Plattform deckt schwere Missstände in Asylquartieren auf

Dossier berichtet auf seiner Homepage von groben Missständen in der Unterbringung von Asylwerbern. Betten und Matratzen seien oft kaputt.
Die Plattform "Dossier" untersuchte Asylquartiere in ganz Österreich. Heute Thema im "Talk im Hangar 7".

Schimmel, Schabenbefall, zu wenig Essen, Schilder mit Drohungen. Von solchen Missständen in Österreichs Asylquartieren berichtet die Plattform Dossier. Die Mitarbeiter des Projekts, das Datenjournalismus und investigative Recherche verknüpft, recherchierten sieben Monate lang in Niederösterreich, Salzburg und dem Burgenland. Mithilfe eines Kriterienkataloges bewertete Dossier die Asylquartiere.

Insgesamt 98 Asylunterkünfte wurden aufgelistet, in 79 davon wurden die Journalisten eingelassen. Sie sprachen mit den Asylwerbern, hielten Details mit Foto- und (teilweise mit versteckter) Kamera fest. Auf Basis der Aussagen der Asylwerber wurde jede Unterkunft einzeln bewertet: Nach Lage, Versorgung, Infrastruktur, Sanitäranlagen, Betreuung. Die Ergebnisse sind zum Teil erschreckend: Ein Drittel der Unterkünfte weist laut Dossier grobe Mängel auf. Diese reichen von „unhygienisch“ bis „gesundheitsgefährdend“. 800 Asylwerber seien direkt von diesen Missständen betroffen.

Besonders schlimm soll es in einem Asylquartier in Pama im Burgenland sein. Dort sollen Asylwerber neben schimmeligen Wänden schlafen, auf Hinweisschildern wird mit Verlegung in „noch schlimmere“ Quartiere gedroht (siehe Bilder oben). Pikant: Gerade diese Unterkunft wurde von Dossier auf den letzten Platz gereiht (siehe Karte). Die Zustände dort seien am schlimmsten. Auch eine Unterkunft in Grimmenstein, NÖ, sei unzumutbar. Ein Schimmel-Experte stellte dort eine sechsfach erhöhte Schimmelkonzentration in der Luft fest.

Am besten schnitt das Asylquartier „Sozialprojekt Zirkelweg“ der Pfarre Schwechat ab. Dort wohnen zwar nur zwei Asylwerber. Aber: „Dort passt alles“, meint Dossier. Leiter dieser Unterbringung ist Dechant Gerald Gump, jener Pfarrer, der auch den Refugees aus der Wiener Votivkirche Asyl anbot.

„Es gibt Kontrollen“

Die zuständigen Landesregierungen halten sich mit Stellungnahmen zu den Vorwürfen noch zurück. Aus Niederösterreich heißt es: „Eine Veröffentlichung der Liste von Asylquartieren ist nicht im Sinne der humanitär Bedürftigen“. Und: „Es gibt ständig Kontrollen.“

Im Burgenland ist man verwundert über das schlechte Ergebnis, das die Unterkunft in Pama erzielt hat: „Laut unseren Infos ist gerade dieses Quartier das beliebteste. Alle wollen dorthin“, heißt es aus dem Büro des zuständigen Landesrates. Nur in Salzburg wird die Kritik angenommen: „Nicht vertretbare Zustände können wir nicht hinnehmen.“

Scharfe Kritik kommt von der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch: "Dass Menschen mitten in Österreich in gesundheitsgefährdenden Unterkünften verweilen müssen, nicht ausreichend zu essen erhalten und abgeschnitten von Infrastruktur und Bildungsmöglichkeiten in abgelegenen Gegenden untergebracht werden, ist eine Schande", so Sprecher Alexander Pollak. Er fordert eine unabhängige Kontrollinstanz, die solche Zustände verhindert.

Link: dossier.at

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Die Bewertung der einzelnen Unterkünfte fußt auf einem von Dossier erstellten Kriterienkatalog. Diesen und die genaue Methodik zur Ermittlung der vergebenen Punkte finden Sie hier.

