Sonnenenergie auf den Feldern erhitzt die Gemüter
Der 25. Februar ist in Hollabrunn derzeit allgegenwärtig. Das Datum prangt auf Plakaten in der ganzen Stadt. Auf Flugzetteln wird dazu aufgefordert, an diesem Tag ein Wahllokal zu besuchen. Denn die Bevölkerung stellt am 25. Februar die Weichen für die Zukunft der Gemeinde. Allerdings nicht in Sachen Politik, sondern für oder wider Sonnenenergie.
Dabei stehen die Kampagnen der Befürworter und der Gegner einem klassischen Wahlsonntag um nichts nach. Im Gegenteil: die Politik ist gespalten, die Bevölkerung ist es ebenso. Verhärtete Fronten, wie man sie von Windkraftprojekten kennt.
Sechs Felder sollen in „Grünland Photovoltaik“ umgewidmet werden, der Gemeinderat überlässt die Entscheidung den Bürgern. Ein Modell, das nicht neu ist; erst im Herbst wurde im Burgenland über PV-Anlagen auf Freiflächen abgestimmt. Das Ergebnis: In Unterpullendorf war man dafür, im Nachbarort Kleinmutschen dagegen.
Landschaftsbild
Dabei sorgte die Bürger vor allem eines: Die Auswirkung auf das Landschaftsbild. Das ist in Hollabrunn nicht anders. Eines der Projekte soll neben einer Kellergasse entstehen, 1.400 Unterschriften wurden bereits dagegen gesammelt. „Das ist der falsche Platz dafür. Wir haben hier ein tolles Naherholungsgebiet“, sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative, Martina Schreiber.
Und sie ist nicht die Einzige, für die PV-Paneele auf fruchtbaren Feldern so gar nichts verloren haben. Ende 2023 veröffentlichte das Meinungsinstitut IMAS eine Umfrage zur Solarenergie in Niederösterreich. 600 Menschen wurden dazu befragt.
Ablehnung
94 Prozent gaben an, dass mehr in Sonnenenergie investiert werden sollte. Allerdings beschränkt sich die Zustimmung auf PV-Anlagen im privaten Bereich, auf Wohnanlagen und Eigenheimen sind Kollektoren gewünscht. Mit der Errichtung auf Freiflächen, wie Wiesen oder Äcker, sind nur 44 Prozent einverstanden. Jeder Zweite stimmte der Aussage „Ich möchte in meiner Gemeinde keine Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen“ zu. Und ebenfalls jeder Zweite betonte, sich von größeren Anlagen außerhalb der Ortschaft gestört zu fühlen.
Argumente, die Hubert Fechner bereits kennt. Der Obmann der Österreichischen Technologieplattform Photovoltaik hat schon viele Projekte in Österreich als Experte begleitet. Nach jahrelanger Forschung in diesem Bereich steht für ihn fest: „Wenn Österreich seine Energieversorgung bis 2040 tatsächlich selbst in die Hand nehmen will, dann wird es – neben anderen Energiegewinnungsformen – auch Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen brauchen.“ Denn der Ausbau auf Dachflächen und anderen bereits genutzten Flächen würde nicht einmal die Hälfte der nötigen Anlagen ermöglichen. Seinen Berechnungen zufolge müssten 200 Quadratkilometer an Freiflächen für Paneele genützt werden.
„Wir sprechen hier von der halben Fläche von Wien, die in den nächsten 15 Jahren in ganz Österreich auf Freiflächen entstehen müsste“, zieht er einen Vergleich. Wobei aber nicht von einer Versiegelung die Rede wäre; lediglich fünf Prozent einer Freiflächen-Anlage versiegeln den Boden. Und der Rest kann entweder als Biodiversitätsfläche oder als Agrarfläche genützt werden. Möglich machen das sogenannte Agri-PV-Anlagen. Bei diesen ist eine Bewirtschaftung zwischen den Paneelen möglich.
Schutzfunktion
Eine solche Anlage soll auch neben der Satzer Kellergasse in Hollabrunn entstehen; die Familie Scheuer plant, unter den 3,5 Meter hohen, lichtdurchlässigen Paneelen Marillenbäume anzubauen. „Die Anlage wäre somit auch ein Schutz für unsere Bäume“, sagt Ernst Scheuer. Trockenheit und Feuchte, Hitze und Frost hätten den Bäumen in den letzten Jahren sehr zugesetzt. Von Sturm und Hagelschlägen ganz zu schweigen. Die Großinvestition habe aber auch einen anderen Hintergrund: „Es geht uns auch darum, unseren Familienbetrieb auf Dauer zu erhalten“, sagt der Landwirt, dessen Familie seit 1855 Wein- und Obstbau betreibt.
Ist der Bau und der Betrieb einer PV-Anlage eine sinnvolle Ergänzung für landwirtschaftliche Betriebe? Ja, wenn es nach dem Steirer Georg Unterhuber geht. Seine Familie betreibt eine Milchwirtschaft in Bärnbach. Vor zehn Jahren hat er seine erste PV-Anlage errichtet, als er den Betrieb breiter aufstellen wollte. Mittlerweile plant er eine Erweiterung auf sieben Hektar.
„Die Photovoltaik kann die Zukunft für Landwirte sein und somit das Fortbestehen der österreichischen Produktion sichern“, ist er überzeugt. Aber: „Man hat Gegner.“ Denn bei den großen Energieversorgern seien Projekte wie das seine nicht gerne gesehen.
Als große Chance für die Landwirtschaft sieht die Photovoltaik auch Joachim Payr von EWS Consulting. Das Unternehmen hat in Bruck an der Leitha in Niederösterreich eine Agri-PV-Anlage zu Testzwecken errichtet. Seit Herbst 2022 wird diese Fläche bewirtschaftet.
„Es gab durch die Anlagen keine nennenswerten Ernteverluste. Stromerzeugung und Lebensmittelproduktion sind keine Konkurrenz“, zieht Payr eine erste Bilanz. Er ist überzeugt: „Agri-PV-Anlagen werden bald zum Ortsbild dazugehören wie der Kirchturm. Und der Landwirt kann Landwirt bleiben.“
Landwirtschaft und Photovoltaik müssen also kein Gegensatz mehr sein, wie auch Versuchsanlagen zeigen (siehe unten). Im Falle von Hollabrunn ist eine sinnvolle Nutzung der Flächen – sei es als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sei es als Agrarfläche – sogar seitens der Gemeinde Voraussetzung für eine Genehmigung.
Und auch die viel diskutierten Netzkapazitäten seien für den Ausbau grundsätzlich kein Hindernis. „Von vollen Stromnetzen zu sprechen, ist nicht richtig“, sagt Fechner. Das wäre nur recht kurzfristig der Fall, wenn Spitzenwerte erreicht werden.
Frage der Optik
Bestes Beispiel: Ein sonniger Sonntagmittag im Juni, bei dem viel Sonnenenergie erzeugt wird, aber es kaum Abnehmer in den Haushalten, Gewerbe oder Industrie gibt. „Diese Spitzen kann man künftig managen, das ist machbar“, so der Experte.
Unterm Strich bleibt für Fechner also nur noch ein Argument gegen Paneele auf Freiflächen: jenes der Optik. „Wenn wir die Energiegewinnung wirklich selbst in die Hand nehmen wollen, wird man mehr Energieinfrastruktur in der Landschaft sehen“, macht er bewusst. „Die Frage ist: Wollen wir das wirklich nicht akzeptieren?“ Hollabrunn wird seine Antwort darauf am 25. Februar geben.
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