Das Interesse bei Frauen sei groß, sagt Alina Karre, die auch schon mehrmals mit Kreide bewaffnet in der Stadt unterwegs war. „Wir bekommen pro Woche zehn bis 20 Geschichten zugeschickt“, so Karre. Innerhalb eines Jahres habe sich die Anzahl der Zuschriften verdoppelt.
Wenn die geteilten Geschichten weit über verbale Belästigungen hinausgehen, verwendet die Gruppe diese allerdings nicht – sondern vernetzt die betroffenen Frauen mit professionellen Stellen.
Verärgerte Passanten
Die Reaktionen auf das „Ankreiden“ finden meist direkt vor Ort statt. Einmal sei einer sofort mit einem Wasserkübel gekommen, um den Spruch wegzuspülen. „Er wollte das nicht vor seinem Geschäft stehen haben“, sagt Karre. „Aber darum geht es ja. Wir wollen das auch nicht. Wir wollen nur schon den Schritt davor nicht: Dass etwas passiert, das wir aufschreiben müssen.“
Manchmal werde man von Passanten beschimpft. Oft gebe es Diskussionen, dass die Frauen selber Schuld seien, wenn sie sich zu freizügig kleiden würden, so Karre. „Mehr Haut zu zeigen ist keine Einladung, hinzugreifen oder etwas zu sagen. Es ist traurig, dass wir im 21. Jahrhundert immer noch so oft darüber diskutieren müssen.“
Ausbaufähig
Im Großen und Ganzen wären die Reaktionen aber moderat, eine Catcall-Gruppe in Leoben habe mit viel mehr Anfeindungen und auch Bedrohungen zu kämpfen. „In einer Großstadt wie Wien ist das Bewusstsein doch mehr da“, sagt Karre.
Die Aufmerksamkeit für die Aktion sei aber trotzdem noch ausbaufähig. Ein Grund dafür: Straßenkreide ist legal, verursacht keine Sachbeschädigung und lässt sich mit wenig Aufwand wieder wegwaschen.
Das „Ankreiden“ ist also kein großer Störfaktor im öffentlichen Raum. Im Gegensatz etwa zu Demos am Ring, die zwangsläufig Auswirkungen auf Anrainer, Wirtschaftstreibende und Autofahrer haben.
Allerdings können auch unscheinbare Aktionen einen großen Effekt haben. Das zeigt die aktuelle Ausstellung „Heimat großer Töchter. Zeit für neue Denkmäler“ im Haus der Geschichte (1., Neue Burg, Heldenplatz). Anhand von zehn kaum bekannten Beispielen wird gezeigt, wie es Frauen gelungen ist, maßgeblich zum Fortschritt beizutragen. Die „Catcalls“ sind auch Teil der Ausstellung.
Auf dem Sockel
Dass diese Beispiele nicht so bekannt wären, liege auch daran, dass es sich dabei um keine Personen handle, sondern um Strategien, sagt Monika Sommer, Direktorin vom Haus der Geschichte. Dazu habe man sich bewusst entschieden, denn Personenkult sei nicht mehr zeitgemäß.
Stattdessen hebe man zehn Strategien gegen Sexismus und andere Formen der Ausgrenzung wie ein Denkmal auf den Sockel. Die gezeigten Beispiele seien vielfältig, so Sommer, einen würde sie selbstbestimmtes Engagement.
Neben den Catcalls erfährt man etwa auch über Geschehnisse aus den 1970ern. Damals hat ein Anruf beim Bundeskanzler den Weg dafür geebnet, dass verheiratete Frauen selbst über Erwerbsarbeit entscheiden können.
Das Haus der Geschichte will mit diesen bislang kaum beachteten Geschichten zeigen, dass Veränderung erreicht werden kann.
Und das eben auch ohne Sachbeschädigung und Straßenblockaden. Manchmal auch einfach nur mit Straßenkreiden.
Kommentare