Organisiertes Verbrechen: Drogenhändler, die Sprengstoff dealen
Vier Jahre waren Ermittler skrupellosen Balkan-Banden auf der Spur. Neben 73 Festnahmen führte das zur Erkenntnis, dass diese Terroristen mit Waffen versorgen.
„Darf’s ein bisserl mehr sein?“, so oder so ähnlich dürfte ein Scheinkauf zwischen Ermittlern des steirischen Landeskriminalamts (LKA) und dem Mitglied eines bosnischen Drogenclans im Juni 2019 gelaufen sein. Nur dass der Mann zusätzlich zu reinstem Kokain nicht etwa Cannabis oder Crystal Meth, sondern 500 Gramm Sprengstoff feilbot.
„Der hatte das einfach im Auto liegen. Da war für uns klar, das ist ein Sicherheitsrisiko, wir müssen zugreifen“, schildert Chefinspektor Erich Schnedl den Einsatz. Eigentlich wollten die Ermittler den Kriminellen vorerst noch observieren, aufgrund der explosiven Ladung hatten sie keine Wahl.
Die Festnahme war eine von 73, die seit 2019 im Rahmen der Operation „AG Alpha-Pannonia“ erfolgt ist. Dabei handelt es sich um umfangreiche Ermittlungen gegen unterschiedliche Balkan-Banden im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK). Maßgeblich beteiligt sind neben den LKAs Steiermark und Burgenland auch ausländische Behörden, die heimische Justiz und das Bundeskriminalamt (BK).
Im BK wurden am Mittwoch die vorläufigen Ermittlungsergebnisse präsentiert. Zusätzlich zu den Festnahmen wurden u. a. eine halbe Tonne Suchtgift sichergestellt, zwei Drogenlabors ausgehoben und 4,5 Kilo Sprengstoff konfisziert.
Auftragsmord geklärt
Laut BK-Direktor Andreas Holzer zeigt der Fall, dass sich die OK nicht nur um den Drogenhandel dreht. Zwar würden 60 Prozent auf Suchtgiftgeschäfte zurückgehen, den Konnex zum Terrorismus mache der Sprengstofffund aber deutlich.
Konkrete Abnehmer dürften noch gefehlt haben. Der Westbalkan mit seiner auf die Jugoslawienkriege zurückgehenden hohen Dichte an illegalen Waffen sei aber nach wie vor eine Lebensader der OK. „Bosnien ist nur fünf Autostunden entfernt, am Weg gibt es eine kontrollierte Grenze“, illustriert Schnedl, warum es in Wien zu solchen Deals kommen kann.
Dass die Balkanbanden nicht davor zurückschrecken, die illegalen Waffen einzusetzen, zeigen zwei weitere Ermittlungserfolge im Rahmen von „AG Alpha-Pannonia“. So konnte mittels DNA-Abgleich ein Auftragsmord aus dem Jahr 2015 geklärt werden.
Damals wurde in Montenegro wegen einer Clanrivalität ein Mann erschossen. Der Täter ließ sich in Graz nieder. „Sein Blutgeld investierte er in Immobilien“, so Schnedl. Ein dem Kriminalisten zufolge typisches Vorgehen.
Ebenso zur Waffe griff ein 49-jähriger Kosovare, der offenbar albanisches Marihuana in Serbien in Möbeln versteckt hatte, um es nach Österreich zu schmuggeln. Auf der Flucht soll er auf Beamte geschossen haben. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Schiffe aus Südamerika
Dass Drogen teils viel weitere Wege als vom Balkan nach Wien zurücklegen, zeigen die aktuellen Ermittlungen ebenfalls. Es sei nicht untypisch, dass in südamerikanischen Häfen serbokroatisch gesprochen werde, Staplerfahrer bestochen würden und Container mit Kokain in Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg ankommen. Bei 100.000 Containern, die in Europa eintreffen, könne nur stichprobenartig kontrolliert werden – „außer man weiß vorher Bescheid“, betont Holzer.
Genau deshalb bekräftigt der BK-Direktor erneut seine Forderung nach der Überwachung von Messengerdiensten. Es handle sich um ein Werkzeug, dass seine Ermittler bräuchten, um Österreich sicherer zu machen.
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