Diagnose Corona: Der Kampf zurück ins Leben
Norbert Schernthaner (49) sitzt aufrecht auf einem Hocker. Er legt ein Plastikmundstück an seine Lippen und bläst mit voller Kraft hinein. Der Zeiger des Messgeräts am anderen Ende schnellt nach oben. Er lächelt stolz. Denn noch vor vier Wochen wäre dieses Lungenvolumen undenkbar gewesen.
Am 5. Dezember änderte sich das Leben des Hobbysportlers schlagartig: „Ich hab’ es plötzlich nicht mehr aufs Klo geschafft. Ich bekam keine Luft. Ich sagte zu meiner Frau, ruf die Rettung“, erinnert sich der Salzburger zurück. Die Diagnose im Krankenhaus: Corona.
15 Tage lag er letztendlich im Tiefschlaf. Elf davon musste er mit einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) beatmet werden. Resultat der Erkrankung: Er konnte weder schlucken noch gehen.
„Die Ärzte im Krankenhaus waren sehr dahinter, dass ich sofort in eine Reha komme“, erzählt Schernthaner. Und so kam er für vier Wochen ins Rehazentrum der Pensionsversicherungsanstalt in Weyer .
Individuelles Programm
Per Belastungstest wurde er kategorisiert und bekam sein maßgeschneidertes Programm. Oberste Priorität: Muskelmasse aufbauen. „Die Kraftkammer hat mir besonders geholfen“, sagt Schernthaner.
Dazu eine eiweißreiche Ernährung: „Am Freitag habe ich mir meistens den Fisch genommen, dass ich nicht ständig Fleisch esse.“ Denn oft nehmen Patienten mit einem schweren Verlauf zehn bis 20 Kilogramm ab. „Der Körper kämpft. Dafür braucht er Energie und die holt er sich aus den Muskeln“, erklärt sein Physiotherapeut Hannes Selle. Erst zum Schluss greife der Körper auf Fett zurück.
Die Ergotherapeuten lehrten den Salzburger wiederum alltägliche Dinge, wie das Anziehen der Stützstrümpfe oder das Gehen auf unebenem Untergrund. „Es wird zu Beginn der Reha erörtert, wie das Umfeld des Patienten aussieht und was er zu Hause alles können sollte“, sagt Gabriele Reiger, ärztliche Leiterin des Rehazentrums.
Bittere Schokolade
Zudem befreiten die Therapeuten mit Massagen den Patienten von den Verklebungen der Lunge, die durch die Krankheit entstanden waren. „Ich hatte das Gefühl, als könnte ich nicht mehr durchatmen“, erzählt Schernthaner. Psychologen kümmerten sich derweil um sein geistiges Wohl. „Durch den Tagesplan ist man eingedeckt, jetzt hatte ich nicht so viel Zeit zum Grübeln. Für die Angehörigen ist das viel schwieriger“, sagt er.
Und diese konnte er vergangene Woche nun endlich wieder in die Arme schließen. Denn er durfte nach Hause. Und mit ihm ein Arztbrief voller Empfehlungen rund um Essen, Übungen und Co. Denn der schwierigste Weg steht noch bevor. „Es gibt drei Phasen der Rehabilitation, die erste ist im Krankenhaus, die zweite bei uns und die dritte zu Hause. Hier fehlen aber oft die Ansprechpartner“, so Reiger.
Patienten
Etwa die Hälfte der derzeitigen Patienten im Rehazentrum Weyer sind Post-Covid-Patienten. Insgesamt kämpften sich bereits etwa 150 Post-Covid-Patienten dort zurück ins Leben
Durchschnittsalter
Das Durchschnittsalter der bis dato behandelten Post-Covid-Patienten liegt bei 57,4 Jahren. 67 Prozent waren männlich
Interdisziplinarität
Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Rehabilitation ist die Interdisziplinarität. Im Rehazentrum Weyer kümmern sich Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen und Diätologen sowie Ärzte und Pfleger um die Patienten
Schernthaner darf aber auf die Unterstützung seiner Familie bauen. „Mein Sohn hat schon einen Trainingsplan für mich zusammengestellt“, erzählt er. Dazu koche er ihm Steak und vielleicht einen Kuchen, hatte Schernthaner doch am 2. Februar Geburtstag. Hoffentlich ohne Schokolade, denn ganz zurück ist der Geschmackssinn noch nicht: „Schokolade schmeckt nur bitter“, verzieht Schernthaner das Gesicht.
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