eine gute Ermittlung? Wie können wir neue Technologien nutzen? Hinzu kommt die Kooperation mit den Staatsanwaltschaften. Mein Ansatz ist nicht, ein Frageprogramm für die Staatsanwaltschaft abzuarbeiten, sondern gemeinsam Ermittlungsverfahren zu führen.
Wie wollen Sie Cyberkriminelle stoppen?
Wir haben die volle Unterstützung des Innenministers mit einer Verdopplung der Beamten und einer eigenen Abteilung für Cybercrime.
Ähnliche Pläne gab es bereits, diese scheiterten an qualifizierten Mitarbeitern. Hat sich dies verändert?
Wir müssen uns nach der Decke strecken. Mit einem hohen Gehalt können wir nicht punkten. Aber mit einem Praktikum bei uns, haben junge Leuten aus Wissenschaft und dem technischen Bereich einen attraktiven Arbeitgeber im Lebenslauf.
Ihr Antritt als BK-Direktor war von massiver Kritik von Seiten der Opposition begleitet. Ihnen wurde Parteinähe vorgeworfen. Wie wollen Sie Ihre Kritiker überzeugen?
Verschwörungstheorien sind immun gegen Fakten. Ich habe den Eindruck, dass hier der Wunsch Vater des Gedankens ist: man wünscht sich einen Skandal, da ist aber keiner. Mein Anspruch ist es, die Kriminalpolizei weiterzuentwickeln und zukunftsfit zu machen. Mit der Wissenschaft gibt es hier bereits eine gute Zusammenarbeit, um etwa mittels künstlicher Intelligenz Drogenhotspots ausfindig zu machen, bevor diese wirklich zu Umschlagplätzen werden. Für mich ist das total sexy.
Die Polizei arbeitet teilweise mit Gesetzesvorgaben, die aus den 60iger, 70iger-Jahren stammen. Sind diese noch zeitgemäß?
Es gibt einige Bereiche, in denen nachgeschärft werden muss. Vor allem bei widerrechtlichen Zugriffen auf Computersystemen oder Datenbeschädigungen. Die Kriminalpolizei wünscht sich bessere Überwachungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei Messenger Diensten (zum Beispiel WhatsApp). Ist dies nicht möglich, muss man andere Wege finden. Das professionelle Führen von Informanten ist für mich die schärfste Waffe.
Der neu aufgestellte Verfassungsschutz soll mit dem BK in die Meidlinger Kaserne ziehen. Wäre eine Art Sicherheitszentrum sinnvoll?
Grundsätzlich ja, das hätte Charme, weil die Behörden durch die räumliche Nähe effizienter kooperieren könnten. Wir fühlen uns aber auch am jetzigen Standort wohl.
Welche Auswirkungen wird die Reform des Verfassungsschutzes auf das BK haben?
Die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes wird von uns voll unterstützt, die Schnittstelle zum Bundeskriminalamt wird funktionieren. Wir arbeiten jetzt schon eng zusammen, wie etwa nach dem Terroranschlag im Analysebereich oder in der Datenauswertung. Wir wissen, dass viele Täter einen Bezug zur Kleinkriminalität und terroristische Vereinigungen starke Verbindungen zur Organisierten Kriminalität haben. Generell steht für mich das Gemeinsame im Vordergrund und nicht ein Konkurrenzkampf zweier Ämter.
Sie waren 2009/10 quasi der erste Doping-Polizist des Bundeskriminalamts. Ist der Sport sauberer geworden?
Zusammengefasst und rückblickend: Ja. Die Ermittlungen in Seefeld haben den Tätern gezeigt: Das ist kein Kavaliersdelikt, da steht die Kripo vor der Tür. Das hat sehr viel bewirkt, aber ich bin nicht blauäugig und gerade in der Pandemie haben wir festgestellt, dass das Thema Doping weitergeht.
Inwiefern?
Weil es weniger Veranstaltungen gibt und ergo weniger Kontrollen vor Ort. Gewisse Leute glauben, dass sie sich dopingmäßig unter dem Radar aufbauen können.
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Zur Person:
Von Hallein nach Wien
General Andreas Holzer begann seine Karriere im Kriminaldienst auf einer Polizeiinspektion in Hallein in Salzburg. Den gebürtigen Lungauer sollte es aber bald nach Wien ziehen.
Aufstieg im BK
Im Bundeskriminalamt war der heute 48-Jährige zunächst mit dem Aufbau der Zielfahndungseinheit betraut. Als Meilensteine folgten die Leitung der SOKO Doping, die Leitung des Büros zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und im Jahr 2017 die Leitung des Ermittlungsbereichs allgemeine und organisierte Kriminalität.
Nachfolge
Holzer folgt als DIrektor im Bundeskriminalamt dem pensioierten Franz Lang nach.
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