Tatsächlich erreichte das ¨Bombenhirn" das genaue Gegenteil von dem, was wohl geplant war. "Der rassistische Mord bedeutete einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung von Roma; seither ist der pejorative (abwertende, Anm.) Begriff ,Zigeuner' verpönt, und es wurden Förderungsmaßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Lebenssituation von Roma gesetzt", heißt es in einem Beitrag vom Haus der Geschichte.
Zeitzeugen erinnern sich
„Als herausgekommen ist, dass Franz Fuchs dahintersteckt, wurde die Angst noch größer“, sagt Susanne Horvath. Sie kann sich noch gut an die Ereignisse erinnern. Knapp 30 Jahre später sitzt sie im Offenen Haus Oberwart, wo sich bis Ende März eine Veranstaltungsreihe mit dem Attentat befasst.
„Gleich nach der Explosion sind viele zum Tunnel runtergelaufen.“ Zu einer Unterführung, wo Franz Fuchs jene Rohrbombe platzierte, die die vier Männer tötete. „Und binnen kürzester Zeit waren so viele Menschen hier: Medien, Polizei. Jeder wollte wissen, was passiert ist“, so Horvath.
In einer ersten Reaktion durchsuchten die Behörden die Häuser der Roma-Siedlung, die nur wenige Schritte vom Tatort entfernt liegt. „Wir wurden wie Schwerverbrecher behandelt, die Kinder hatten Angst.“
Und diese Angst sollte bleiben. Susanne Horvath lebte allein mit zwei Kindern in der Siedlung, ihr Mann arbeitete in Wien. Sie zog aus der Siedlung weg. Die Ereignisse lassen sie weiter nicht los, heute sorgt sie sich über den wiederaufkeimenden Radikalismus in der Gesellschaft.
"Ich bin damals informiert worden, dass sich die Roma selbst in die Luft gesprengt hätten. Wir haben uns überlegt, was wir tun müssen, damit das Attentat nicht abgetan wird", sagt Horst Horvath beim Lokalaugenschein mit Medienvertretern 30 Jahre nach dem Attentat. Er zeigt auf den Tunnel in Sichtweite des Denkmals und dem Kreuz mit den Namen der vier Opfer. Die Unterführung habe es Franz Fuchs erleichtert, sich der Siedlung unbemerkt zu nähern und die Rohrbombe zu platzieren.
Atomphysiker halfen bei der Suche nach der BBA
Die sogenannte Bajuwarische Befreiungsarmee, die sich zu der Bombenserie bekannte, wurde jedenfalls gejagt wie niemand zuvor und danach in Österreich. Zunächst gab es noch zahlreiche Ermittlungspannen, die sogar zu einem Prozess gegen zwei unbeteiligte Neonazis führten. Doch nach und nach übernahm die SOKO Briefbomben, die an einem geheimen Ort in der Wiener Innenstadt untergebracht war, das Ruder.
Medien lancierten falsche Berichte, wonach Verdächtige unter Beobachtung stünden. Wissenschaftler, Sachverständige und andere Experten wurden in die Ermittlungsarbeit eingebunden, darunter Gerichtsmediziner, Handschriftenexperten, Atomphysiker, Sprengtechniker, Kryptographie-Experten, Historiker, Linguisten, Elektroniker, Chemiker und EDV-Spezialisten.
Vor der Nationalratwahl 1995 wurden 2000 Briefkästen mit kleinen Apparaten ausgestattet, die die Briefbomben beim Einwurf hätten explodieren lassen. Fuchs nutzte zwar eine solche Postbox, warf dort aber nur ein Bekennerschreiben ein.
Schließlich wurde der Druck auf den Täter weiter erhöht, ein Phantombild nach dem Roma-Anschlag fand nach Monaten den Weg in die Medien. Das Parlament beschloss die Einführung des Lauschangriffs und der Rasterfahndung. Letztere hatte in Deutschland zur Festnahme von RAF-Terroristen geführt.
Mit 1. Oktober 1997 wurde die Rasterfahndung erlaubt, am selben Tag fuhren die beiden Gendarmeriebeamten Arno Schreiner und Bernhard Schwarz zu einem Routineeinsatz. Zwei Frauen hatten sich im südsteirischen Gralla belästigt gefühlt. Ein Mann war den beiden in einem Kombi gefolgt und hatte sich verdächtig benommen.
Die Gendarmen sahen den Pkw vor einem Haus, stellten den Streifenwagen ab und stiegen aus. Schreiner verlangte daraufhin die Fahrzeugpapiere. Fuchs stieg aus, hielt dem Beamten ein Paket hin und sagte: „Da habt's.“
Daraufhin explodierte ein umgebauter Schlachtschussapparat und riss dem Attentäter beide Hände weg, auch Schreiner wurde schwer verletzt.
Fuchs wurde schließlich 1999 zu lebenslanger Haft verurteilt - vom Prozess war er wegen ständigen Schreiens ("Lang lebe die BBA") ausgeschlossen worden. Ein Jahr später beging der 50-Jährige in seiner Zelle in der Grazer Karlau Suizid, indem er sich erhängte. Er verfügte zwar über Handprothesen, verwendete diese allerdings dafür nicht.
Immer wieder tauchten Zweifel auf, ob Fuchs tatsächlich ganz alleine agierte. Allerdings wurde mittels chemischer Analysen nachgewiesen, dass er die Roma-Bombe wohl in seinem Wohnbereich im elterlichen Haus in Gralla gebaut hat. Eine Bombenwerkstatt wurde nie mit endgültiger Sicherheit identifiziert. Allerdings wurden auch keine Personen gefunden, mit denen der Einzelgänger Kontakt gehabt hatte; das Internet war damals noch kein Thema.
Die Rasterfahndung wurde bis heute nie eingesetzt.
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