Nicht alle, die so aussehen, sind es auch. Wenn es wärmer wird, halten sich auch Menschen viel mehr im öffentlichen Raum auf, die sehr beengt oder prekär leben.
Es ist immer die Rede von Wohnungslosigkeit. Sollte man den Begriff „Obdachlos“ nicht mehr verwenden?
Es sind zwei unterschiedliche Dinge. Obdachlose Menschen wohnen auf der Straße oder kommen in unseren Notquartieren unter. Wer wohnungslos ist, hat zwar keine eigene Wohnung, kommt aber bei Freunden unter oder ist bei uns in der Versorgung.
Warum gibt es im Sommer weniger Plätze?
Die Frage muss man umdrehen: Warum gibt es im Winter mehr Plätze? Weil es in Wien das Commitment gibt, dass im Winter niemand in der Kälte auf der Straße schlafen muss. Diese humanitäre Maßnahme ist ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt.
Wird es aufgrund der Klimaerwärmung und der noch heißeren Sommer künftig in diesen Monaten auch mehr Plätze brauchen?
Wir haben heuer schon mehr Plätze im Sommer als vergangenes Jahr. In den Tageszentren ist es gekühlt, um den Hitzestress zu reduzieren, Streetworker sind mit Wasserflaschen unterwegs. Generell ist unser Ziel aber nicht, Menschen nur in Notschlafstellen unterzubringen, sondern ihnen eine Perspektive zu geben.
Die Grünen wollen, dass Wien die erste europäische Metropole wird, die Wohnungslosigkeit abschafft. Wie realistisch ist das?
Es ist ein ambitioniertes Ziel, es ist auch unser Ziel. Wien kann es aber nicht allein erreichen. Es braucht einen Schulterschluss auf Bundesebene und auch international. Solange es Länder gibt, in denen Obdachlosigkeit kriminalisiert wird, wird es sie auch weiter geben.
Die ÖVP sagt, Obdachlose aus dem EU-Ausland verschärfen die Situation. Ist der Grund diese Kriminalisierung?
Es ist eine Tatsache, dass wohnungs- oder obdachlose Personen aus dem EU-Ausland zu uns kommen. Die haben bei uns keine sozialrechtlichen Ansprüche. Aber, wie vorhin gesagt, muss in Wien im Winter niemand auf der Straße schlafen, das gilt auch für diese Personen. Überall wo humanitäre Maßnahmen gesetzt werden, gehen die Menschen hin. Wien hat hier die gleichen Herausforderungen wie andere europäische Großstädte im Westen. Übrigens auch im Westen Ungarns, wo es auch mehr Unterstützung gibt als im Osten.
Wie ist Ihre Einschätzung zu den Vorschlägen der ÖVP und der Grünen?
Wir freuen uns, wenn die Politik das Thema im Fokus hat, die Vorschläge kratzen aber sehr an der Oberfläche. Obdachlosigkeit ist nicht nur in Zeiten des Wahlkampfs Teil einer Großstadt und man sollte vulnerable Gruppen nicht dazu nutzen, Kapital daraus zu schlagen. Wir arbeiten evidenzbasiert, sind im engen Austausch mit Betroffenen und erarbeiten darauf aufbauend Maßnahmen.
Wo kann Wien noch besser werden?
Wir schauen uns regelmäßig Best-Practice-Beispiele aus dem Ausland an, wobei man anmerken muss, dass Wien selbst in vielen Dingen eine Vorreiterrolle hat, etwa beim gemeinnützigen Wohnbau oder bei der Delogierungsprävention. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Es gibt etwa einen Anstieg bei psychischen Erkrankungen. Auf solche Entwicklungen muss man reagieren.
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