Skruf und Co.: Nikotin-Kick schon für Elfjährige

Skruf und Co.: Nikotin-Kick schon für Elfjährige
Nikotinbeutel, die unter die Lippe geschoben werden, werden immer mehr zum Problem bei Jugendlichen. Das Gesundheitsministerium arbeitet an neuem Gesetz.

Mit Zigaretten haben die tabakfreien Nikotinprodukte auf den ersten Blick nicht viel zu tun. Stylische Dosen, mehrere Geschmacksrichtungen, Aufschriften wie „Super White“, die eher an Kaugummis erinnern. An stark frequentierten Plätzen werden Proben verschenkt. Inhalt: Kleine Beutel mit Nikotin, die unter die Lippe geschoben werden. Bekannteste Marke in Österreich ist wohl „Skruf“.

Zielgruppe sind vor allem junge Menschen. Denn bei ihnen kommen Zigaretten nicht mehr an. Und das Konzept geht auf – sogar bei Teenagern. Allerdings: Die Nikotin-Konzentration in den Beuteln ist vielfach stärker als in Zigaretten. Suchtberater schlagen deshalb Alarm.

Immer öfter werden Michael Guzei und Irene Köhler von verunsicherten Lehrern und Direktoren kontaktiert. Die beiden arbeiten in der Suchtprävention. „Vor der Pandemie haben wir gesagt, Nikotin ist bei Jugendlichen kein Thema mehr. Doch mit der Pandemie sind diese Nikotinbeutel voll hochgekocht“, schildert Michael Guzei.

Anders als Zigaretten sind die Nikotinbeutel nämlich auch für Jugendliche erhältlich. Sie fallen nicht unter das Tabakgesetz – weil sie eben keinen Tabak enthalten.

Im Unterricht

„Viele Jugendliche haben das dann auch in der Schule hinter der Maske konsumiert, um sich besser konzentrieren zu können“, schildert Guzei. „Vor Kurzem hat mir der Lehrer einer zweiten Klasse gesagt: Ein Mädl hat sich mitten im Unterricht angespieben. Bei einer anderen Schule hat der Direktor bei einem Rundgang ums Gebäude rund 150 solcher Beutel gefunden.“

Eine Beobachtung, die auch Irene Köhler teilt. „80 Prozent meiner Einsätze im Mai und Juni waren genau wegen dieser Nikotinbeutel. Ein elfjähriger, sportlicher Bursche hat mir erzählt, dass sie das vom Fußballtrainer bekommen haben, damit sie leistungsfähiger sind. In einer anderen Klasse war eine Handballerin, die fast professionell spielt. Auch sie hat mir geschildert, dass die Trainerin diese Beutel vor dem Training, während des Trainings und nach dem Training verteilt.“

Abhängigkeit

Das größte Problem: Die schnelle Abhängigkeit. „Nikotin macht ähnlich schnell abhängig wie Heroin. Und bei Jugendlichen hat das natürlich eine noch viel stärkere Wirkung.“

Köhler kennt aber auch die Geschichte einer Lehrerin, die ein Beutelchen von einer Matura-Klasse geschenkt bekommen hat. „Zum Probieren.“ Sie habe „dann einen Kreislaufkollaps bekommen und ist eine halbe Stunde auf dem Boden gelegen.“

Das Thema ist auch dem Gesundheitsministerium nicht neu. „Derzeit wird, unter der Einbindung von 48 Institutionen und Organisationen eine nationale Tabak- und Nikotinstrategie erarbeitet“, heißt es aus dem Ministerium. Dabei gehe es nicht nur um klassische Tabakwaren, sondern auch um verwandte Erzeugnisse. „In der Strategie finden auch neuartige Produkte, wie die in jüngster Vergangenheit stark auf den Markt strebenden tabakfreien Nikotinprodukte wie etwa Nikotinbeutel, Berücksichtigung.“

Es handle sich dabei nämlich keinesfalls um harmlose Lifestyle-Produkte.

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