Kommt jetzt die Masern-Impfpflicht in Österreich?
Der Vorstoß der Landeshauptleute von Niederösterreich und der Steiermark, Johanna Mikl-Leitner und Hermann Schützenhöfer (VP), für eine Masern-Impfpflicht hat die Diskussion wieder in Gang gebracht. Oberösterreich hat bereits im Mai eine Initiative für eine Impfpflicht ergriffen. Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil (SPÖ) schloss sie nicht aus. Die Ärztekammer fordert bereits seit Längerem die Masern-Impfpflicht.
Doskozil pflichte der Position seiner Amtskollegen aus Niederösterreich und der Steiermark grundsätzlich bei: Selbstverständlich gelte es zunächst, alle Möglichkeiten der Aufklärung und Information auszuschöpfen, um die Durchimpfungsrate zu erhöhen. "Sollte das aber nicht reichen, ist eine Impfpflicht sinnvoll und notwendig, weil es um den Schutz von Kindern geht", hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro des Landeshauptmannes. Doskozil trete jedenfalls dafür ein, eine einheitliche Länderposition zu erarbeiten, und schlage daher vor, diese Frage zum Thema der nächsten Landeshauptleute-Konferenz zu machen.
Die Initiative für eine Impfpflicht gegen Masern hatte Oberösterreich schon im Mai ergriffen. Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) - auch für Gesundheit zuständig - formulierte in einem Antrag für die Konferenz der Landesgesundheitsreferenten, die Impfung solle "in den verbindlichen Teil des Mutter-Kind-Passes" kommen und Voraussetzung für das volle Kinderbetreuungsgeldes sein.
Aufnahme in Mutter-Kind-Pass
Derzeit ist die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes an die ersten zehn im Mutter-Kind-Pass vorgeschriebenen Untersuchungen gekoppelt. Fehlt eine davon oder wurde sie zu spät durchgeführt, werden laut Haberlander 1.300 Euro abgezogen. In diesen verbindlichen Teil des Passes müssten auch die zwei Masern-Mumps-Röteln Impfungen aufgenommen werden, so ihr Vorschlag. Daher hatte sie eine entsprechende Beschlussempfehlung ihren Kollegen aus den anderen Bundesländern bei der Landesgesundheitsreferenten-Konferenz am 10. Mai in Villach vorgelegt. Doch man einigte sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: noch mehr Aufklärung und Motivation. Lediglich Oberösterreich, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Niederösterreich wollten die Impfpflicht.
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist weiterhin gegen eine Impfpflicht, wie am Freitag auf APA-Anfrage bekräftigt wurde. Der Ressortchef hat bereits wiederholt betont, nichts von "Zwangs- und Strafsystemen" zu halten. Er sei jedenfalls dagegen, so lange nicht alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausgeschöpft würden, die Masernimpfung zu bewerben.
In Sachen Bewusstseinsbildung gebe es nämlich noch "Luft nach oben", zeigte er sich überzeugt. In Wien gibt es lediglich für Gesundheitsberufe entsprechende Regelungen. Personen, die neu im Krankenanstaltenverbund angestellt werden, müssen etwa seit 2017 auch gegen Masern geimpft sein.
Auch Kärntens Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) bleibe dabei, dass sie gegen eine allgemeine Impfpflicht bei Masern sei, sagte eine Sprecherin auf APA-Anfrage. Man setze stattdessen auf Aufklärung. In den Krankenhäusern des Landes sei der volle Impfschutz allerdings Voraussetzung für eine Anstellung
"Eine generelle Impfpflicht ist abzulehnen, eine Koppelung an Sozialleistungen und ein Ausbau des Mutter-Kind-Passes in einen Jugendpass mit einer Erweiterung des Gratisimpfprogramms wäre aber für die FPÖ vorstellbar", sagte FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. "Mit Zwängen wird man hier kein Stück weiterkommen", meinte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Es brauche ein Bündel von Maßnahmen, um den Weg zur Impfung so einfach wie möglich zu machen. "Wenn Eltern ihr Kind partout nicht impfen lassen wollen, wird auch eine Impfpflicht nichts nützen, auch wenn kurzsichtig denkende Landesfürsten das glauben", kritisierte er.
Die Grünen können sich nach den Worten von Vize-Klubchefin Sigrid Maurer eine Impfpflicht allenfalls "in allerletzter Konsequenz bei besonders gefährlichen Krankheiten" vorstellen. "Grundsätzlich ist natürlich das allerwichtigste die Aufklärung" über Impfungen, sagte sie im "Ö1-Mittagsjournal".
Gesundheitsministerin für mehr Aufklärung
Gesundheitsministerin Zarfl verwies auf die laufende Novellierung des Epidemiegesetzes, das eine Masern-Impfpflicht für im Gesundheitsbereich tätiges Personal vorsieht. Was die Durchimpfungsraten in der Bevölkerung betrifft, bezog sie sich auf Erfahrungswerte aus anderen europäischen Ländern, wo jene am erfolgreichsten seien, "die viele Möglichkeiten vorsehen", um versäumte Impfungen nachzuholen.
Schweden beispielsweise habe eine der höchsten Impfraten EU-weit, aber keine Pflicht. Auf Basis dieser Evidenz, so Zarfl, wolle die Übergangsregierung auf verstärkte Aufklärung und Erinnerung setzen. Schließlich erhielten 95 Prozent der Kinder in Österreich noch die erste Teilimpfung gegen Masern, die zweite - notwendige - werde dann aus verschiedensten Gründen nicht mehr so häufig absolviert.
In Deutschland müssen ab März 2020 Eltern vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kindertagesstätte oder Schule nachweisen, dass diese gegen Masern geimpft sind. Es sollen Strafen bis zu 2.500 Euro drohen.
In ganz Österreich gab es heuer laut Gesundheitsministerium 148 Masern-Fälle (Stand 5. Dezember). Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 77 Fälle, 2017 erkrankten 64 Personen und im Jahr davor waren es 21. Neue Fälle hatte es zuletzt in der Steiermark gehäuft gegeben. Rund zwei Dutzend nicht geimpfte Volksschüler in der Obersteiermark müssen wegen eines Masern-Falls etwa drei Wochen zu Hause bleiben.
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