Kaiserin Elisabeth hatte viele Gesichter. Zusammen ergeben sie jene schillernde Persönlichkeit, die Stoff für unzählige Bücher, Filme und Theaterstücke ist. Da überrascht es nicht, dass man im Marionettentheater im Schloss Schönbrunn satte zehn Figuren braucht, die die Kaiserin darstellen: etwa als junge, wilde Frau oder als vom Schicksal gezeichnete Habsburger-Monarchin auf ihrer letzten Reise nach Genf.
„Sisis Geheimnis“ heißt das zugehörige Stück – ein Musical, in dem das Publikum das Leben der Kaiserin und ihrer Liebe zu Franz Joseph mitverfolgt. Um die 40 Marionetten sind dafür nötig: Neben dem Kaiserpaar etwa der Grafen Andrássy und der Attentäter Luigi Lucheni.
Aufwendig ist das Stück nicht nur wegen dieser Schar an Figuren, sondern auch wegen der vielen anderen Details, an die gedacht wurde. Erzählt wird es aus der Perspektive von Franz Josephs Kammerdiener Eugen Ketterl – Schauspieler Cornelius Obonya leiht ihm seine Stimme. Und die Musik kommt live von einem Orchester, das direkt neben der Sommerbühne am Vorplatz des Theaters im Hofratstrakt spielt.
Genau dieser Aufwand wird dem Marionettentheater jetzt zum Verhängnis. Am Samstag war „Sisis Geheimnis“ zum letzten Mal zu sehen. „Wir können uns das einfach nicht leisten, deswegen nehmen wir Sisi wieder aus dem Programm“, sagt Christine Hierzer-Riedler. Sie führt mit ihrem Ex-Mann Werner Hierzer das Theater.
Dieser Schritt dürfte ein großes Anliegen der beiden nicht gerade einfacher machen: Die Chefs des Marionettentheaters suchen Nachfolger – denn eigentlich sind die beiden schon in Pension. Mit ihren Marionetten waren sie in der ganzen Welt unterwegs. Werner Hierzer fertigt die Körper der Puppen, Christine Hierzer-Riedler ihre Kostüme.
An die 500 Marionetten sind in dem Theater ausgestellt: Da sitzt etwa Maria Theresia am Thron. Daneben: Komponist Engelbert Humperdinck, der in „Hänsel und Gretel“ als Erzähler auftritt. Weiters entdeckt man eine vergoldete Figur von Johann Strauß. Er führt durch „Die Fledermaus“. Sie alle entstanden in den vergangenen 25 Jahren. Eine Figur ist im Schnitt mit sieben Fäden und drei Drähten für den Kopf ausgestattet und kostet rund 3.000 Euro. Aber der „immaterielle Wert“ sei natürlich viel höher, sagt Hierzer. Das Theater im Hofratstrakt selbst besteht seit 1994. Die unter anderem dort praktizierte Art des Puppenspiels und die Herstellung der Marionetten zählt zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Reisegruppen fehlen
Mit ein Grund für die aktuellen Probleme der Institution ist mangelnde finanzielle Unterstützung: Die Chefs des Marionettentheaters haben für die Sisi-Vorstellungen beim Kulturministerium eine „Frischluft-Förderung“ für Outdoor-Kulturprojekte angefragt. Erhalten haben sie diese aber nicht. Dazu kommen geringe Besucherzahlen – die großen Reisegruppen, auf die man im Sommer zählt, fehlen. „Am Freitag haben wir vor 16 Personen Sisi gespielt, normalerweise sperren wir für weniger als 40 Besucher nicht auf“, sagt Hierzer-Rieder. Das alles schlägt sich auch auf die Mitarbeiter nieder: Normalerweise sind 15 freie Mitarbeiter im Theater beschäftigt, derzeit sind es fünf.
Der Ausweg: „Jetzt werden wir halt wieder zum alten Programm zurückgehen und die Zauberflöte von Mozart zeigen“, sagt Hierzer-Riedler. „Das kennen die Menschen, da kommen sie eher“. Damit das Theater überlebt, investieren die beiden Chefs außerdem ihr privates Vermögen.
Ihre Nachfolger werden also viel Leidenschaft brauchen. Ohne die wird es auch aus einem anderen Grund nicht gehen: „Man braucht viel Zeit, um das Spiel zu erlernen“, sagt Hierzer. Eine Zukunftsvision haben er und seine Spiel-Partnerin für das Theater übrigens auch: ein Kabarett-Marionettentheater. Denn Marionetten würden sich gut eignen, um Schwieriges zu erklären – wie eben das komplexe Leben einer Kaiserin.
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