Post-Covid-Therapie: „Man will wieder funktionieren“

Andrea Fischer bei der Therapie
2021 war für Andrea Fischer bisher ein „Seuchenjahr“. Anfang Jänner erlitt sie einen doppelten Bandscheibenvorfall, als sie ihr Enkerl hochheben wollte. Zwei Wochen später steckte sie sich bei der Schmerztherapie mit Corona an. Die 59-jährige Sportlehrerin hatte einen schweren Verlauf und war fast sieben Wochen ans Bett gefesselt. Ohne Hilfe ging fast nichts mehr, auch wenn sie auf die Toilette musste, war die bis dahin fitte Frau plötzlich auf Unterstützung angewiesen. Noch Wochen nach der Covid-Erkrankung brachte sie der Einkauf im wenige Minuten entfernten Supermarkt an ihre Belastungsgrenze.
„Meine Lebensfreude war dahin“, erinnert sich Fischer. Ihr war klar, dass sie Hilfe braucht. Diese fand sie im Klinikum am Kurpark Baden in Niederösterreich. Dort wird eine spezielle Kombi-Reha für Menschen angeboten, die an einer orthopädischen Grunderkrankung leiden und sich zusätzlich mit Covid-19 infizieren. Krankheitsbilder wie das von Andrea Fischer kennt man mittlerweile gut.
„Immer mehr Menschen leiden nach Corona an Post-Covid-Symptomen. Besonders gravierend ist die Situation, wenn bereits davor Grunderkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats vorgelegen sind“, erklärt Christian Wiederer, ärztlicher Direktor des Klinikums. Es handle sich um einen Teufelskreis. Die Bettlägerigkeit und die Erschöpfungssymptome ausgelöst durch Covid würden die Grunderkrankung verschlimmern.
Fischer musste das am eigenen Leib erfahren. „Nach einem Bandscheibenvorfall braucht es eigentlich Kräftigung, aber durch die Corona-Erkrankung war daran nicht zu denken. Ich konnte mich ja nicht einmal alleine anziehen“, berichtet die 59-Jährige. Die Symptome seien ähnlich einer schweren Lungenentzündung gewesen – aber auch noch Wochen danach war sie irrsinnig geschwächt.
Keine Fließband-Medizin
Hier liegt laut Wiederer der springende Punkt: „Normalerweise hält man sich in der Reha an die Grundprinzipien der Trainingslehre, das kann man mit Post-Covid-Patienten nicht. Das ist keine Fließbandmedizin, wir müssen uns individuell auf die Menschen einlassen.“ In Baden kümmern sich 108 Mitarbeiter um etwa genauso viele Patienten. Drei bis fünf Wochen sind die meisten von ihnen in Behandlung und machen dabei teils erstaunliche Fortschritte. Fischer ist ein Paradebeispiel: „Nach den ersten Tagen bin ich abends todmüde ins Bett gefallen, nach Woche drei konnte ich 16 Kilometer walken.“ Nur einen Monat vorher hatte die Lehrerin noch Probleme, Milch und Eier nach Hause zu tragen.
Post-Covid
Vom Post-Covid-Syndrom ist die Rede, wenn vier Wochen nach einer Infektion noch gesundheitliche Einschränkungen zurückbleiben
Kombi-Reha
Die Klinikum Austria Gesundheitsgruppe, zu der auch das Klinikum am Kurpark Baden gehört, hat ein spezielles Rehaprogramm entwickelt, bei dem Covid-Folgen und orthopädische Grunderkrankungen gleichzeitig behandelt werden
15 Prozent aller Erkrankten, die ambulant behandelt wurden, haben mit Spätfolgen wie Müdigkeit, Merkstörungen oder Kurzatmigkeit zu kämpfen (manche Studien gehen sogar von bis zu 30 Prozent aus)
Steigender Bedarf
In Baden sieht man immer wieder ähnliche Erfolgsgeschichten. Der große Vorteil der stationären Reha sei, dass sich die Patienten nur auf sich und ihre Gesundheit konzentrieren können. Mit Atem- und Elektrotherapie, aber auch mit psychotherapeutischer Unterstützung gehe man zudem speziell auf die Folgen einer Corona-Erkrankung ein. „Letztlich ist es unser Ziel, die Patienten wieder fit für den Alltag zu machen. Bei der Reha geht es immer auch um Lebensqualität“, beschreibt Wiederer das Behandlungsziel.
Dem Facharzt für physikalische Medizin und Reha zufolge wird es in den kommenden Monaten einen Ausbau derartiger Angebote brauchen. Das sehe man schon an der großen Zahl der Corona-Erkrankten. In Baden habe man sich frühzeitig Gedanken gemacht und sich mit dem Kombi-Programm die Expertise im Herz- und Lungenbereich aber eben auch in der Orthopädie zu Nutzen gemacht. „Aufgrund von Covid wurden viele andere medizinische Probleme hintangestellt, mit einer Reha kann man aber nicht wochenlang warten“, gibt Wiederer zu bedenken.
Eine Einschätzung die Fischer teilt: „Man will doch wieder funktionieren. Man will wieder Spaß haben.“
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