Nach täglich neuen Enthüllungen rund um die Ermittlungspannen im Vorfeld des blutigen Attentats hat Innenminister Karl Nehammer intern eine scharfe Gangart eingeschlagen. Vier Tage nach dem Attentat gibt es erste Konsequenzen. Wie Recherchen des KURIER ergaben, hat das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nur halbherzige Arbeit geliefert und bei den Erhebungen im Umfeld des späteren Attentäters Kujtim F. (20) offensichtlich schwer gepatzt. Der bereits verurteilte IS-Sympathisant war unter strengen Bewährungsauflagen im Dezember 2019 bedingt entlassen worden.
Radikale Moscheen
Dennoch, so geht aus Ermittlungsunterlagen hervor, besuchte er regelmäßig unbehelligt radikal salafistische Moscheen in Wien und hielte enge Kontakte zu anderen, teilweise ebenso verurteilten Dschihadisten. Erstmals hätten allerdings bereits im Juli laut und deutlich die Alarmglocken läuten müssen. Zwei vom deutschen Staatsschutz observierte Salafisten trafen bei einem Besuch in Wien Kujtim F.. „Einer der beiden als gefährlich eingestuften Deutschen übernachtete sogar in seiner Wohnung. Diese Informationen bekam auch das LVT“, heißt es aus gut informierten Kreisen des Innenministeriums.
Nur kurze Zeit später, im Juli, reiste Kujtim F. mit einem Begleiter nach Bratislava. Er versuchte, in mehreren Waffengeschäften, Munition für eine AK47-Kalaschnikow zu erwerben – wegen fehlender waffenrechtlicher Dokumente allerdings vergeblich. Zwei Tage später informiert die Nationale Verbindungsstelle von Europol in der Slowakei die österreichischen Behörden. Zum Abgleich werden Fotos und Dokumente zwischen der Slowakei und dem Wiener Verfassungsschutz ausgetauscht. Das Ergebnis hätte eigentlich zur sofortigen Festnahme des 20-Jährigen führen müssen. Denn das LVT Wien stellte fest, dass es tatsächlich der amtsbekannte Dschihadist war, der die Munition kaufen wollte. „Diese Fakten gemeinsam hätten bei der Einschätzung der Gefährlichkeit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen müssen“, so Pürstl. Trotz aller Warnungen wurde vom LVT bis in den Oktober hinein keine Gefährlichkeitsprognose erstellt. Daher wusste auch die Justiz nichts von den möglichen terroristischen Vorbereitungshandlungen.
Nehammer sprach von „offensichtlichen und aus unserer Sicht nicht tolerierbaren Fehlern“. „Fehler können passieren, aber was verwerflich ist, sie nicht zuzugeben. Und das seit Dienstag.“, heißt es von Insidern aus dem Ministerium.
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