Schützenhöfer: „Man sollte sich zum Intervenieren bekennen“
Ende Februar wird Steiermarks ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer 70 Jahre alt. Da wird vorerst nur in der Familie angestoßen. Die große Landesfeier findet erst im Mai statt.
KURIER: Herr Landeshauptmann, rund um Ihr Geburtstagsfest gibt es sehr viele Spekulationen, etwa, dass Sie da den Rücktritt bekannt geben. Wird das so sein?
Schützenhöfer: Ich kann nur sagen: Würde ich 2024 noch einmal kandidieren und die ganze Periode bleiben, wäre ich am Ende der Periode jünger als der Bundespräsident jetzt. Ich fühle mich wohl, aber ich werde es zeitgerecht entscheiden. 70 ist 70 – aber es ist nichts entschieden.
Bleiben Sie die gesamte Legislaturperiode im Amt?
Das kann ich heute nicht sagen. Das wäre nicht fair. Das überlege ich gut. In diesen Monaten kann keine Rede davon sein, dass ich mich zurückziehe.
Gibt es einen Kronprinzen oder eine Kronprinzessin?
Gibt es so gesehen nicht. Ich habe gut im Kopf, wen ich mir mit mir oder ohne mich vorstelle. Gott sei Dank haben wir in der Steiermark einige wenige, die diese Funktion gut ausfüllen könnten.
Sie haben kurz nach Bekanntgabe der Lockerungsschritte für den 5. März gesagt, Sie hätten Bauchweh. Haben Sie es immer noch?
Wir haben in diesen zwei Jahren zu oft die Pandemie ausgerufen, zu oft für beendet erklärt. Die Fehler, die man schon einmal gemacht hat, muss man ja nicht auf Teufel komm raus wiederholen. Ich bin sehr dafür, dass man mit 1. April die Teststrategie ändert, weg von diesen zum Teil sinnlosen Massentests. Ich bin dafür, dass man das Testen sozial verträglich kostenpflichtig macht. Aber ich finde es sehr mutig, dass man mit 5. März ins Wirtshaus gehen kann, ohne dass ich mich ausweisen muss, ohne dass gefragt wird, sind Sie geimpft, haben Sie einen Test, sind Sie ungeimpft? Das ist mutig. Aber wer wagt, gewinnt. Da kann man nur hoffen, dass das gut geht.
Geht es bei den Öffnungsschritten nicht auch um die Stimmung in der Bevölkerung, um endlich die momentanen Spannungen entkrampfen zu können?
Das ist mir schon durch den Kopf gegangen, aber ich habe mich von solchen Stimmungsbildern befreit. Als Landeshauptmann bin ich dafür da, im Interesse der Gesundheit das Richtige zu tun. Wenn ich sehe, dass man das, was man tut, nicht verantworten kann, dann muss man dagegen halten. Diesmal war das für mich eine Gratwanderung, aber eine begründbare. Es wäre fatal, würde man Stimmungen nachgeben. Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass wir in Österreich die Gratisgesellschaft errichtet haben. Koste es, was es wolle, war fürchterlich als Haltung. Deshalb tun wir uns auch so schwer, etwas zum Beispiel für Testungen zu verlangen.
Der Privatmann
Hermann Schützenhöfer wurde am 29. Februar 1952 in Edlitz in NÖ geboren. 1966 kehrte die Familie in die Steiermark zurück, in Kirchbach schloss er eine Kaufmannslehre ab. Mit Ehefrau Marianne (Heirat 1979) hat er zwei Kinder und zwei Enkel
13 Bundeskanzler
Seit 1976 hat Schützenhöfer 13 Bundeskanzler erlebt
Der Politiker
1976 Landesobmann der Jungen ÖVP, 1979 bis 2000 Kammerrat in der AK. 1994 bis 2000 Klubobmann im Landtag, danach Landesrat. 2005 Vizelandeshauptmann, 2006 Parteichef, seit 2015 Landeshauptmann
Nun zur ÖVP. Sebastian Kurz ist wegen Chats zurückgetreten. Jetzt sind schon wieder Chats rund um das Innenministerium aufgetaucht, die ÖVP ist Thema eines U-Ausschusses. Wie sehr macht Ihnen das Sorgen?
