Polizei: "Korpsgeist endet, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist"

Polizei: "Korpsgeist endet, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist"
Ausbildungsleiter Thomas Schlesinger über Korpsgeist, Verfehlungen und unerwünschte Härte.

900 angehende Polizistinnen und Polizisten absolvieren gerade ihre zweijährige Grundausbildung. Warum sie den Beruf ergreifen wollen? Weil sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben und helfen wollen, ergab eine interne Befragung. Dennoch: Die Polizei wird nicht nur als Freund und Helfer wahrgenommen. Und mit dem Tod von George Floyd in den USA ist auch in Österreich das Thema Polizeigewalt am Tapet.

Thomas Schlesinger ist Leiter des Zentrums für Grundausbildung und stellvertretender Direktor der Sicherheitsakademie. Für das Interview trifft ihn der KURIER in seinem Büro in der Wiener Marokkanerkaserne. An der Wand hängt ein handgeschriebener Zettel. „Jede Amtshandlung ist eine einmalige Chance. Nutzen wir sie!“, steht darauf. Ein Leitspruch. Und ein Ansporn, auch den zehnten Geldbörsel-Diebstahl am Tag mit Freundlichkeit und Empathie aufzunehmen. Denn für den Bestohlenen ist es der erste.

KURIER: Herr Generalmajor, vor wenigen Tagen hat der Wiener Vizepolizeidirektor ein Schreiben verschickt, in dem er Polizisten vor Übergriffen warnt und ihnen ausdrücklich ausrichtet, dass so etwas nicht geduldet wird. Ungewöhnlich, oder?

Thomas Schlesinger: Das war ein guter Weg, um klare Botschaften zu senden. Aber so etwas wurde nicht zum ersten Mal kommuniziert. Unsere zentralen Werte sind Professionalität, Loyalität und Rechtsstaatlichkeit. Wobei ganz klar in unserem Leitbild drin steht: Rechtsstaatlichkeit kommt vor Loyalität. Und genau das ist der Punkt. Der Korpsgeist endet, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist.

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