Mordprozess im Fall Leon: Vater freigesprochen

Erleichterung: Die Ehefrau mit Verwandten
Nach zweieinhalb Stunden Beratung hatten die Geschworenen ihre Entscheidung gefällt.

Nach drei intensiven Verhandlungstagen im Fall Leon wurde Florian A., dem die Anklage vorgeworfen hat, seinen behinderten Buben im Sommer 2022 in die Kitzbüheler Ache geworfen zu haben,  am Donnerstagabend von den Geschworenen einstimmig freigesprochen.

Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Der 39-Jährige konnte das Gericht aber direkt nach der Verhandlung verlassen, die U-Haft wurde aufgehoben.

Die Mutter von Leon fiel ihrem Mann schluchzend in die Arme. Der hatte sich zuvor noch an die Geschworenen gewandt, ehe sich diese für rund zweieinhalb Stunden zu Beratungen zurückzogen.

"Bitte lassen Sie mich einfach wieder nach Hause", flehte der 39-Jährige, der seine Unschuld beteuert, unter Tränen. Tränen flossen auch bei seiner im Saal anwesenden Frau und etlichen, den Mordprozess verfolgenden, Angehörigen.

Mordprozess im Fall Leon: Vater freigesprochen

Um 15.30 Uhr haben sich die Geschworenen, die über Schuld oder Unschuld entschieden haben, zu Beratungen zurückgezogen. Um kurz vor halb sechs kamen sie zu einer Entscheidung.

Zuvor hatten noch einmal Staatsanwaltschaft und Verteidigung in ihren Schlussplädoyers ihre Sicht der Dinge geschildert. 

Plädoyers von Anklage und Verteidigung

Ankläger Joachim Wüstner zeigte sich einmal davon überzeugt, dass der 39-Jährige einen Raubüberfall auf sich und eine folgende Ohnmacht vorgetäuscht hat, um seine Tat zu verschleiern.

Strafverteidiger Albert Heiss, warf dem Staatsanwalt vor, da "mit Emotionen zu arbeiten", wo es Lücken in den Ermittlungen gegeben habe. In diesen sah er außerdem die Unschuldsvermutung verletzt.

Am letzten Verhandlungstag im Fall Leon wurde nach einer Mittagspause ein Geschworener wegen Befangenheit von dem Prozess ausgeschlossen. Ein anderer Geschworener hatte dem vorsitzenden Richter Andreas Fleckl mitgeteilt, dass ihm der Mann unter vier Augen gesagt habe, er wisse schon, wie er entscheiden werde. Der bestätigte das auf Nachfrage.

Zum zweiten Mal aufgefallen

Der nun ausgeschlossene Laienrichter hatte schon einmal kurz vor dem Ausschluss gestanden, weil er am ersten Prozesstag ein Gespräch mit Gerichtsmediziner Walter Rabl geführt hatte. Für den Mann sprang einer der Ersatzgeschworenen auf den letzten Metern der Verhandlung ein.

Noch einmal öffnete sich am Morgen die schwere Tür vom Innenhof des Landesgerichts Innsbruck hin zum Schwurgerichtssaal. Noch einmal wurde Florian A., der des Mordes an seinem Sohn Leon (6) angeklagt war, vorgeführt. Noch einmal wurde der 39-Jährige von einem Großaufgebot an Fotografen und TV-Teams in Empfang genommen. 

Am dritten letzten Verhandlungstag saß nun aber auch die Frau des Deutschen und Mutter des toten Buben im Saal, neben den beiden Strafverteidigern Albert Heiss und Mathias Kapferer und von ihnen aufgebotenen Privatgutachtern.

Die Mutter von Leon hatte sich vor zwei Wochen in einer Zeugenaussage voll hinter ihren Mann gestellt und keine Zweifel daran erkennen lassen, dass sie von der Unschuld des Angeklagten überzeugt ist.

Die Anspannung war ihr, nur wenige Meter hinter Florian A. sitzend, anzusehen. Zunächst referierte Gerichtsforensikerin Petra Hatzer-Grubwieser aus ihren fünf DNA-Gutachten. Sie habe "111 Analysen von Spuren durchgeführt".