In diesem Jahr haben bisher knapp 13.000 Menschen Asyl in Österreich beantragt. Nur jeder Fünfte hat eine wirkliche Chance, dauerhaft zu bleiben. Bis zur Entscheidung über Bleiben oder Ausweisung dürfen die meisten Asylwerber nicht arbeiten. Sie beziehen eine Grundversorgung in den österreichischen Bundesländern. Ein Großteil der Flüchtlinge wird in organisierten Quartieren privater Betreiber untergebracht - oftmals in abgelegenen Gasthöfen, die ihre beste Zeit längst hinter sich haben. Während viele Asylverfahren bereits nach wenigen Monaten entschieden sind, ziehen sich andere über Jahre.

Auch in Bayern kritisieren Flüchtlingsorganisationen, dass Asylsuchende nicht menschenwürdig untergebracht sind. Besonders dramatisch soll die Situation im Flüchtlingslager Böbrach sein. Asylwerber beschreiben es als „Dschungelcamp", das krank macht. Seit einer Woche protestieren sie vor dem bayerischen Sozialministerium. Einige sind in den Hungerstreik getreten.

Was kann bzw. darf ein Flüchtling vom Staat erwarten? Was ist noch zumutbar, und wo endet die gesellschaftliche Solidarität? Wie sollte sich die Bevölkerung verhalten?

Darüber diskutieren heute Abend unter der Leitung von KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter ab 22:15 Uhr auf Servus TV folgende Gäste:
Peter Webinger - Verantwortlicher für Asylfragen im Österr. Innenministerium
Hermann Benker - Chef der Bayerischen Polizeigewerkschaft
Heinz Patzelt - Generalsekretär Amnesty International Österreich
Nina Kusturica - Filmemacherin, flüchtete 1992 aus Bosnien
Alexander Thal - Bayerischer Flüchtlingsrat

Im Schwechater Sozialprojekt Zirkelweg (NÖ) werden seit über 30 Jahren Flüchtlinge betreut. Über 1000 Menschen aus mehr als 50 Nationen fanden im Pfarrzentrum ein Dach über dem Kopf und Geborgenheit in einer gelebten Gemeinschaft.

Zuletzt machte der Schwechater Dechant Gerald Gump mit einem Angebot an die Servitenkloster-Flüchtlinge von sich reden. Er bot den „Refugees“ an, einen Versammlungsraum der Pfarre für Veranstaltungen und Pressekonferenzen zu nutzen. Doch diese lehnten ab.

Umdenken

Für den engagierten Gottesmann liegt das Asylrecht generell im Argen. „Nicht das Leben soll sich ändern, sondern das Recht soll sich ändern“, fordert Gerald Gump. „Österreich kürzt die Entwicklungshilfe, in Lampedusa sterben fast täglich Flüchtlinge. Hier muss ein Umdenken stattfinden“, forderte Gump im KURIER-Gespräch.

Bei einem KURIER-Besuch am Zirkelweg vor knapp zwei Jahren berichtete Projektleiter Daniel Vychytil: "Wir bieten ihnen (den Asylwerbern, Anm.) die Möglichkeit, Deutsch zu lernen. Die Kurse sind voll. Einige der Kinder gehen sogar ins Gymnasium oder sie studieren in Wien.“

In der Einrichtung ist Integration nicht bloß ein Lippenbekenntnis. „Hier leben Menschen aus den verschiedensten Kulturen konfliktfrei zusammen. Da ist es für niemanden ein Problem, dass die Muslime Wasserflaschen anstatt der WC-Spülung verwenden. Oder, dass sie während des Ramadans um vier in der Früh zu kochen beginnen. Andauernd laden sich die Leute gegenseitig zum Essen ein. Und ein gewährtes Asyl wird von allen wie ein Lottogewinn gefeiert“, erklärte Chefin Maria Oberhauser einmal die Situation vor Ort.

Probleme mit der Schwechater Bevölkerung kennt man am Zirkelweg nicht. „Eure Flüchtlinge sind eh ok, die kennen wir ja", erklärten Anrainer den Projektleitern.

Pfarre Schwechat

Im Burgenland werden seit Mittwoch 608 Asylwerber betreut. Die Quote sei jetzt, wie vereinbart, zu mindestens 88 Prozent erfüllt, heißt es vom Land.

Kritik an so manchen Unterkünften kommt von der Burgenländischen Plattform Bleiberecht. Vor allem im Mittel- und Südburgenland gebe es in einigen Pensionen Missstände, sagt Sprecherin Gerlinde Grohotolsky.

