Die Bilanz des vergangenen Wochenendes in Tirol ist verheerend. Acht Menschen starben unter Lawinen. Innerhalb von drei Tagen mussten die Bergretter zu 70 Einsätzen ausrücken. Und das, obwohl intensiv vor der Gefahr gewarnt wurde. „So etwas ist mir in 43 Jahren als Bergretter noch nie untergekommen“, sagt Tirols Landesleiter der Einsatzorganisation, Hermann Spiegl.
Und es hätte noch schlimmer kommen können. In Sölden lösten am Freitag etwa Wintersportler im freien Gelände ein Schneebrett aus, das fünf der Variantenfahrer mitriss und noch dazu eine darunterliegende Piste verschüttete. Es gab keine Toten.
„Es ist erschreckend, dass keiner die Warnungen ernst nimmt“, sagt Josef Fiegl, Ortsstellenleiter der Bergrettung in Sölden. „Die Variantenfahrer fahren mit der Bahn hoch und sehen dann nur einen schönen Pulverhang, in den sie reinfahren.“
Zwei Risikogruppen
Auch wenn es am vergangenen Wochenende ausschließlich Tourengeher waren, die ihr Leben unter dem Schnee verloren haben: In den vergangenen Jahren hat der weiße Tod stets in etwa gleich viele Wintersportler ereilt, die von den Pisten ins freie Gelände gestartet sind.
„Es ist zum Verzweifeln, wenn du als Bergretter auf der Piste unterwegs bist und dann siehst, wo die Leute überall runterfahren“, sagt Klaus Wagenbichler, stellvertretender Leiter der Salzburger Bergrettung.
Das Lawinenwochenende im Nachbarbundesland lässt auch ihn den Kopf schütteln: „Manche wollen einfach ihren Schädel durchsetzen“, sagt er über jene, die alle Warnungen in den Wind schlagen. Und er mahnt: „Jeder hat das Recht auf Risiko und die Hoffnung auf Rettung. Aber es gibt keine grenzenlose Einsatzpflicht.“
Wenn die Gefahr für Bergretter für eine Suchaktion zu groß ist, dürfen die Einsatzleiter ihre Kräfte gar nicht ins Gelände schicken. Ganz auszuschließen sind Nachlawinen aber nie. Ungeachtet der möglichen Gefahr für die Bergretter ist eine Vielzahl von Einsätzen auch eine enorme Belastung für die Helfer, die als Ehrenamtliche ihre Freizeit auf Lawinenkegeln opfern.
„Die Leute sind schon ignorant“, sagte der Tiroler Stefan Hochstaffl, Präsident der österreichischen Bergrettung, gegenüber Ö1 über das Verhalten jener, die bei derartigen Gefahrenlage trotzdem unbedingt ihre Spuren in den Schnee ziehen wollten.
Unvernunft kann auch abseits des persönlichen Risikos ihren Preis haben. „Irgendwann wird einer verhaftet“, vermutet Wagenbichler. „Das Strafrecht gibt das her“, sagt er. Nämlich dann, „wenn einer eine Lawine abtritt und damit andere gefährdet.“ Siehe etwa bei der Verschüttung einer Piste in Sölden.
Erneut Verschärfung
Wagenbichler will aber auch nicht überdramatisieren: „Die Zahl der Menschen, die außerhalb der gesicherten Pisten unterwegs sind, ist explodiert. Trotzdem sehen wir weniger Lawinentote als noch vor 20 Jahren.“
In Tirol haben Neuschnee und Sturm das Lawinenrisiko indes erneut verschärft. „Es wird sicher wieder heftig“, befürchtet Rudi Mair vom Lawinenwarndienst. Am Montag galt in Tirol Lawinenwarnstufe 4 von 5. Die wird auch am Dienstag in Kraft bleiben.
Am Mittwoch sollte sich das Wetter wieder bessern, dann könnte auch die Lawinenwarnstufe 3 ("erhebliche Gefahr") sinken. Doch genau bei dieser Stufe der Warnskala ereignen sich die meisten tödlichen Lawinenunglücke - so auch die jüngsten von Freitag bis Sonntag.
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