Österreich: Ein Tummelplatz der Spione aus aller Welt
Erst wenige Wochen ist es her, da wurde ein möglicher russischer Spion in Wien enttarnt. Die Cobra stürmte die Wohnung des 39-Jährigen. Der Verdächtige ist der Sohn eines ehemaligen Diplomaten.
Der Fall passt perfekt in das Bild, das die DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, Anm.) in ihrem aktuell veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2021 zeichnet. Anders als sonst ist dem Thema Spionage ein ausführlicher Teil gewidmet. Und es werden auch vier konkrete Länder genannt, die in Österreich besonders aktiv sind: Russland, China, der Iran und die Türkei.
Ein Nährboden für Spione vieler Länder
Dass Österreich ein Nährboden für Spione vieler Länder ist, ist nicht neu – und hat mehrere Gründe. Die zentrale Lage, die Niederlassung internationaler Organisationen und die gute wirtschaftliche Situation. Doch Österreich ist nicht nur ein guter Standort, um andere Länder zu bespitzeln. Es ist auch selbst Ziel von „nachrichtendienstlicher Beeinflussung und Ausspähung“.
Deckmantel: Botschaft
Vertretungen der Länder, darunter neben Botschaften und Konsulaten auch Vereine, Kulturzentren oder Fluggesellschaften, dienen laut DSN als Deckmantel für die Spionagetätigkeit ausländischer Nachrichtendienste. Die Spione selbst sind schwer zu schnappen. Was auch daran liegt, dass sie Diplomatenstatus genießen und somit strafrechtlich nicht verfolgt werden können.
Besonderes Ziel für die ausländischen Nachrichtendienste sind Landsleute, die in Österreich leben. Sie werden als Spitzel angeheuert, um Informationen über andere Landsleute weiterzugeben. So will man Informationen zu Oppositionsbewegungen gewinnen.
Drohen und Belohnen
Die Rekrutierung erfolgt einfach und effektiv. Landsleute, die in Österreich leben, werden nach einem Heimatbesuch am Flughafen herausgefischt und aus fadenscheinigen Gründen festgenommen. Bei einer Befragung durch den jeweiligen Nachrichtendienst werden die Personen dann entweder durch Drohungen gegen Angehörige, die noch im Herkunftsland leben, oder mit finanziellen Anreizen dazu gebracht, zu spitzeln. Ein entsprechender Fall flog 2021 auf.
Eine Frau soll zwei Jahre lang spioniert haben, nachdem sie 2018 auf einem Flughafen festgenommen worden war. Ihr wurde die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vorgeworfen. In Wirklichkeit war sie in einem oppositionellen Verein tätig. Dann wurde Druck auf die Frau aufgebaut: Wenn sie kooperiere, werde sie aus der Haft entlassen und darf nach Österreich zurückkehren. Die Frau willigte ein und gab mehrere Namen von Mitstreitern in Österreich bekannt. Insgesamt soll sie zumindest 100 Namen genannt haben. Im Auftrag des ausländischen Nachrichtendienstes ermittelte sie zudem konkrete Personen, die in anderen Vereinen tätig waren.
Angeworben werden aber auch gezielt Personen aus dem Hightech-Bereich, aus diplomatischen und akademischen Kreisen, wirtschaftliche Akteure, politische Funktionäre oder hochrangige Beamte.
Ausspähen
Jene vier Länder, die im Verfassungsschutzbericht genannt werden, werden als „Hauptakteure“ bezeichnet. Russische Nachrichtendienste agieren laut DSN seit geraumer Zeit unverändert intensiv in Österreich. So werden etwa Arbeitsmethoden und Ziele heimischer Sicherheitsbehörden ausgespäht. Zudem wird versucht, Personen anzuwerben, die in „Einrichtungen von besonderem Interesse“ arbeiten.
Der Großraum Wien ist für China das bevorzugte Operationsgebiet. Auch der militärische Nachrichtendienst ist hier tätig, um technologische Informationen mit militärischem Bezug zu sammeln.
Die iranischen Nachrichtendienste verfügen über ein Netzwerk in Österreich. Ein Teil geht aus der iranischen Revolutionsgarde hervor. Seit den Unruhen im Iran wurden mehrfach Geheimdienst-Aktivitäten bei Demos in Wien beobachtet. Die Botschaft selbst soll dazu aufgerufen haben, Bilder und Videos von Protestierenden zu schicken.
118.000 Türken leben in Österreich. Entsprechend groß ist das Interesse der türkischen Nachrichtendienste, darunter der MIT, der unmittelbar Präsident Recep Tayyip Erdoğan untersteht. Augenmerk wird auf Regimekritiker sowie Anhänger der Gülen-Bewegung und der PKK gelegt.
Lager und Justizanstalten als Rekrutierungsraum für den IS
Terroristische Organisationen wie der IS sind noch immer eine Gefahr für ganz Europa, auch für Österreich. Die DSN spricht von einem „erhöhten Bedrohungspotenzial für Österreich“.
Als aktuelle Gefahr werten die Staatsschützer jene Personen, die sich aktuell in den Internierungslagern in Syrien befinden. Auch mehrere Österreicher, darunter Mütter und Kinder, sind dort. „Die Lager in den Kurdengebieten, in denen in erster Linie Familienangehörige – hauptsächlich Frauen und Kinder – ehemaliger IS-Kämpfer untergebracht sind, zählen gegenwärtig zum größten Radikalisierungs- und Rekrutierungsraum für einen wiedererstarkenden IS“, heißt es im Bericht. Österreich hat bisher nur wenige Kinder aus den Lagern geholt.
Als Radikalisierungsraum werden auch die Justizanstalten bezeichnet. Zudem werden wieder vermehrt radikale Prediger wahrgenommen. Zum einen auf Plattformen wie Tiktok, zum anderen „Wanderprediger“ vom Westbalkan, die auch in Wien Station machen.
Das Risiko rechtsextremer Tathandlungen steigt
Rechtsextremismus hat einen Namen: Die identitäre Bewegung und ihr Ableger DO5 werden konkret im Verfassungsschutzbericht genannt. Und auch der Hinweis, dass das Risiko rechtsextrem motivierter Tathandlungen steigt.
Die Staatsschützer bescheinigen ihnen einen sehr hohen Organisationsgrad. Und durchaus Erfolg mit ihrer Strategie, junge Menschen mit speziellen Begriffen anzusprechen. „Großer Austausch“ statt „Überfremdung“. „Remigration“ statt „Massenabschiebung“. „Kultur“ statt „Rasse“. Dadurch wolle man die Grenzen des Sagbaren langsam verschieben und rechte Grundhaltungen in der öffentlichen Wahrnehmung normalisieren.
Ihre Botschaften brachten die Identitären auch bei den Corona-Demos (hier gibt es personelle Verschmelzungen) unter. Die Gruppierung würde nach Ansicht der Staatsschützer Gewalt positiv bewerten. Der internationale Austausch wird bei Veranstaltungen ermöglicht – etwa bei Kampfsport und Musik. Nachdem die Corona-Proteste stark zurückgegangen sind, geht man davon aus, dass sich Gruppierungen wie die Identitären wieder verstärkt dem Thema Migration zuwenden.
Eine andere Herangehensweise haben deutschnationale Burschenschaften, deren Vertreter auch in Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu finden sind. Immer wieder kommt es zu strafrechtlichen Verfahren nach dem Verbotsgesetz oder wegen Verhetzung.
Linksextreme geraten in erster Linie in Zusammenhang mit Rechtsextremen in den Fokus. Sachbeschädigungen und Körperverletzungen gibt es meist in Zusammenhang mit dem politischen Gegner.
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