Tirol: Polizisten nach Schüssen auf Jugendliche noch im Dienst
Es waren Szenen wie aus einem Actionfilm, die sich Freitagfrüh in St. Johann in Tirol abgespielt haben. Als Polizisten einen verdächtigen weißen Kastenwagen kontrollieren wollten – das Fahrzeug war als gestohlen gemeldet – ergriff der Lenker die Flucht.
Es folgte eine 30 Kilometer lange Verfolgungsjagd, die auf Bahngleisen nahe des Bahnhofs St. Johann ihr Ende fand. Was dann geschah, dürfte ein längeres juristisches Nachspiel nach sich ziehen.
Nach Informationen der Landespolizeidirektion Tirol gaben die Beamten an, einen „lauten Knall“ gehört zu haben. Die Polizisten, einer ist seit fünf, der zweite bereits seit 36 Jahren bei der Exekutive, griffen daraufhin zu ihren Dienstwaffen und gaben mindestens neun Schüsse auf den Kastenwagen ab.
Einer der Insassen, ein 14-jähriger Österreicher, erlitt dabei Verletzungen an Hand und Schulter. Er wurde im Spital operiert, Lebensgefahr bestand laut Polizei nicht. Zwei weitere Jugendliche (14 und 13 Jahre alt) flüchteten zu Fuß und blieben unverletzt. Sie wurden kurze Zeit später vom Einsatzkommando Cobra festgenommen.
Erste Erkenntnisse
Nun stellt sich die Frage, ob die Schussabgabe auf die Jugendlichen der Situation angemessen war. Ermittler des Landeskriminalamtes Kärnten sind seit Freitag vor Ort und suchen nach Antworten. Wie in solchen Fällen üblich, haben sich Ermittler aus einem anderen Bundesland den Untersuchungen angenommen, um mögliche Befangenheit zu vermeiden.
Erste Ermittlungsergebnisse wurden von der Polizei bereits bekannt gegeben. Der „laute Knall“ den die Beamten gehört haben, dürfte demnach von einem Reifenplatzer herrühren. Der Kastenwagen wies zwei kaputte Reifen auf. Waffen seien bei den verdächtigen Jugendlichen keine gefunden worden.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat gegen die beiden Polizeibeamten ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer Körperverletzung eingeleitet. Deren Sprecher Hansjörg Mayr sagte am Samstag zum KURIER: „Die Örtlichkeit und das Auto werden genau untersucht. In Zusammenhang mit den Aussagen der Beteiligten ist zu klären, ob der Schusswaffengebrauch gerechtfertigt oder überzogen war.“
Dienstrechtliche Konsequenzen für die zwei Polizisten dürfte der Vorfall vorerst übrigens keine haben: Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Tirol antwortete auf eine KURIER-Anfrage, dass die beiden Beamten seines Wissens nach nicht vom Dienst freigestellt worden seien.
Erinnerungen an 2009
Die Schüsse in St. Johann erinnern an einen Fall aus dem Jahr 2009 mit wesentlich tragischerem Ausgang. In der Nacht zum 5. August brachen damals zwei Jugendliche in einen Supermarkt in Krems (NÖ) ein. Beim darauf folgenden Polizeieinsatz wurde einer der Einbrecher, der 14-jährige Florian P., durch ein Projektil in den Rücken getroffen und starb. Sein 16-jähriger Komplize erlitt schwere Verletzungen.
Der Beamte, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte, wurde 2010 wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen schuldig gesprochen. Das Urteil fiel mild aus: Der damals 43-jährige Polizeibeamte bekam acht Monate bedingt und musste seine Dienstwaffe abgeben.
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