Spezialist für Opferrechte: "Sie sind in Situation, in der Sie nie sein wollten“
In einem knapp 300 Seiten dicken Buch beleuchtet der Rechtsanwalt Wolfgang Gappmayer das Thema Opferrechte.
KURIER: Sie schreiben, dass es ein Schicksalsschlag war, der Ihr Interesse für das Thema Opferrechte geweckt hat.
Gappmayer: Mein Vater kam bei einem Amoklauf ums Leben, diese Tat ist aber schon lange her. Allerdings war es auch ein Grund, warum ich mich bereits während des Studiums bei Opferhilfe-Einrichtungen engagiert habe.
Wie groß und wie gut ist das Auffangnetz für Menschen, die in Österreich Opfer eines Verbrechens geworden sind?
Das rechtliche Netz ist sehr gut gesponnen, wir sind da in Europa ein Vorreiterland. Es gibt aber Dinge, die eine Nachjustierung erfordern würden.
Es ist schwierig, den Opfern diese Rechte zukommen zu lassen. Selbst wenn man Sie bei der Einvernahme durch die Polizei bestens über Ihre Rechte aufklärt, werden Sie diese vergessen. Man ist nervös, überfordert – Sie sind in einer Situation, in der Sie nie sein wollten. Dazu kommt, dass die rechtliche Sprache kompliziert ist. Deshalb sollten Opferhilfeeinrichtungen bei Menschen anrufen dürfen, um zu fragen, ob sie helfen können. Denn dieses Angebot gibt es bislang nur für Opfer von häuslicher Gewalt. Aber wenn Sie auf einem öffentlichen Platz zusammengeschlagen wurden, dann gibt es das nicht.
Wie schwierig ist der Kampf ums Schmerzengeld?
Oft fehlen den Tätern die finanziellen Möglichkeiten, die es brauchen würde, um den zugesprochenen Schadenersatz zahlen zu können. Das ist ein riesengroßes Problem. Da hilft aber das Verbrechensopfergesetz, das zumindest pauschalierte Beträge garantiert, die ab einer schweren Körperverletzung beginnen. Es gibt Unterstützungsleistungen für Psychotherapie oder Heilfürsorge. Für Hinterbliebene gibt es die Möglichkeit einer Unterhaltszahlung.
Betrifft dieses Gesetz auch Personen, die Opfer von Einbrechern wurden und dadurch traumatisiert sind?
Ja, weil man in der Opferbetreuung gesehen hat, dass diese massiv belastet sind.
Ist das Thema Opferrechte aus juristischer Sicht nicht ein Paragrafendschungel?
Das Thema ist komplex. Aber genau deswegen gibt es das Recht auf Prozessbegleitung, das Opfern von Drohung und Gewalt sowie den Hinterbliebenen bei Tötungsdelikten hilft. Dadurch ist eine kostenlose Beratung und Vertretung durch Experten möglich. Was viele nicht wissen: Dieses Recht besteht schon vor der Anzeigenerstattung.
Im Jahr 2021 sind pro Monat zwei Frauen Opfer von Tötungsdelikten geworden, in den meisten Fällen war der Täter der Partner oder Ex-Partner. Was läuft hier in unserer Gesellschaft schief?
Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Es wird aber viel in Sachen Beratung und Betreuung gemacht. Es liegt zudem an uns Männern, dass man aufsteht, wenn dumme Frauenwitze erzählt werden, und es nicht duldet, wie mit manchen Frauen umgegangen wird. Die Funktion der Medien ist ebenfalls wichtig. Denn in den Berichten sollte nicht der Eindruck entstehen, als gäbe es keinen Ausweg aus dieser Gewaltspirale.
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