Zentrale Beweismittel

Es geht unter anderem um DNA-Spuren von einer Glasflasche, mit welcher der Angeklagte von einem Unbekannten niedergeschlagen wurde oder sich selbst damit verletzt hat.

Die Verteidigung weist in der Befragung der Gutachterin wie schon im Vorfeld des Prozesses daraufhin, dass nicht alle Scherben der Flasche sichergestellt und letztlich ein Teil davon sogar von einem Straßenkehrer entsorgt wurde.

"In einer idealen Welt hätte man jedes Gramm", so Hatzer-Gruberwieser. Aber sie weist darauf hin, dass bereits in der ersten von ihr untersuchten Charge mit vier Scherben die DNA von Leon und die eines unbekannten Mannes und keine des Angeklagten gefunden wurde. Und sich das auf weiterem Material bestätigt hat.

Dass der Angeklagte die Glasflasche laut Videoaufzeichnungen in einem Aufbewahrungsfach des Kinderwagens selbst mitgeführt hat, ist einer der aus Sicht der Staatsanwaltschaft belastender Beweise.

Wer hat das Handy weggeworfen?

Eine große Rolle spielt aber auch der Schrittzähler auf dem Handy des 39-Jährigen. Auf dem fand sich kein Hinweis, dass das Mobiltelefon von einem möglichen Räuber vom Tatort zum späteren Fundort - einem Müllkübel in der Nähe - gebracht wurde.

Die Anklage geht davon aus, dass Florian A. sein Iphone selbst entsorgt hat.

IT-Forensikerin Cornelia Menzel erklärte jedoch am späten Vormittag, dass es sich bei der Schrittzähler-App um eine Datenquelle handle, "die sehr unzuverlässig ist".  So würden etwa keine Schritte aufgezeichnet, wenn das Handy "sehr sanft transportiert wird".

Sie habe aber auch in Tests festgestellt, dass aufgezeichnete Schritte wieder gelöscht werden, wenn das Mobiltelefon hart aufschlägt. Aus dem Akt gehe aber nicht hervor, ob der Müllkübel voll war oder nicht.

Es sind Teile des Indizien-Puzzles in diesem komplexen und aufsehenerregenden Strafprozesses, an dessen Ende die acht Geschworenen eine einzige Frage zu beantworten hatten:

„Ist der Angeklagte schuldig, Leon in die Ache gestoßen und damit vorsätzlich seinen Tod verursacht zu haben“.

Bub nur noch tot gefunden

Am 28. August 2022 war Florian A. mit seinem seit Geburt von einem seltenen Gen-Defekt beeinträchtigen Buben auf einem nächtlichen Spaziergang in St. Johann unterwegs.

An einem Weg neben der Kitzbüheler Ache wird zunächst der regungslose Vater und ein leerer Kinderwagen gefunden. 

Eine großangelegte Suchaktion nach dem Buben startet, dessen Leiche schließlich auf einer Sandbank in der hoch wasserführenden Kitzbüheler Ache gefunden wird.

Zunächst gehen die Ermittler davon aus, dass Florian A. von einem Unbekannten von hinten mit einer Sektflasche niedergeschalgen wurde, deren Scherben sich am Tatort finden.

Doch schließlich fällt der Verdacht auf den Vater des Kindes, der nunmehr seit über 500 Tagen in Untersuchungshaft sitzt. Er soll, so die Anklage, einen Raubüberfall vorgetäuscht haben, um den Mord an Leon zu verschleiern.

Im Prozess befand Gerichtsmediziner Walter Rabl, dass die beim Angeklagten festgestellten Verletzungen, „nicht übereinstimmend mit der langen Bewusstlosigkeit" waren. "Üblicherweise gibt es da gar keine Bewusstlosigkeit.“

Die Verteidigung hat mit eigenen Gutachten versucht aufzuzeigen, dass sich der Angeklagte nicht selbst mit der Flasche verletzt haben kann.

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