Gründe zu feiern, die gäbe es derzeit genug. Die Zeugnisse in den Schulen, den Semesterschluss an den Unis. Oder, dass der Sommer (zumindest hin und wieder) endlich da ist. Und doch tut es niemand.
Zumindest nicht groß. Und wenn doch, dann nicht offiziell. Das wird auch noch eine Zeit lang so bleiben, denn nach derzeitigem Stand werden Nachtlokale erst ab 1. August wieder bis 4 Uhr früh offenhalten können. Allerdings nur, wenn es die Infektionszahlen zulassen. Die endgültige Entscheidung soll, wie berichtet, am 15. Juli getroffen werden.
Das Problem an der Sache: Die Leute feiern trotzdem, nur an anderen Orten. Wiener Szenekenner wissen etwa von Villenpartys der Jeunesse dorée zu berichten. Wer nicht über die dafür nötige Ausstattung verfügt, setzt sich mit Dosenbier und Boombox an öffentliche Orte wie den Donaukanal – wo es dann teilweise unerfreulich eng wird, Müllprobleme inklusive.
Zu verhindern sei das nicht, heißt es aus der Landespolizeidirektion Wien. Stadt Wien und Polizei würden weiterhin informieren und die Einhaltung der Maßnahmen einmahnen.
Würden sich aber Tausende aufgrund des beschränkten Platzes nicht an die Abstandsregeln halten, könne auch die Polizei nichts daran ändern. Das sei die „nüchterne Realität in der aktuellen Situation". Es gelte schlicht die Eigenverantwortung,
Tanz-Bedürfnis
Für Psychologin Natalia Ölsböck ist es keine Überraschung, dass sich die Partyszene nun an andere Orte verlagert. Das Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmtheit lasse sich nicht unendlich lange unterdrücken. Genauso wenig wie jenes nach Geborgenheit – laut Ölsböck „der größte Gegenspieler der Einsamkeit“.
Geborgenheit beschränkt sich jedoch nicht auf die eigenen vier Wände. Gerade junge Menschen finden sie auch in ihrem Freundeskreis, in Musik – und in Ritualen wie Tanzen.
Lange Zeit wurden die Einschränkungen akzeptiert, doch „jetzt ist das ausgereizt“, sagt Ölsböck. Die Konsequenz: „Das Ganze beginnt ein bisschen zu kippen, die Leute lassen sich ihre Freiheit nicht mehr nehmen.“
Nicht zuletzt, weil mittlerweile die Nachvollziehbarkeit fehle. In vielen Bereichen wurde gelockert, nur bei den Clubs steht man weiter auf der Bremse.
Keine Perspektive
Und so gibt sich die Clubszene kompromissbereit und kreativ (siehe Infobox unten). Dennoch heißt es weiter: „Bitte warten“. Das gilt auch für alle Open-Air-Tanzveranstaltungen, von denen es im Sommer traditionell eine ganze Menge gibt.
Das Werk
Der Club an der Spittelauer Lände bietet auf seiner „Kulturterrasse“ Donnerstag bis Sonntag Konzerte, DJ-Sets und Lesungen an.
Club U
An Wochenenden wird auf der Terrasse des Otto-Wagner-Pavillons am Karlsplatz aufgelegt.
Fluc
Am Praterstern wird die „Marina“-Terrasse neben der Kaiserwiese mit Konzerten und DJ-Sets bespielt. Drinnen gibt es Sitzkonzerte.
Einer, der es gerne versucht hätte mit dem Corona-gerechten Feiern im Grünen, ist Kristof Grandits. Am 21. Juni wollte er ein „Techno Picknick“ veranstalten. In einem Outdoor-Gastronomiebetrieb sollten sich die Menschen treffen, im Gras oder auf Picknickdecken auf zugeordneten Plätzen sitzen und die Musik genießen.
Ein 30-köpfiges Sicherheitsteam sollte auf ausreichend Abstand zwischen den Gästen achten. „Kontrollierte Eigenverantwortung“ heißt das in Grandits’ Konzept.
Absage aus Angst
Kurz vor dem Event zog der erfahrene Veranstalter bei mehr als 10.000 Interessensbekundungen auf Facebook aber die Reißleine. Aus Angst vor drohenden Strafen, weil er über einen geplanten Besuch des Magistrats informiert wurde.
Die angekündigte Kontrolle selbst stört ihn nicht. Dass sein Versuch, mit der zuständigen MA 36 Kontakt aufzunehmen, unbeantwortet blieb, schon: „Ich verstehe nicht, warum man nicht in einem Dialog Lösungen suchen will“, kritisiert Grandits.
Dabei müsse gerade solchen Konzepten eine Chance gegeben werden: „Wir sind nicht irgendwelche Leute, die Facebook-Events erstellen. Wir sind verantwortungsvolle Veranstalter und Künstler.“
Lösung gesucht
Wohin es führen wird, wenn auch weiterhin keine professionellen Veranstaltungen stattfinden dürfen, ist für Grandits klar: „Es wird alles ins Illegale gehen“, dann jedoch ohne Sicherheitskonzept, mit gesundheitlich potenziell gefährlichen Folgen.
Die Menschen würden sich jedenfalls nicht von Partys abhalten lassen. „Man kann das Feiern nicht verbieten“, sagt der 32-Jährige, „dieser Staudamm ist schon gebrochen“. Daher müsse eine Lösung für Outdoor-Events gefunden werden.
Diese lässt aber weiter auf sich warten. Aus dem Gesundheitsministerium hieß es auf KURIER-Nachfrage, man könne den Veranstaltern derzeit „keine Perspektive geben“. Man führe mit allen Gespräche, aber solange die Zahlen nach oben gingen, müsse man „konsequent sein“.
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