"Solange ich kann, trage ich Zeitungen aus"

Sabine Wenerth mit Tochter Sabrina, die erzählt: „Als ich schwanger war, bin ich immer zum Ausliefern mit der Mama mitgefahren“.
Am Samstag ist der internationale Tag der Zeitungszusteller. Sabine Wenerth bringt seit 24 Jahren den KURIER.

Sabine Wenerths Wecker läutet um 2.30 Uhr morgens. Spätestens eine Stunde danach ist die vierfache Mama und achtfache Oma bereits unterwegs auf den Straßen des Bezirks Gänserndorf (NÖ). Ob Sommer oder Winter, Wenerth liefert Zeitungen in den Ortschaften Waltersdorf an der March, Sierndorf und Jedenspeigen aus – kennt hier jede Gasse und fast alle Bewohner.

Denn sie macht den Job schon seit 24 Jahren. „Angefangen habe ich, als die Kinder klein waren, weil es sehr gut gepasst hat: Mein Mann hat tagsüber gearbeitet, ich in der Nacht. So war immer jemand zu Hause“, erzählt sie. „Zuerst hatte ich nur ein altes Puch-Moped. Das ist oft nicht angesprungen, dann musste ich zu Fuß los.“ Mittlerweile dreht Wenerth mit dem Auto ihre Runde. Zwei bis drei Stunden benötigt sie dafür. „Und ich mache es so gern“, sagt sie strahlend.

Rund 200 Zeitungen sind täglich auszuliefern. In vielen Fällen wird sie dabei schon erwartet. „Es gibt einige ältere Menschen, die sich freuen, wenn ich um die Ecke biege“, weiß sie. Deshalb nimmt sich die Waltersdorferin auch Zeit, um ein paar Worte mit ihrer Kundschaft zu wechseln.

Kuriose Erlebnisse

Und nicht nur das: Ist der Postkasten etwas weiter vom Haus entfernt, bringt Sabine Wenerth die Zeitung auch gerne bis an die Eingangstüre, wenn sie weiß, dass die Bewohner nicht mehr gut zu Fuß sind. „Mir ist es doch egal, ob ich ein paar Schritte mehr gehe, aber die Kunden freuen sich“, sagt sie mit einem Lächeln.

Honoriert wird so viel Engagement immer wieder mit Trinkgeld oder kleinen Geschenken, wie Süßigkeiten oder Getränken.

Erlebt hat die freundliche Zustellerin in all den Jahren so einiges. „Ein paar Mal hätte ich beinahe jemanden überfahren, weil es schon mehrmals vorgekommen ist, dass Betrunkene auf der Straße gelegen sind“, erinnert sie sich. Einfach weiterzufahren, fällt Wenerth aber selbst in solchen Situationen nicht ein. „Ich habe denen dann aufgeholfen, oder sie nach Hause gebracht“, erzählt sie. „Einmal wollte einer dann nicht mehr aus meinem Auto aussteigen. Ein anderer hat mich plötzlich beschimpft und gefragt, was ich in seinem Wohnzimmer mache.“

Von einer Radfahrerin sei sie selbst beim Zustellen einer Zeitung angefahren worden. „Da konnte ich 14 Tage lang nicht gehen.“ Während eines Gewitters sei sie beinahe von einem Blitz getroffen, während eines Sturms fast von einem umstürzenden Baum erwischt worden. Auch im strömenden Regen oder bei Schnee und Eis liefert Sabine Wenerth aus. „Im Winter denke ich mir schon manchmal: Heute will ich eigentlich nicht hinaus in die Kälte. Aber sobald ich im Auto sitze, ist das vorbei, dann freue ich mich wieder auf meine Kunden.“

Karate als Ausgleich

Auch mit tragischen Momenten war die Zustellerin dabei konfrontiert. „Ein älterer Herr hat mich jeden Morgen am Fenster erwartet. Einmal komme ich hin und er liegt auf dem Fensterbrett. Zuerst habe ich geglaubt, er ist eingeschlafen, aber er war leider verstorben“, erinnert sie sich.

Ihr Job sei „Ausgleich“ für sie, sagt Wenerth, die aber auch sportlich höchst aktiv ist. Nicht nur als Stockschützin in der Damenmannschaft des SUSSV Drösing. Zahlreiche Gold- und Silbermedaillen errang sie bereits bei Europa- und Weltmeisterschaften im Fudokan Karate.

Urlaub habe sie in all den Jahren nur für sportliche Wettkämpfe genommen, sagt Sabine Wenerth. An Pension denkt sie ebenso wenig: „Solang ich kann, trage ich weiter Zeitungen aus.“

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