Peter Hanke: "Diese Frage ziehen Sie zurück!"
Zuletzt betrat Peter Hanke immer öfter die große politische Bühne. Manchmal unfreiwillig (etwa als kolportierter Nachfolger seiner Bundesparteichefin), vermehrt aber ganz bewusst – etwa als Gegenspieler von Umweltministerin Leonore Gewessler beim 1-2-3-Ticket. Der KURIER hat den SPÖ-Stadtrat zu einem langen Gespräch getroffen – über Wien, (bundes)politische Ambitionen und Persönliches.
KURIER: Herr Stadtrat, Sie wohnen in Transdanubien. Können Sie den schnellsten Weg mit den Öffis skizzieren, den Sie in der Früh ins Rathaus nehmen würden?
Peter Hanke: Ganz leicht: Mit der U1 fahre ich direkt von der Alten Donau bis zum Stephansplatz. Dann gehe ich durch die City und komme zehn Minuten später im Rathaus an.
Wie oft haben Sie das in der Realität schon so gemacht?
Ich gebe zu, dass meine normale Wegstrecke im Auto über die Brigittenauer Brücke, die Inn- und die Taborstraße ins Rathaus führt. Aber ab und an genieße ich diesen Weg, weil er eine gute Gelegenheit ist, die Stimmung in der City mitzubekommen.
Müssen wir uns eingestehen, dass wir in machen Teilen unserer Stadt das Auto immer brauchen werden?
Wir werden es noch lange brauchen. Die Öffis sind aber vorbildhaft ausgebaut.
Im Koalitionspapier steht, dass die Innere Stadt verkehrsberuhigt werden soll.
Da ich für die Erstellung eines solchen Konzepts nicht zuständig bin, halte ich mich zurück. Als Privatperson denke ich, dass wir ein gut ausgebautes Garagennetz haben und dass diese Garagen das Ziel der Autofahrer im 1. Bezirk sein sollten. Für Unternehmer braucht es vernünftige Schnittpunkte: Wirtschaft braucht Verkehr.
Die Öffis sind wegen Corona in den roten Zahlen. Gleichen Sie das mit einer Erhöhung der Ticketpreise aus?
Wir planen keine Erhöhung. Auf Dauer kann man aber nicht ausschließen, dass sich Preise verändern. Das Minus liegt im hohen zweistelligen Millionenbereich.
Für wie lange gilt Ihre Preisgarantie?
Für zwölf Monate.
Werden Sie sich mit der Umweltministerin noch auf das 1-2-3-Ticket einigen?
Das Bundesland Wien ist Vorreiter in Sachen Öffi-Netz. Wir unterstützen das grundsätzlich, es gibt aber noch einige finanzielle Details zu klären.
„Auf Dauer kann man nicht ausschließen, dass sich die Preise bei den Öffi-Tickets verändern“
2019 haben Sie sich über das „klimafreundlichste Budget“ in der Geschichte Wiens gefreut, im Februar wollten Sie sie „Klimamusterstadt“ machen. Da müssten Sie den Klimacheck für Straßenbauprojekte der Ministerin doch eigentlich begrüßen.
Nein. Das sind zwei Paar Schuhe. Infrastrukturprojekte haben eine lange Vorlaufzeit. Da braucht es Kontinuität, um seriöse wirtschaftliche Entwicklungen in der Stadt sicherzustellen. Mit Fragezeichen zu agieren, verunsichert die Menschen und verunsichert mich als Wirtschaftsstadtrat.
Manche würden jetzt sagen: Die SPÖ schmückt sich mit Klimaschutz, ganz so wichtig ist er am Ende aber dann doch nicht.
Nein, er ist sehr wichtig. An erster Stelle steht Arbeit, an zweiter Klimaneutralität.
Sie kennen sicher den „induzierten Nachfrageeffekt. Ein Beispiel: Wissenschafter sagen, dass mehr Straßen auch immer mehr Verkehr produzieren.
Ich glaube eher daran, dass ohne den Bau bestimmter Straßen Bezirke im Verkehr ersticken. Das führt zu Folgekosten in Millionenhöhe. Die wollen wir nicht. Die Stadt der Zukunft hat ein vernünftiges Straßennetz. Es geht nicht darum, Straßenkilometer zu zählen, sondern darum, wie der Verkehr abgewickelt wird. Hier haben wir die E-Mobilität in den Fokus zu stellen.
Die Klimakrise sei ohne Verzicht zu bewältigen, sagt Bundeskanzler Kurz. Sehen Sie das auch so?
Ganz ohne Verzicht wird es nicht gehen.
Wo verzichten Sie denn?
Ich versuche, viel zu Fuß zu gehen, und mache so zwei Dinge: Ein wenig auf meine Fitness achten und meinen Klima-Fußabdruck verkleinern.
