Fall Leon: Ehefrau stellt sich hinter Angeklagten

Fall Leon: Ehefrau stellt sich hinter Angeklagten
Prozesstag zwei. Ein Gespräch zwischen Laienrichtern und Gerichtsmediziner sorgte für eine Debatte über mögliche Befangenheit. Das Gericht sah keine. Die Mutter von Leon stellte sich als Zeugin hinter ihren Mann

Am späten Donnerstagnachmittag wird es im Landesgericht Innsbruck emotional. Am zweiten Tag im Mordprozess gegen Florian A. ist unter anderem seine Frau als Zeugin geladen – die Mutter von Leon, der laut Anklage im Alter von sechs Jahren im Sommer 2022 von seinem Vater in die Kitzbüheler Ache geworfen und so von dem 39-Jährigen getötet worden sein soll.

Das Paar liegt sich weinend in den Armen, ehe die Befragung der Frau startet. Sie stellt sich dabei hinter Florian A.: „Ich habe alles gedreht und gewendet und ich bin absolut überzeugt, dass er unschuldig ist“, erklärt sie vor dem Schwurgericht.

Ihr Mann habe so etwas „Bestialisches“, wie in der Anklage vorgeworfen, keinesfalls gemacht, da sei sie sich absolut sicher, schwor die Ehefrau des Angeklagten: „Nicht nur, weil er mein Mann ist.“ 

Als Veränderung danach sei ihr lediglich aufgefallen, dass ihr Mann starke „Ängste“ entwickelt habe. Scharfe Kritik übte die Frau an der Polizeiarbeit - sie habe sich von den Ermittlern nicht ernstgenommen gefühlt, außerdem sei Hinweisen wie Videoüberwachungsaufnahmen nicht oder zu spät nachgegangen worden. 

Sie habe „jegliches Vertrauen“ in die Behörden verloren.

Die Mutter von Leon ist eine von etlichen Zeugen, die an diesem Prozesstag befragt werden, der gleich mit einem Paukenschlag startet. Kurz bevor die Verhandlung beginnt, suchen plötzlich mehrere Personen aus dem Publikum das Gespräch mit den zwei Verteidigern des Angeklagten. Dann wird es turbulent.

Wie Rechtsanwalt Mathias Kapferer vorbringt, wollen mehrere Zeugen – darunter der Bruder des Angeklagten – nach der Verhandlung am Vortag gesehen haben, wie Geschworene mit Gerichtsmediziner Walter Rabl nach dessen Aussage freundschaftlich geplaudert haben sollen.

Vorsitzender Andreas Fleckl hatte nun zu klären, ob es bei Geschworenen und dem Gutachter Anlass zur Befangenheit gab. Brisant daran: Rabl hatte Florian A. schwer belastet. 

Er bezeichnete die angeblich bei einem Raubüberfall erlittenen Wunden des Deutschen als „Bagatellverletzungen“ und bezweifelte, dass daraus eine lange Bewusstlosigkeit resultiert hat. Die Staatsanwaltschaft ortet einen vorgetäuschten Raubüberfall, um den Mord an Leon zu verschleiern.

Letztlich wies der Richtersenat die Anträge der Verteidigung zum Ausschluss von Rabl, der kurzfristig ins Gericht zitiert und befragt wurde, und zwei Geschworenen ab. Offenbar hatten sich die drei tatsächlich unterhalten. Rabl soll dabei laut einer Zeugin gemeint haben: „Na, da habts einen Fall ausgefasst.“ 

Nach einer Beratung des Richtersenats befand Fleckl jedoch: Aus „einer kurzen Begegnung vor dem Gericht“ und „einigen flapsigen Bemerkungen“ könne keine Befangenheit abgeleitet werden.

Es sollte nicht das einzige hitzige Gefecht zwischen Richter und Verteidigung an diesem Tag bleiben, der sich eigentlich um die Befragung von Zeugen drehen sollte:

Etwa jenem Mann, der den leblos wirkenden Florian A. am 22. August 2022 beim nächtlichen Spaziergang mit seinem Hund an der Promenade der Kitzbüheler Ache entdeckt hatte. Sanitäter, Notarzt und Krankenhauspersonal kamen ebenso zu Wort. Sie wurden etwa dazu befragt, wie benommen Florian A. war, als er zu sich kam.

Auch mehrere Polizeibeamte gaben Einblicke in die Ermittlungen, während die Verteidiger durch Nachfragen die Ordnungsmäßigkeit ebenjener in Zweifel zogen. Ein Chefinspektor und in diesem Fall Ermittlungsleiter des LKA schilderte Versuche, in denen getestet wurde, wie die in Frage stehende Flasche zersplittern könne. 

Dabei sei ein „erheblicher Kraftaufwand“ nötig, man habe die Flasche dazu in den Versuchsreihen auf den Boden schlagen müssen. Zum vom Angeklagten angeblich beobachteten „Kapuzenmann“ meinte der Ermittler, dass er von Details dazu erst aus den Medien erfahren habe. 

Daraufhin habe er den nunmehr Angeklagten erneut befragt. Auf Vorhalt der Verteidiger, ob man diversen Hinweisen - etwa einem angeblichen Geständnisses einer dritten Person - nachgegangen sei, bejahte dies der Befragte. 

Dass ein Überwachungsvideo der Kamera einer Supermarktkette nicht gesichert hatte werden können, bestätigte der Ermittler: „Da ist ein Fehler passiert.“

Ein Beamter des Landeskriminalamts (LKA), der die Videos gesichtet hatte, erklärte, dass auf keinem der ihm bekannten Videos ein Verfolger des Angeklagten zu sehen gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der 39-Jährige aus Überforderung zum Mörder wurde. Die Verteidigung wollte am Donnerstag untermauern, dass ihr Mandant und Leon ein inniges Verhältnis hatten und sich der Zustand des Buben vor seinem Tod gebessert hatte.

Untersagte Fragen

Doch Vorsitzender Fleckl untersagte, sehr zum Ärger der Verteidiger, dass Betreuer und Verwandte von Leon zur Lebenssituation der Familie A. und zur Entwicklungssituation des behinderten Buben befragt werden.

Das könne „Grundlage sein, ums sich ein Motiv zusammenzureimen“, argumentierte Fleckl die Entscheidung des Richtersenats und erklärte: „Ein Motiv gehört nicht zur Schuldfrage.“ Die müsse geklärt werden.

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