Wir sind in einer schwierigen Lage. Ich bin immer dafür, dass man die Dinge realistisch sieht. Kurz hat uns zwei grandiose Wahlsiege beschert. Wir sind jetzt in der Realität des Lebens angekommen und hart auf dem Asphalt aufgeprallt. In der ÖVP war das himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt immer ganz nebeneinander. Das ist ja jetzt die Chance des Karl Nehammer, dass die Menschen zuerst gesagt haben, jössas, was wird da werden? Jetzt gerade sagen sie: Der ist dialogfähig, der redet mit anderen Parteien, der spricht mit Rendi-Wagner, der spricht mit Meinl-Reisinger, der trifft sich sogar mit Kickl, der sagt, die Parteien im Nationalrat sind wichtig, versuchen wir ein einheitliches Vorgehen. Das allein hat ihm Zustimmung gebracht. Die Zuwächse, die wir haben, sind nicht sprunghaft, es ist halt eine harte Millimeterarbeit. Aber unterschätzen sie Karl Nehammer nicht.
Und der U-Ausschuss, der diese Woche beginnt?
Was die Chats anlangt – ich will gar nicht wissen, was sich Lehrer gegenseitig schreiben, Ärzte oder gar Kirchenväter. Ich finde es schon mehr als bemerkenswert, dass sich Parteien dazu versteigen, einen ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss zu gründen. Da sind schon auch die Sitten verfallen, weil plötzlich Dinge kriminalisiert werden – siehe Sideletter –, die völlig normal sind. Mir macht die sprachliche Grenzüberschreitung, die es in so manchen Chats gegeben hat, sicher mehr Sorge. Das hat auch mit Dialogfähigkeit zu tun.
Es gibt in diesem Zusammenhang auch noch die Kritik an Interventionen und an Postenschacher.
Man sollte sich bekennen, dass man interveniert. Zu mir kommt ja jeden Tag jemand, der sagt, mein Bub in Mureck will zur Straßenmeisterei. Da frage ich nicht, ob das ein Roter oder Schwarzer ist, sondern lasse mein Büro anrufen und sagen, schaut euch den an, vielleicht hat der eine Chance bei zutreffender Voraussetzung. Ich kann ja nicht einen Unqualifizierten einsetzen. Aber wenn alles passt? Wenn ich für einen Posten fünf Bewerber habe und zwei erfüllen alle Voraussetzungen, haben das Gleiche studiert, haben beide zwei Kinder, alles – nur ein Unterschied: Der eine ist bei der ÖVP, der andere nicht – da bin ich ehrlich genug zu sagen, ich nehme den von der ÖVP. Aber wenn der andere nur einen Punkt mehr hat, darf ich den von der ÖVP nicht nehmen.
Aber das ist ja die Kritik.
Bei aller Kritik, wenn wir jetzt so weit sind, dass jemand, der zu uns oder den Roten oder egal zu wem gehört, nicht genommen werden darf, weil das ja ein Parteihengst ist, dann ist eine Linie überschritten. Wie eine Linie überschritten ist, wenn einer genommen wird, weil er bei einer Partei ist, aber die Qualifikation nicht hat. Da ist die Linie noch dreimal früher überschritten. Aber jemanden auszuschließen? Wovon lebt denn die Demokratie? Von den Parteien. Wovon leben die Parteien? Vom Bekennermut. Die Demokratie kann nicht von Menschen leben, die im richtigen Moment bei jeder Partei waren.
Haben Sie noch Kontakt mit dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz?
Ich habe ihn vor drei Wochen getroffen. Ich habe Kontakt zu ihm, ich mochte ihn immer, ich hatte aber auch meine Konflikte mit ihm.
Zurück zum Sideletter. Gibt es so etwas auch zwischen Ihnen und der SPÖ in der Steiermark? Etwa für Ihre Nachfolge?
Es gibt keinen Sideletter, aber, wie zwischen zwei unterschiedlichen Parteien üblich, einen Koalitionsvertrag. Darin ist unter anderem geregelt, wenn ein Mitglied der SPÖ aus der Landesregierung ausscheidet, dann wählen wir ihn mit. Wenn von uns einer ausscheidet, wählen die ihn mit. Das macht man natürlich ohne Namen. Es kann natürlich auch sein, dass die sagen, den wähle ich nicht mit, dann müssen wir eben einen anderen finden.
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