Allerdings gibt es aktuell bei der Staatsanwaltschaft keine diesbezüglichen Ermittlungen, weil sich ein Anfangsverdacht bislang nicht erhärtet habe.
Die Opferanwältin will diese mit einem Fortführungsantrag zu Ermittlungen zwingen und überlegt eine Anzeige wegen Behördenversagens bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Österreichs große Missbrauchsfälle
Was tragen Schule und Bildungsdirektion bei? Zu wenig und dem Fall nicht angemessen, sagt das Opferrechteteam der Anwaltskanzlei Bauer, die Opfer und Betroffene vertritt und fordert den Rücktritt des Wiener Bildungsdirektors Heinrich Himmer. Das kommt für Himmer nicht infrage: „Ich stehe für lückenlose Aufklärung. Das gehört strengstens untersucht und umfassend aufgearbeitet. Hier darf es keinerlei falsche Rücksichtnahme geben, das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.“
Tatsächlich gab es aber erst Monate nach Auffliegen des Falls einen Elternabend. Waltraud Klasnic, Vorsitzende der unabhängigen Opferschutzkommission, die seit 2010 Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufklärt, hat den Eindruck, „als ob man das ignorieren wollte“ und stellt klar: „Eltern sind sofort zu informieren. Das ist man den Betroffenen schuldig.“
Die Bildungsdirektion hat „inzwischen unter anderem alle Schulen dazu verpflichtet, unter Einbeziehung der Schüler, Eltern und Lehrer, ein Kinderschutzkonzept vorzulegen, das auch eine individuelle Risikoanalyse beinhaltet“.
Das wurde schon lange gefordert – nicht nur für Schulen, auch vom Kinderschutzzentrum „Die Möwe“. Geschäftsführerin Hedwig Wölfl: „Überall, wo Kinder und Jugendliche ihre Lebenszeit verbringen, muss es wirkliche Kinderschutz-Konzepte geben, damit klar ist, was im Verdachtsfall zu tun ist, sei er noch so vage.“ Und es müsse klare Regeln geben, wie sich Mitarbeiter im Umgang mit den anvertrauten Kindern zu verhalten haben.
Hat Kinder- und Jugendanwaltschaft versagt? Jedenfalls, meint die Kanzlei Bauer und fordert sie deshalb zur Selbstanzeige auf. Denn im Fall jenes Mannes, mit dem beim Basketballverein eine „Vereinbarung“ getroffen wurde, hätte die Kinder- und Jugendanwaltschaft „die ihr bekannten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft übermitteln müssen“. Aus dem Büro des Wiener Kinder- und Jugendanwalts Nik Nafs heißt es dazu heute nur: „Wir überprüfen alles.“ Als ob dafür nicht genug Zeit gewesen wäre: 2018 wurde die Vereinbarung getroffen, im April 2019 hat der Lehrer Selbstmord begangen, im Mai 2022 wurden die Vorwürfe öffentlich bekannt. Und Anfang Oktober sind nicht alle Informationen verfügbar, die längst mit allen Stellen abgeglichen sein sollten.
Ermitteln Polizei und Justiz ausreichend? Nach KURIER-Recherchen drängt sich der Verdacht auf, dass es Verbesserungsbedarf gibt. Der mutmaßliche Täter wurde 2013 von der Polizei einvernommen, der Akt in Niederösterreich wurde (rechtskonform) gelöscht. Die Justiz weiß bis heute nicht, wo diese Ermittlungsergebnisse gelandet sind. Laut „Möwe“-Geschäftsführerin Hedwig Wölfl braucht es eine stärkere Vernetzung zwischen Polizei, Justiz, Vereinen, (Schul-) Behörden und Gewaltschutzzentren.
Was kann die Gesellschaft beitragen? Einiges, ist Wölfl überzeugt. Vor allem in der Prävention. Etwa eine verpflichtende Beratung für Eltern im Rahmen des Mutter-Kind-Passes. Und ganz wichtig für Wölfl: „Hinschauen – abgesehen von blauen Flecken auch, wenn sich das Kind verändert. Und das Kind ernst nehmen, wenn es etwas erzählt. Nachfragen und dranbleiben.“
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