Spionageaffäre: Über Google eigenes Todesurteil gefunden
Seit einem Jahr ist das Leben des Wieners Hermann A., der tatsächlich anders heißt, nicht mehr das, was es einmal war. Eigentlich kann man von einem Albtraum sprechen. Dabei begann alles ganz harmlos im Internet. Aus einer Laune heraus suchte der Wiener mithilfe der Suchmaschine Google nach Namensvettern. Dabei stellte es sich heraus, dass es seinen Familiennamen auch in anderen Ländern gibt.
„Ich habe mich bei Google durchgekämpft und fand dann auf der Homepage der libanesischen Partei „Lebanese Forces“ und in mehreren libanesischen Medien Berichte, in denen mein voller Name samt Geburtsdatum erwähnt wurde – mit dem Hinweis, dass ich in Abwesenheit wegen Spionage zum Tode verurteilt wurde“, erzählt Hermann A. dem KURIER. Eine Zeitung titelte: „Todesurteil gegen einen Kollaborateur und fünf Jahre Haft für schiitischen Gelehrten“. Das Urteil hatte ein Militärgericht verhängt und das bereits im Jahr 2013.
Hermann A., der in Berichten auch als „Scheich Mahmood der Österreicher“ bezeichnet wurde, sei flüchtig, hieß es weiter. Auch alles andere waren Räubergeschichten um einen Imam, den Wiener und angebliche israelische Agenten.
Alte Bekanntschaft
Nach der Lektüre der Berichte liefen Hermann A. kalte Schauer über den Rücken, aber als er den Namen des schiitischen Geistlichen las, ging ihm ein Licht auf. „Es geht um einen Top-Terroristen, der getötet wurde“, sagt A. „Ich bin aber dafür nicht verantwortlich.“
Dazu muss man das Rad der Zeit weit zurückdrehen. Ende der 1990er-Jahre und Anfang der 2000er-Jahre lebte der Wiener tatsächlich im Libanon, um Arabistik zu studieren, später spezialisierte er sich auf Islamwissenschaften. Im Zuge seines mehrjährigen Aufenthalts im Libanon lernte er auch den Imam Hassan M., kennen, der ursprünglich in einer Führungsposition der vom Iran gesponserten Partei und Terrororganisation Hisbollah tätig war. Der Imam, mit dem er sich anfreundete, trennte sich aber von der Hisbollah, woraufhin ihm die Ausübung seines religiösen Amts verboten wurde. Außerdem wurde er überwacht.
„Eines Tages sagte Hassan M. zu mir, er müsse mit mir ein heikles Thema besprechen. Wir setzten uns in sein Auto und fuhren bei lauter Musik durch die Gegend. Er sagte mir, er könne so unter der Bewachung der Hisbollah nicht weiterleben“, erzählt A. in der Kanzlei seines Anwalts Michael Krenn.
Der Geistliche hatte vor, in einem westlichen Land um Asyl anzusuchen und benötigte dafür Hilfe. Der Imam hatte einen Trumpf in der Hand, den er gegen die Gewährung von Asyl einem ausländischen Nachrichtendiensten übergeben wollte.
Hohe Belohnung
„Er wusste, wo sich der damals meistgesuchte Hisbollah-Kommandeur Imad Mughniyeh verbarg und wie man ihn schnappen könnte“, sagt der Wiener. „Außerdem war auf den Hisbollah-General Kopfgeld in Höhe von 15 Millionen Dollar ausgesetzt. Der Geistliche bot ihm die Hälfte der Belohnung, wenn er ihm in Sachen Geheimdienstkontakte und beim Wegkommen aus dem Libanon helfen kann. Der Österreicher willigte ein.