Eine davon befinde sich in Unterfrauenhaid. Seit rund 30 Jahren hat der Wirt des Gasthauses seine Gästezimmer mit Asylwerbern belegt. Der Syrer Karam Alahmed, der nun in Wien lebt, hat nicht die besten Erinnerungen an die Pension. „Wir waren zu viert in einem kleinen Zimmer untergebracht. Wir hatten Mäuse im Raum. Als wir das dem Chef gesagt haben, hat er gemeint, dass das unser Problem wäre“, schildert der studierte Mediziner.

Kritik an „der einseitigen Ernährung“ übt sein Freund Mahmood Y., der in einem der vier Quartiere der Familie R. wohnt. „Abends bekommen wir jeder eine Dose Bohnen oder eine Fischdose. Jeden Abend dasselbe.“ In dem Haus, in dem Y. wohnt, habe es zunächst keinen Herd gegeben, auf dem die acht Bewohner ihr Mahl hätten wärmen können. „Den Kocher hat uns eine Privatperson geschenkt“, sagt Mahmood Y. 40 Euro Taschengeld erhält jeder Flüchtling pro Monat. Mit dem Geld werden Öl, Zucker und Reis gekauft. Eine Busfahrt nach Wien gehe sich kaum aus. Aber auch Fernsehen sei nicht immer möglich. „Bei uns gibt es oft Stromausfälle“, sagt ein Asylwerber aus dem Quartier auf der Hauptstraße.

Übergriffe

Das sind nicht die einzigen Probleme der Flüchtlinge. Der Wirt soll auch handgreiflich geworden sein. „Als wir uns im Sommer unter einen Sonnenschirm vor dem Gasthaus setzen wollten, hat er einen beim T-Shirt gepackt und gesagt, wir sollen verschwinden“, schildert ein Asylwerber.

Ein Mitarbeiter der Plattform Bleiberecht sei Augenzeuge gewesen, als der Wirt einen Mann beim Handgelenk geschüttelt habe, weil er das ihm vorgesetzte Schweinefleisch nicht wollte.

„Er mag Menschen aus Afghanistan nicht. Uns nennt er Terroristen“, fügt Mahmood Y. hinzu.

Gerlinde Grohotolsky hat „schon oft von körperlichen und sprachlichen Übergriffen durch den Wirt gehört“.
Den Mitarbeitern der Caritas, die Rechtsberatung anbietet, sei „in der Vergangenheit immer wieder vom rüden Umgangston berichtet worden“. Auch davon, dass der Hausherr Kracher habe knallen lassen, um die Bewohner zum Mittagstisch zu holen, habe man erfahren.

Bei der Diakonie, die die Asylwerber-Sozialberatung inne hat, sei man „über diese Vorfälle informiert“. „Wir haben die Beschwerden an die Sozialabteilung weitergeleitet“, sagt Dagmar Hanifl. Der zuständige Beamte, auf dessen Schreibtisch der Brief landete, wurde mittlerweile versetzt. Im Büro von Soziallandesrat Peter Rezar (SPÖ) wisse man von derartigen Vorwürfen nichts. Bei einer Überprüfung der Unterkunft habe es keine Hinweise auf Missstände gegeben.

Die Plattform-Sprecherin und der KURIER konfrontierten den Wirt mit den Vorwürfen. „Das mit den Krachern mache ich seit 20 Jahren nicht mehr. Die Leute wissen eh schon, wann es Essen gibt“, sagt der Hausherr.

Die Stromausfälle würden durch defekte TV-Geräte entstehen, die „die Asylwerber vom Sperrmüll anschleppen“. Wegen ihrer Fragen nennt der Wirt Gerlinde Grohotolsky „eine hinterlistige Frau mit drei Zungen“. Angesprochen auf die Handgreiflichkeiten, tippt er sich nur mit dem Finger auf die Stirn. Und Terroristen nenne er keinen der (derzeit 30) Asylwerber: „Sie sind Urlauber.“ In ihren Zimmern besuchen darf man „die Urlauber“ nicht. „Weil ich das nicht will.“

Mit dem Thema Asyl beschäftigt sich am Donnerstag auch der „Talk im Hangar“ auf ServusTV. Thema: „Aufreger Asyl – Was ist ein Flüchtling wert?“ Donnerstag, 22.15 Uhr, Servus TV, Moderation: KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter.

Ab 23.55 Uhr zeigt ServusTV die Reportage „Im Abseits“, die in Kooperation mit Dossier entstand.

Talk im Hangar-7

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