Neuer Präsident will in Synagoge nicht nur Holocaust aufarbeiten
Elie Rosen ist ein direkter Mann: "Eine Synagoge ist der falsche Platz für ein Holocaustvermittlungszentrum", befindet der 51-Jährige und meint damit, dass jüdisches Leben nicht nur auf die Shoah zu konzentrieren sei. "Wir wollen ein positives Bild des Judentums verbreiten und nicht nur die Shoah aufarbeiten. Das ist wichtig, soll aber in der Mehrheitsgesellschaft passieren."
Ein Credo, das Rosen bereits in Graz verfolgte und nun auch in Salzburg umsetzen will: Rosen, seit 2016 Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, ist ab sofort Präsident der Salzburger Gemeinde, am Sonntag wurde er vom Vorstand gewählt. Der 51-Jährige folgt Hanna Feingold, die 2019 nach dem Tod ihres Mannes, des Holocaust-Überlebenden Marko Feingold, Präsidentin wurde.
„Die Gemeinde war stark in Richtung Holocaustaufarbeitung ausgerichtet, wichtig ist jetzt eine Öffnung nach außen“, analysiert Rosen, der auch in Graz Präsident bleibt. "Ich werde viel pendeln, aber ich bin es gewohnt, aus dem Koffer zu leben. Ich habe mein Herz an beiden Standorten." Rosen ist zudem Vizepräsident der Israelitischen Religionsgemeinschaft Österreichs.
Im Sommer 2020 wurde die Grazer Synagoge geschändet, Präsident Rosen attackiert und verletzt. "Der Anschlag hat nichts mit meinem Engagement in Salzburg zu tun", versichert Rosen. "Er hat mich in meiner Arbeit in Graz auch wenig behindert." Der Angreifer, ein syrischer Asylwerber, gestand später, aus "Hass auf Juden" gehandelt zu haben, er wurde 2021 zu drei Jahren Haft verurteilt.
Wie Öffnung gelingt
In der Steiermark hat Rosen jene Öffnung geschafft, die er nun auch in Salzburg anstrebt: Die Synagoge – wenn auch unter Bewachung wie alle jüdischen Einrichtungen in Österreich – steht durch vielfältige Veranstaltungen einem breiten Publikum offen, unter anderem mit dem Projekt "Synagoge erleben". Kürzlich wurde mit dem Bau eines jüdischen Kulturzentrums begonnen, das von Stadt Graz und Land Steiermark finanziert wird – noch vor ein paar Jahren ein undenkbares Wagnis, stand doch die Grazer Gemeinde vor der Auflösung.
Mit dem gleichen Schwung will der gebürtige Niederösterreicher – Anfang der 2000er setzte er die Instandsetzung der Synagoge in Baden mit öffentlichen Mitteln durch – auch in Salzburg arbeiten. Die Bedingungen seien freilich andere als in Graz. "Die Touristenströme sind in Salzburg doch ganz anders", überlegt Rosen. "Es geht auch darum die Gemeinde nach innen wieder zu festigen, die Leute zum aktiven Besuch der Synagoge zu motivieren."
100 Mitglieder hat die Salzburger Gemeinde, 150 jene in Graz. Wobei Rosen nichts auf Zahlen gibt: "Die sagen nichts aus. Sie können 600 Mitglieder haben, aber was bringt das, wenn die nicht aktiv dabei sind?"
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