„Ich war fest der Meinung, ich muss ihm helfen. Ich habe aber dann 2003 den Libanon verlassen und bin nicht mehr zurückgekehrt“, sagt A. In weiterer Folge sei er nach London geflogen und er hat dort die US-Botschaft kontaktiert. „Ich habe gesagt, dass ich Wissen über den Aufenthaltsort eines der meistgesuchten Terroristen habe“, sagte A. „Ich habe noch am Abend desselben Tages einen Termin in der US-Botschaft bekommen und man brachte mich in einen Bunker, drei Stockwerke unter dem Erdgeschoß“, schildert A. „Ich habe denen die ganze Geschichte erzählt, von meinem Freund, dem Imam, und welches Wissen er hat.“ Den tatsächlichen Aufenthaltsort des Hisbollah-Generals wusste A. aber nicht. „Sie sagten mir, sie werden meinem Freund helfen, aber sie brauchen auch meine Hilfe“, schildert A.
Kalte Füße
Später übersiedelte A. nach Deutschland und er bekam von den Amerikanern eine neue geheime Telefonnummer, unter der er sich bei der Botschaft in Berlin melden sollte. Denn es sollte dort zu einem weiteren Termin kommen. Doch der Wiener hatte kalte Füße bekommen, weil er in Büchern zu viel über Geheimdienste gelesen hatte. Am Ende kam kein weiterer Kontakt mit den Amerikanern zustande, auch nicht mit dem Imam, sagt A.
Am 12. Februar 2008 wurde der Hisbollah-General Imad Mughniyeh in einer gemeinsamen CIA-Mossad-Operation außerhalb von Damaskus von einer Autobombe getötet. Über die Jagd nach Mughniyeh wurde in Israel sogar ein Dokudrama gedreht.
Wilde Geschichten
Ob Imam Hassan M. in den Fall am Ende involviert war, weiß Hermann A. nicht. Jahre nach dem Attentat wurde der Geistliche in Syrien vom Geheimdienst geschnappt, als er sich auf einer Reise nach Mekka befand. Er wurde in den Libanon überstellt und vor ein Militärgericht gestellt. Dort dürfte er über Hermann A. wilde Geschichten erzählt haben, glaubt man libanesischen Zeitungen. Auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND soll involviert gewesen sein.
Der Imam will A. sogar in einem Hotel in München getroffen haben, was A. aber heftig bestreitet. Bis heute kennt Hermann A. den tatsächlichen Inhalt des Todesurteils nicht.
Hermann A. und sein Anwalt Michael Krenn haben die libanesischen Zeitungsberichte über das Todesurteil dem Außenministerium (BMEIA) übergeben und auch ein persönliches Gespräch geführt. Mit dem Ergebnis sind sie nicht zufrieden. „Ich hätte mir vom Außenministerium erwartet, dass man an die libanesischen Behörden herantritt, das Urteil abklärt und zumindest diplomatischen Protest einlegt“, sagt Anwalt Michael Krenn zum KURIER. „Dass den Vertretungsbehörden die Beischaffung des Urteils nicht möglich sein sollte, erschließt sich mir nicht. Zusammenfassend bleiben unsere Vorwürfe, dass das BMEIA sich hier schlicht keine Arbeit machen möchte, voll inhaltlich aufrecht.“
„Aus unserer Sicht wäre es tatsächlich im besten Interesse von Herrn A., dem von uns vorgeschlagenen zweistufigen Vorgehen zu folgen“, so das BMEIA. „Das heißt in einem ersten Schritt einen libanesischen Anwalt zu betrauen und in einem zweiten Schritt, bei Bedarf, von Seiten der Botschaft offiziell an die libanesischen Behörden herantreten.“ Österreichische Botschaften haben sogenannte Vertrauensanwälte, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeiten. Dabei sei grundsätzlich festzuhalten, dass die Tätigkeit von Vertrauensanwälten für österreichische Staatsbürger:innen stets von diesen zu bezahlen ist. Von Seiten des BMEIA wurde Herrn A. „dringend geraten, nicht in den Libanon zu reisen“.
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