SOS Kinderdorf: „Der Druck auf viele Familien ist hoch“

SOS Kinderdorf: „Der Druck auf viele Familien ist hoch“
Seit dem zweiten Lockdown steigen die Krisenanfragen in den SOS Kinderdörfern in Österreich

Die Weihnachtszeit ist in normalen Jahren schon stressig, in Zeiten der Pandemie und des Lockdowns stehen viele Familien vor großen Problemen. Die Lage spitze sich zu, wie die Mitarbeiter des mobilen Familiendienstes des SOS Kinderdorfs immer öfter bei der Arbeit mit ihren Klienten bemerken.

„Das derzeitige enge Familienleben sorgt für Sprengstoff“, sagt Burgenlands SOS Kinderdorfleiter Marek Zeliska. Er und seine Mitarbeiter haben im Moment viel zu tun. „Es gibt Anfragen für die Unterstützung von Familien, wo es vermehrt zu Gewalt gekommen ist, Väter weggewiesen wurden und wo es akute Unterstützung in der Krise braucht.“

Der Weg zur Eskalation

Homeschooling, Homeoffice, Angst vor der Zukunft, Partnerschaftsprobleme, Gewalt, vermehrter Alkoholkonsum – all das kann zur Eskalation führen. Ist das der Fall, müssen die Jugendämter einschreiten. „Der Druck in vielen Familien ist spürbar hoch“, sagt Zeliska. Die Mitarbeiter der mobilen Familienarbeit können nur eingeschränkt Kontakt mit den Klienten haben, was den Einblick in die „Familienwelt“ erschwere.

„Doch gerade jetzt wäre es wichtig, die Familien aktiv zu unterstützen. Viele kämpfen mit finanziellen Problemen und Jobverlust, andere haben Angehörige verloren oder sind überfordert“, weiß Zeliska. Die Mitarbeiter seien im Moment besonders hellhörig: Sie achten auf Anzeichen für drohende Gefahren, um zeitgerecht Schutzmaßnahmen einzuleiten.

Im Burgenland haben die SOS Kinderdörfer nun sogar zusätzliches Personal angestellt – und es werden Überstunden gemacht, um die Situation zu meistern.

Sehr viele Aufnahmeanfragen

Im Burgenland waren die Krisenplätze im SOS Kinderdorf teilweise belegt, auch in Kärnten kam es vermehrt zu krisenbedingten Aufnahmen von Kindern. „In unserer Krisenwohngemeinschaft Barbakus in Kärnten gab es sehr viele Aufnahmeanfragen, die dringlicher Unterstützung bedurften“, bestätigt Gerald Stöckl, Leiter des SOS Kinderdorfs in Kärnten.

Und er appelliert, trotz der zusätzlichen Herausforderungen unter Druck geratene Familien mobil, also zu Hause, zu unterstützen. Und diese Art der Betreuung gegebenenfalls intensiv aufrechtzuerhalten. Denn durch die Betreuung zu Hause könne oft verhindert werden, dass die Kinder fremd untergebracht werden. „Es darf keine Familie zurückgelassen werden“, sagt Stöckl.

Bisher konnte man in Kärnten den Bedarf gut decken. „Glücklicherweise“, wie Stöckl betont.

Keine Entspannung

Gefordert sind aber nicht nur die Kinderdörfer selbst, sondern auch die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Kinder- und Jugendhilfe-Abteilungen der Länder. Denn sie müssen vielfach auch in den Corona-Krisenstäben mitarbeiten. „Sie sind dann oft froh, wenn das SOS Kinderdorf rasch reagiert und unterstützt“, sagt Zeliska.

Mit einer Entspannung in den nächsten Wochen rechnen die Kinderdörfer eher nicht. „Wir sind gerüstet und hoffen, allen Krisen begegnen zu können, die noch auf unsere Mitarbeiter und Familien warten“, gibt sich der Kinderdorfleiter optimistisch.

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