Der Kaiserin alte Kleider
Ein Herr mit einem laminierten Kärtchen in der Hand sucht die Nummer 116. Er findet sie in einer Vitrine – es ist die kaiserlich-österreichische Fahne. Der Mann betrachtet sie durch die Scheibe. Rufwert: 400 bis 800 Euro. Aufhängen würde er das Stück in seinem Haus. Ob er es wohl ersteigern kann?
In der Dorotheergasse
Der Mann befindet sich im Ausstellungsraum im 1. Stock des Auktionshauses Dorotheum in der Dorotheergasse. Einmal im Jahr findet hier eine ganz besondere Versteigerung statt: Angeboten werden Gegenstände aus dem Kaiserhaus. Diesmal sind es 220 Stück – oder „Lose“, wie es im Fachjargon heißt: Bilder, Teller, Vasen, Figuren und Taschentücher.
Der Katalog, die Bibel
Der Auktionskatalog ist die Bibel der hier Anwesenden. Darin sind die Lose chronologisch angeführt. Da ist etwa Los 102, das persönliche Jäckchen von Kaiserin Elisabeth. Oder Los 99 – ihr Zigarettenetui. Das persönliche Schreibzeug von Kaiser Franz Josef I. – ein Tintenbehälter und Porzellanbüchse – hat die Nummer 72. Viele dieser Gegenstände kommen über die Nachfahren der Familie Habsburg oder der Kammerdiener ins Dorotheum.
220 Objekte aus den Herrscherhäusern
Rund zehn Tage vor der Auktion sind die Objekte bereits im Ausstellungssaal im Dorotheum ausgestellt gewesen.
Sisi-Jäckche als Highlight
Die Jacke aus dem Besitz der Kaiserin Elisabeth erbrachte 17.800 Euro. Die Kaiserin trug nach dem Tod des Kronprinzen Rudolf 1889 nur noch schwarze Kleidung und verschenkte ihre gesamte helle Garderobe im Familienkreis.
Sparte: Kaiserhaus & Historika
Im Zuge der Auktion Objekte aus dem österreichischen und anderen europäischen Herrscherhäusern versteigert - davon viele aus dem persönlichen Besitz von Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph.
Die kaiserlich-österreichische Fahne
400 Euro war der Rufpreis, verkauft wurde die Fahne schließlich für 5.120 Euro.
Die Knöpfe des Prinzen
Die persönlichen Hemd- und Kragenknöpfe von Kronprinz Rudof waren sehr beliebt bei den Mitbietern: 2.300 war der Rufpreis, 10.800 Euro erzielten die Knöpfe.
Der Muff der österreichischen Adeligen
Helene Freifrau von Vetsera war eine griechisch-österreichische Adlige und Mutter von Mary Vetsera (Geliebte von Kronprinz Rudolf, die in derselben Nacht, wie er in Mayerling starb). Ihr Muff wurde für 5.120 Euro versteigert.
Menükarten aus Schönbrunn
Dejeune, Souper und Diner des Thronfolgerpaares Karl und Zita 1916.
Porträts
Das rechte Porträt von Franz Schrotzberg der Kaiserin erzielte 30.714 Euro. Es zeigt die junge Kaiserin aus der Zeit ihrer Vermählung 1854.
Fotos aus dem österreichischen Kaiserhaus
"Man könnte sie im Paket kaufen und dann einzeln verkaufen", sagt ein Insider im Auktionssaal.
Kaiser Franz Josef Büste
Auch die Büsten sind immer wieder beliebte Objekte. Die Gipsbüste brachte 7.680 Euro.
Teller aus dem Tafelservice von Ungarn
Sie waren ursprünglich im Besitz des Kaisers Franz Josef I.
Des Kaisers Tinte
Das Schreibzeug des Kaisers erzielte 14.050 Euro. Die Bestätigung des Leibkammerdieners lautet: "Bestätigt, dass dieses Schreibzeug von Porzellan ausschließlich bei den Allerh. Audienzen Wien I. Hofburg von Sr. k. u. k. Apost. Majestät Franz Joseph I. benützt wurde. Wien, 15. November 1916 Ketterl".
Der Kaiser bei der Jagd
Die Statuette des alten Kaisers im Ischler Jagdkostüm wurde für 1.280 Euro ersteigert.
Persönliches Taschentuch des Kaisers
Für 896 Euro wurde das Taschentuch des Kaisers an den Mann gebracht.
