Die Polizei an der Tür
Auch an die Tür seines Geschäftspartners klopfte gegen 6 Uhr die Polizei. „Sie wollten sein Cabrio mitnehmen, das bei mir stand, weil wir unsere Autos getauscht hatten“, erzählt der Gastronom. Für ihn sind die Vorwürfe immer noch nicht fassbar. „Wir sind seit 22 Jahren befreundet. Das ist ein herzensguter Mensch.“
Es habe nicht den geringsten Hinweis gegeben, dass der Starkoch – Schwiegervater eines ÖFB-Stars – mit der Reichsbürgerszene sympathisiert haben könnte. Dass diese Szene dem Rassismus zuneigt, passt ebenso wenig in das Bild, das der Deutsche – selbst Sohn türkischer Einwanderer – von seinem Freund hat. Im Lokal arbeitet Multi-Kulti-Personal.
Lokal wiedereröffnet
Die Bar wurde erst vor wenigen Tagen unter Führung des Duos mit neuem Konzept wieder eröffnet. „Wir haben ein Jahr lang daran gearbeitet. Das macht doch kein Typ, der die Regierung stürzen will“, fragt sich der Wirt. Für ihn gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat sein Freund seine Gesinnung extrem gut versteckt oder es handelt sich um einen riesigen Irrtum und „er ist da in was reingerutscht“.
Für den Starkoch gilt die Unschuldsvermutung. Die deutschen Ermittler gehen offenbar davon aus, dass für den Verdächtigen schon eine konkrete Rolle für die Zeit nach dem geplanten Putsch vorgesehen war. Wie die Presse berichtet, hätte sich der 62-Jährige um die Versorgung des „militärischen Arms“ der Verschwörer kümmern sollen.
Zersplittert
Die Reichsbürger-Szene ist ein vorwiegend deutsches Phänomen. Unter anderen Namen sind die staatsfeindlichen Verbindungen aber auch in Österreich aktiv. Hier sind sie als „Staatsverweigerer“ bekannt. Doch die Szene ist äußerst zersplittert.
Ihren Ursprung nahmen die Reichsbürger bzw. Staatsverweigerer in den 1980er-Jahren, in Erscheinung traten sie allerdings erst ab den 2010er-Jahren. Österreichs bekannteste Vertreterin, Monika Unger (sie verbüßt aktuell eine langjährige Haftstrafe, Anm.) rief im Jahr 2015 den Staatenbund aus.
4.000 Staatsverweigerer
Was die Verbindungen gemeinsam haben: Sie lehnen den Staat ab, basteln sich ihre eigenen Strukturen – bis hin zu eigenen Sheriffs und Gerichtshöfen. Richter und Staatsvertreter werden „vorgeladen“, man sucht Verbündete bei Polizei und Exekutive. Aktuell sind dem Verfassungsschutz rund 4.000 Staatsverweigerer in Österreich bekannt. Die Szene ist aktuell im Aufschwung – und findet auch Widerhall bei den Corona-Maßnahmengegnern. Es soll auch Verbindungen zu einem russischen Kampfsportclub geben. Was passt: Denn Russland wird als Verbündeter gesehen.
Razzia im trauten Heim
Das wirkt beim Lokalaugenschein in Niederösterreich surreal. Dort ist jenes Paar zuhause, das laut den deutschen Ermittlern die Reichsbürger bei einem Staatsstreich mit hellseherischen Fähigkeiten unterstützen hätte sollen.
Die beiden geben dem KURIER-Reporter in ihrem angemieteten Wohnhaus in Zeillern im Mostviertel – noch immer von einer sechsstündigen Hausdurchsuchung der Polizei am Mittwoch geschockt – ein ganz anderes Bild ab, als man es von renitenten Staatsverweigern kennt.
Seit fünf Jahren wohnen Renate Scherz und Siegfried Dawids, beide 63 Jahre alt, in dem Miethaus. Zwei kleine Zwergspitz empfangen Besucher aufgeregt, während das Frauerl einen Weinkrampf bekommt. In den reichlich mit esoterischen Symbolen bestückten Wohnräumen herrscht teilweise noch von der Hausdurchsuchung verursachtes Chaos.
„Nichts verbrochen“
„Wir haben nichts verbrochen, wir sind keine Reichsbürger und schon gar nicht deren Hellseher. Wir haben bislang nicht gewusst, was das überhaupt genau ist“, sagt Siegfried Dawids. 16 Beamte hätten nach Waffen und anderen verdächtigen Gegenständen gesucht und alle elektronischen Geräte mit Datenträgern einfach mitgenommen.
Seine Frau wirke als Medium, er sei in der Lage frühzeitig Schocksituationen in Menschen zu erkennen, schildert der deutsche Staatsbürger Dawids in breitem schwäbischen Dialekt. Vielen Kranken wollen die beiden als mobile Wender – so nennt man im Mostviertel Esoteriker mit speziellen Heilaktivitäten – bereits geholfen haben.
Auch in Deutschland war man mit dem eigenen „WenderMobil“ unterwegs. Das sei wohl auch die einzige Erklärung, wie man ins Visier der deutschen Bundesstaatsanwaltschaft geraten konnte, vermutet Dawids. „Wir haben im Bus etlichen Schwerkranken geholfen. Deren Namen finden sich jetzt auf der Verdächtigenliste der Bundesstaatsanwaltschaft. Mit Reichsbürgerschaft haben wir nichts zu tun“, versichert er.
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