Die Spuren der Nacht sind am Mittwoch nicht nur den Anrainern anzusehen. Im Explosionshaus, das wegen Einsturzgefahr sowie laufender Ermittlungen auch um die Mittagszeit noch großräumig abgeriegelt war, fehlen mehrere Fenster. Spuren des anschließenden Brands sind ebenso sichtbar. Fast genauso stark in Mitleidenschaft gezogen ist das Zinshaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Videos belegen die massive Detonation.
"Es hat Glas geregnet", ist die 35-jährige Elizabet P. fassungslos. Die Mutter zweier kleiner Kinder wohnt mit dem Toten Wand an Wand. Zum Zeitpunkt der Explosion war ihre Wohnung zum Glück bereits von den Einsatzkräften evakuiert worden. Bei dem Toten soll es sich um einen 47-jährigen Serben handeln. Laut P. war dieser völlig unauffällig und immer gut gekleidet.
Hintergründe zu der Tat, etwa ob sich der Mann in einem psychischen Ausnahmezustand befand, oder ein Motiv, waren am Mittwoch zunächst völlig unklar.
Anfangs dürften die Kriminalisten bei dem Verbarrikadierten jedenfalls von einem polnischen Staatsbürger ausgegangen sein. "Ich bin am Fenster gesessen und habe beobachtet, wie die Verhandlungsgruppe der Polizei über ein Megafon auf Polnisch Kontakt aufgenommen hat", schildert Ewelina K. die Momente kurz vor der Explosion. Laut der 27-Jährigen wurde dem in der Wohnung verschanzten Mann ein Ultimatum gestellt, welches dieser ignorierte.
„Er hat noch den Fernseher lauter gestellt, um nicht mit den Kollegen reden zu müssen“, sagte der LKA-Ermittlungsdienstleiter Gerhard Winkler am Mittwoch. Weil man aus der Wohnung auch andere Stimmen zu hören vermeinte - womöglich der Fernseher - und nicht ausschließen konnte, dass sich keine weiteren Personen in der Gewalt des Mannes befanden, wurde die Freigabe zum Zugriff erteilt.
"Spürte Hitze der Flammen auf der Haut"
Nach der Öffnung der Wohnung kam es zur der Explosion. Ewalina K.: "Ich dachte zuerst noch, dass schon nichts sein wird und bin mit einem Eis am Fenster gesessen. Plötzlich machte es "Bumm" und ich spürte die Hitze der Flammen auf meiner Haut." Sie habe sich dann schnell in Sicherheit gebracht.
Glück hatte auch die zierliche Pensionistin Jolanda K., die die Druckwelle ins Wanken brachte, obwohl sie zum Zeitpunkt der Detonation in der hofseitigen Küche im gegenüberliegenden Haus war. Zuvor, so die 83-Jährige, sei sie noch am Fenster gestanden und habe den Tobenden beobachtet, wie er Gegenstände aus dem Fenster warf. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zeugen sah sie sein Gesicht und seinen kahlen Kopf. Nach dem Knall sei sie sofort zurück ins Wohnzimmer. Dort erwartete sie ein Scherbenmeer.
Ähnlich erging es Gerhard S., der über der Frau wohnt. "Um 21 Uhr stand ich in der Unterwäsche in der Küche, als die WEGA mir beinahe die Tür einschlug", sagt er und deutet auf Schrammen in seiner Holztür. Ein schwer bewaffneter Polizist wollte sich demnach in seinem Wohnzimmer in Position bringen. Da der Winkel nicht passte, zog er aber wieder ab.
Mehrere Verletzte, aber dennoch Glück
Der 55-Jährige versuchte sich in Folge zu beruhigen. Als er einen "Schepperer" hörte und sein Lüftungsgerät plötzlich wegen erhöhten Feinstaubwerts anschlug, sei ihm aber klar gewesen, dass "gerade etwas in die Luft geflogen war".
Anders als sieben andere Personen, darunter auch Polizisten, blieb S. unverletzt. Schwerverletzte oder weitere Todesopfer gab es glücklicherweise nicht, Kriminalist Winkler sprach in dem Zusammenhang von „fast einem Wunder“, weil die Explosion doch sehr stark gewesen sei. Sprengmittel wurden in der Wohnung nicht gefunden, deshalb wird eine Gasverpuffung - möglicherweise durch Manipulationen herbeigeführt - in Betracht gezogen.
Trotz der Explosion kam der Mieter noch mit einem Gegenstand in der Hand aus der Wohnung und ging auf die Cobra-Beamten los. „Es ist bisher nicht geklärt, ob er bewaffnet war“, sagte Winkler. In der Wohnung wurden später Messer und eine Schreckschusspistole gefunden. Die Polizisten machten von der Schusswaffe Gebrauch. Ungeklärt ist dem LKA-Beamten zufolge, ob der Mann dadurch zu Tode kam oder letztlich die Explosion tödlich war. Dazu könnte die Obduktion nähere Aufschlüsse bringen, die noch am Mittwoch stattfinden sollte.
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