Kaiserliches Zaumzeug
1.664 Euro erzielte etwa das kaiserliche Zaumzeug.
Zahlreiche Gemälde
Bei der Auktion wurden zahlreiche Gemälde versteigert, aber nicht jeder Los erreichte seinen Mindestpreis, den das haus vorgibt.
Rudolf und Mary
Sisis einziger Sohn, Kronprinz Rudolf und seine Geliebte Mary Freiin von Vetsera. Beide starben in Mayerling in der Nacht vom 29. auf den 30. Jänner 1889. Er durch einen Suizid, sie vermutlich durch einen Kopfschuss.
Doppeldeckeldöschen aus dem Hause Habsburg
Selbst die Döschen mit Gravur wurden für 800 Euro versteigert.
Geduld gefragt
Eine Frau betritt gestresst den Ausstellungsraum. „Bitte schnell aufsperren“, sagt sie. Renate Krenmayr, die hier alle mit „Frau Dr. Krenmayr“ ansprechen, ist Sensalin: eine Vertrauensperson für Bieter, die anonym bleiben wollen. Nur sie kennt die Bieter und steigert für sie im Saal mit. Sie nimmt eine silberne Kaiser-Statue unter die Lupe.
Neben ihr: ein Pärchen in Sneakers und Jeans vor einem Kaiser-Porträt, Rufwert 15.000 Euro. „Wir sind wegen des Malers interessiert“, sagt die Frau. Am Telefon hat sie ihren Vater aus Polen. Er stammt aus dem Dorf des Künstlers Eduard Lebiedzki, im „ehemaligen Galizien“, sagt sie. Wenige Stunden später wird das Porträt ihr gehören – für satte 20.300 Euro.
Geboten wird eine Etage höher, im Ludwigstorff-Saal. Der hauseigene Kaiserzeit-Experte des Dorotheum trägt denselben Namen: Georg Ludwigstorff. Er ist ein Nachfahre des kaiserlichen Beraters – und entscheidet, welche Gegenstände zu welchem Wert Teil der Auktion sind. Je niedriger der Startbetrag, desto mehr Bieter.
"Die Online-Auktion sei schuld"
Vor dem Saal warten Menschen, sie halten laminierte Kärtchen in der Hand: die Bieterkärtchen, die sie in die Höhe halten werden, um ihr Interesse zu bekunden. Langsam werden die Wartenden unruhig. Die Auktion verzögert sich um eine Stunde, wegen eines technischen Gebrechens. „Sicher ist die Online-Auktion schuld“, wird gemutmaßt. Mitbieten kann man nämlich auf verschiedene Arten: im Saal, per Telefon, über Mitarbeiter des Hauses, die Sensalin oder eben das Internet.
Wer mitmacht, braucht vor allem Geduld und Zeit. Die Menschen vor Ort haben das. Viele sind in Pension – wie eine frühere Lehrerin und Sisi-Verehrerin. Sie will den Markt beobachten, weil sie selbst Habseligkeiten der Kaiserin zu Hause hat. Antiquitätenhändler Josef Renz trinkt noch einen Kaffee. „Man darf nicht zu verbissen sein“, sagt er, „sonst wird das nichts“. Er kennt die Ware, ihren Wert – und die Bieter. Die Plachutta-Familie habe eine Sammel-Leidenschaft für kaiserliche Gegenstände, erzählt er. Und auch Viktor Orbán könnte unter den Mitbietern sein.
Der Profi schlägt zu
Dann geht es los. Unter den viel zitierten Hammer kommt allerdings nichts: Nach dem letzten Gebot klingelt der Auktionator. Er moderiert auf Englisch und Deutsch. Online sind 500 Interessierte zugeschaltet – aus Hongkong, der Schweiz und der Slowakei. 20 Personen sind im Saal dabei.
„Man muss bieten, wenn die anderen müde und unaufmerksam werden“, sagt Renz. So macht er ein Schnäppchen nach dem anderen: etwa eine Schreibübung des jungen Kaisers für 3.200 Euro. Die Auktion dauert Stunden, nach und nach leert sich der Saal. Übrig bleiben nur Sensalin Krenmayr und Händler Renz.
Und der Mann, der mit der kaiserlichen Fahne liebäugelte? Der geht mit leeren Händen nach Hause. 5.000 Euro waren ihm doch zu viel.
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