Drei Komponenten wurden für die Geldverschiebung genutzt: Die Bankkonten der Stadt, eine Kassa mit Bargeld und ein Geldtransferkonto, auf das sogenannten „schwebende Beträge“ gebucht wurden.
Solche schwebenden Beträge entstehen, wenn man zum Beispiel Geld aus einer Kassa nimmt und es auf einem Transferkonto zwischenlagert. In der Zeit bis zum Kontoauszug wird der Betrag zwischengebucht und erst danach ausgeglichen. Sollte das jedoch nicht der Fall sein, entsteht ein Saldo.
Schrödingers Geld
Magistratsdirektor Jost beschrieb, dass sich dieser Saldo immer weiter erhöhte. Um zu Jahresende ausgeglichen zu bilanzieren, wurde also zwischen verschiedenen Konten hin und her gebucht und das Geld entweder dem alten oder neuen Jahr zugeschrieben.
Es hat etwas von Schrödingers Katze: Nur, dass man erst nach 23 Jahren nachsah, ob das Geld tatsächlich noch in der Box ist. Wie man jetzt sagt – es war weg.
Letzten Donnerstag hatte Mathiaschitz noch erklärt, dass Verfehlungen in der Abteilung Rechnungswesen und im Kontrollamt geortet wurden. Die Bürgermeisterin bezog sich hierbei auf ein weiteres KPMG-Gutachten, das Schwachstellen in den Kontrollinstanzen der Stadt aufzeige. Denn es war die Aufgabe des Abteilungsleiters Rechnungswesen, sich die Arbeitsprozesse in der Stadtkassa detailliert anzusehen - und die des Kontrollamtes, die Stadtkassa zu prüfen. Dies geschah auch 23 Jahre lang, jedoch ohne Ergebnis, weil das Kontrollamt nichts von dem Konto wusste, auf dem die schwebenden Beträge lagen.
Kein Kontrollversagen
Ein Versagen der Kontrollinstanzen wurde also geortet. Doch das Fazit des Gutachtens belastet den ehemaligen Mitarbeiter: „Die in diesem Gutachten gestellten Ausführungen lassen nicht auf einen Systemfehler schließen.“ Vielmehr soll aus den Unterlagen hervorgehen, dass „bewusst Handlungen“ gesetzt wurden, um den Bargeldabfluss aus der Stadthauptkasse zu verschleiern.
In dem Gutachten wird auch näher darauf eingangen, wie die letzten Tage vor dem Auffliegen des Skandals abliefen. Als der Mitarbeiter bereits in Pension war, war einer Mitarbeiterin das unausgeglichene Verrechnungskonto aufgefallen. Diese machte ihre Vorgesetzte darauf aufmerksam, die eine detaillierte Prüfung vornahm und auf einen „nicht nachvollziehbaren Saldobetrag“ kam.
Bitte um Gespräch
Sie bat daraufhin laut Protokollierung im Gutachten den pensionierten Mitarbeiter um „Mithilfe bei der Klärung des Sachverhalts.“ Das Gutachten wird mit einem Gespräch fortgesetzt: „Der pensionierte Mitarbeiter meinte daraufhin, dass dieses Saldo jedes Jahr vorhanden sei und sie dieses einfach ausgleichen soll. Die Angestellte der Stadtkassa sagte, dass sie einen offenen Saldo nicht einfach ausgleichen könne. Woraufhin laut Gutachten der pensionierte Mitarbeiter auskunftsgemäß gesagt haben soll: 'Wer soll denn das schon kontrollieren' und 'Das wird ja eh nicht kontrolliert'".
Das Gutachten führt daraufhin aus, dass man aufgrund dieser getätigten Aussagen auf bewusste Täuschungsversuche des pensionierten Mitarbeiters schließen kann.
Bewusste Handlungen des pensionierten Mitarbeiters ließen sich laut Gutachten auch hinsichtlich der Dokumentation der angehefteten Kassenbelege erkennen. Den Wirtschaftsprüfern fiel auch auf, dass Belege der Transaktionen oft so zusammengeheftet worden sind, dass man sie nur durch Entfernen der Klammern näher begutachten konnte - wodurch man sie aber beschädigt hätte.
Besagter Mitarbeiter war in den Jahren 1997 bis 2019 für die Stadt tätig. In diesem Zeitraum ist es zu 276 im Gutachten beschriebenen Einzeltransaktionen gekommen.
Schilling auf Euro
Auch die Umstellung von Schilling auf Euro, steche bei der Dokumentation heraus. Denn am 26.Februar 2002 wurde auf das „Verrechnungskonto“ ausnahmsweise zugebucht und nicht abgebucht. Konkret waren 553,05 Euro, denen keine Ausgabe am Verrechnungskonto gegenübersteht. Eine wirtschaftliche Erklärung dieser Buchung gebe es laut Gutachten nicht.
„Es erweckt viel mehr den Eindruck, dass ein ungerader Saldo am Ende des Jahres vermieden werden soll, der im Zuge der Umstellung von ATS auf Euro aufgetreten wäre.“ Mit dieser Einzahlung wurde am Ende des Jahres auf eine runde Zahl, 310.000 Euro, bereinigt. Im Gutachten wird die Vermutung aufgestellt, dass diese runde Zahl weniger auffallen würde, als 310.553 Euro.
Den Wirtschaftsprüfern fiel auch auf, dass nach der Pensionierung des Mitarbeiters keine „weiteren Ausgaben“ ohne „korrespondierende Einnahmen“ erfolgt sind. Der Verbleib des Bargeldes könne nicht nachvollzogen werden. Jedoch wird schließend hervorgehoben, dass es evident ist, dass in den Jahren 1997 bis 2019 1,76 Millionen Euro aus dem Magistrat abgeflossen sind. Es gilt die Unschuldsvermutung.
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