Neuer Ärztechef Steinhart will auf Impfskeptiker zugehen
Knapp einen Monat ist es her, dass die neue Führung der Österreichischen Ärztekammer gekürt wurde. Wobei „neu“ relativ ist: Ist doch der frischgebackene Präsident Johannes Steinhart einer der erfahrensten Spitzenfunktionäre der Standesvertretung. Seit 2012 war der 67-jährige Wiener Urologe als Kammer-Vizepräsident tätig.
Ähnliches gilt auch für einen seiner Stellvertreter Harald Mayer aus OÖ, seit fast zwei Jahrzehnten oberster Vertreter der Spitalsärzte. Wirklich neu im Präsidium ist bloß der Tiroler Edgar Wutscher, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte.
Diese beachtliche personelle Kontinuität merkt man auch dem Programm der neuen Kammer-Spitze an, welches sie am Mittwoch offiziell präsentierte. Es besteht zu großen Teilen aus altbekannten Forderungen: mehr Geld für das Gesundheitssystem, weniger Bürokratie in den Ordinationen und Spitälern, eine bessere Ausbildung, um dem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken.
Minenfeld Corona
So weit, so erwartbar. In einem Bereich will Steinhart aber offenbar einen deutlich anderen Kurs einschlagen als sein Vorgänger Thomas Szekeres. Und das ausgerechnet auf dem heiklen Feld der Corona-Politik. Hier hatte sich Szekeres als Proponent eines sehr strikten Vorgehens hervorgetan. Dieser Kurs gipfelte im Dezember in ein Warnschreiben an Standeskollegen, wonach sie sich an die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums halten müssten und nicht unbegründet von Corona-Impfungen abraten dürften.
Dies und andere Aktionen führten dazu, dass Szekeres massive Attacken aus der Impfgegner-Szene aber auch aus der FPÖ über sich ergehen lassen musste. Doch auch kammerintern waren viele nicht mit diesem strikten Vorgehen einverstanden. Dieses wurde für das starke Abschneiden der Impfgegner-Partei MFG bei den Kammerwahlen im Frühjahr mitverantwortlich gemacht. In Wien etwa eroberte sie sechs von 90 Mandaten.
Hier will Steinhart nun offenbar gegensteuern. Er spricht von „zuletzt aufgetretenen Rissen in der Ärzteschaft“, die geschlossen werden müssten. „Den Dialog zwischen den unterschiedlichen Seiten habe ich zuletzt etwas vermisst“, sagt er. „Ich bin immer jemand gewesen, der für den Ausgleich ist“, sagt der Präsident.
Experten-Gremium
Steinhart lässt derzeit ein internes Experten-Gremium aufbauen, auf dessen Einschätzung sich die Position der Kammer in Corona-Fragen stützen soll.
Was die aktuellen Streitpunkte Maskenpflicht und das Ende der Impfpflicht angeht, gibt sich der neue Präsident daher noch bedeckt. Eine Ausnahme macht er bei dem aktuell diskutierten Aus der Quarantäne für Infizierte: „Wir sind im Gespräch mit dem Gesundheitsministerium. Ich glaube nicht, dass die entsprechenden Konzepte schon sehr weit fortgeschritten sind“, sagt er.
Obendrein könnten die Überlegungen zum Quarantäne-Aus durch die stark steigenden Infektionszahlen ohnehin bald überholt sein, gibt Steinhart zu bedenken.
Werdegang
Der Urologe Johannes Steinhart (67) war 1992 bis 2015 Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des Krankenhauses „Göttlicher Heiland“ in Wien-Hernals
Ärztekammer
Der langjährige ÖVP-nahe Funktionär wurde heuer zuerst Chef der Wiener, dann auch jener der Österreichischen Ärztekammer
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