Ihr Vater war lange Zeit in Wien erfolgreich politisch tätig. Inwiefern war Politik bei Ihnen Zuhause ein Thema?
Ich bin in einem sozialdemokratischen Haushalt groß geworden. Es wurde viel diskutiert. Das hat mich stark beeinflusst.
Was charakterisiert einen sozialdemokratischen Haushalt?
Ein Zugang, der geprägt ist von einer offenen Gesellschaft, von Miteinander und Solidarität.
Wo ist Peter Hanke politisch denn ganz anderer Meinung als sein Vater?
(lacht) Diese Frage ziehen Sie zurück! Sonst verläuft das nächste Familienessen nicht so harmonisch wie geplant.
Würden Sie Ihre Kinder ermutigen, Politik zu machen?
Ich würde sie ermutigen, Ihren Beruf bestmöglich zu erfüllen, dort, wo sie gerade arbeiten. Es ist nicht ratsam, sofort eine politische Karriere einzuschlagen. Es ist wichtig, die Arbeitswelt kennenzulernen, so wie sie ist.
Was nervt Sie am politischen Geschäft?
Die permanente Verfügbarkeit, die als selbstverständlich angesehen wird.
„Es fehlt manchmal an der Disziplin und der Geschlossenheit unserer politischen Bewegung“
Wo bleibt Ihnen Freiraum für die Familie?
Wir haben drei Kinder. Mein jüngster Sohn ist zwölf Jahre und braucht gerade viel Zuwendung. Ich nehme mir die Zeit für Urlaube in den schulfreien Zeiten. Ich versuche, für alle meine Kinder ein Vater zu sein, auf den sie stolz sein können und der auch Zeit für sie hat.
Der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky galt als Nadelstreifsozialist – ein Attribut, das auch Ihnen zugeschrieben wird. Schmeichelhaft? Oder ein missglückter Vergleich?
Ein massiv schmeichelhafter. Franz Vranitzky ist für mich ein guter Freund und wichtiger Gesprächspartner.
Sie sind gut gestylt, tragen modische Anzüge. Darf man das als Sozialdemokrat?
Mag sein, dass es ungewohnt ist. Für mich ist es eine Form des Respekts gegenüber meinem Gesprächspartner. Ich werde mein Outfit nicht ändern.
Würden Sie Hosenträger tragen?
Ich bin nicht der Hosenträger-Typ.
Vor der Krise haben sie sich über ein gutes Budget gefreut. Wie lange werden wir brauchen, bis Wien wieder dort ist?
Drei bis fünf Jahre. Bis jetzt haben wir mehr als 600 Millionen Euro an Corona-Unterstützung aufgestellt.
Was gelingt der Wiener SPÖ, was der Bundes-SPÖ nicht gelingt?
Wir arbeiten im Team. Mit einem guten Fokus auf Zukunftsthemen und kommunizieren diese intensiv. Auf Bundesebene bleibt da noch ein Stück Luft nach oben.
Wo erwischt man im Bund die Zukunftsthemen nicht? Bei der Zuwanderung?
In einer politischen Bewegung ist es gut, abgestimmt zu agieren. Hier fehlt es manchmal an der Disziplin und der Geschlossenheit unserer politischen Bewegung.
Zuletzt wurden Sie wieder als Kandidat für die Bundespolitik genannt. Würde Sie das reizen?
Nein, das würde mich nicht reizen. Ich bin in Wien gut aufgehoben, wo ich entscheidungsnahe Politik machen kann.
Was haben die Neos – abgesehen von acht Prozent an Wählerstimmen – in die Koalition eingebracht, was die SPÖ alleine nicht geschafft hätte?
Wir sind bei der Transparenz-Thematik gute gemeinsame Wege gegangen. Und wir haben in vielen Wirtschaftsfragen einen gemeinsamen Nenner gefunden – zum Beispiel beim Fördersystem. Da sind wir weiter gekommen, als es mit anderen oder alleine machbar gewesen wäre.
Würden Sie zustimmen, dass es für junge Menschen in Wien und Österreich schwierig ist, an ein eigenes Haus oder eine Wohnung zu kommen, wenn nicht zufällig die Erbtante stirbt?
Eigentum ist schwierig zu erlangen. Aber es gibt auch andere Wohnoptionen und hier ist Wien ausgezeichnet aufgestellt.
Wie kann man den Zugang zu Eigentum erleichtern?
Die junge Generation ist mobiler geworden. Ich glaube, Eigentum ist nicht mehr das größte Gut.
Das ist eine spannende Antwort. Sie hätten auch sagen können: „Wir müssen schauen, dass den Menschen nach Abzug der Steuern mehr übrig bleibt.“
Das ist auch wichtig, ist aber als Lösung zu einfach gesagt. Es werden keine Wunder passieren. Wir müssen eine realistische Politik machen, keine Traumwolken bauen.
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