Michael Ludwig: „Kühler Kopf, heißes Herz“
Michael Ludwig (SPÖ) über eine mögliche neue Flüchtlingswelle, parteiinterne Querelen und warum er bei seinem jüngsten Auftritt auf ein SPÖ-Logo verzichtete.
KURIER: Herr Bürgermeister, bei seiner Aschermittwoch-Rede hat Heinz-Christian Strache über Sie gesagt, Sie seien wie ein „stilles, abgestandenes Wasser“. Wenn Sie an Herrn Strache denken, welche Flüssigkeit fällt Ihnen da ein?
Michael Ludwig: Wodka Red Bull. Das ist ja europaweit bekannt. Da bin ich lieber ein Wiener Wasser, das ich übrigens nicht an russische Oligarchen verkaufen möchte.
Auch ein stilles Wasser?
Ich glaube, es ist besser, den Herausforderungen der Zukunft mit ruhiger Hand zu begegnen, nicht mit Polemik. Um die Stadt in die Zukunft zu führen, ist ein kühler Kopf und ein heißes Herz nötig.
Strache hat angesichts der Wien-Wahl das Duell mit Ihnen als Bürgermeister ausgerufen. Wie werden Sie sich darauf vorbereiten?
Ehrlich gesagt: Gar nicht. Strache hat drei Mal versucht, Bürgermeister zu werden. Und es ist ihm unter für ihn günstigeren Bedingungen nicht gelungen – also sehe ich auch dieses Mal keine Bedrohung. Ich sehe eher die Gefahr, dass es zwischen anderen Parteien bereits Gespräche gibt, einen SPÖ-Bürgermeister zu verhindern. Aber selbst da spielt Strache eine eher untergeordnete Rolle. Ich hoffe, er kränkt sich nicht.
Ihre Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner wird den SPÖ-Mitgliedern die Vertrauensfrage stellen. Sie haben angekündigt, dass Sie nicht für Ihre Chefin die Werbetrommel rühren. Halten Sie Rendi-Wagner noch für die geeignete Frau an der Spitze?
Sie wurde mit 97,7 Prozent auf dem Bundesparteitag gewählt. Daher hätte ich die Vertrauensfrage nicht für notwendig erachtet. Und ich kann für diese Umfrage gar nicht mobilisieren: Sie hat sich direkt an die SPÖ-Mitglieder gewandt. Diese sind mündig genug, allein einen Fragebogen auszufüllen.
Es ist doch ein Signal, wenn einer der mächtigsten Männer in der Partei ankündigt, sich da nicht einzumischen.
Sie hat betont, dass ihr die direkte Kommunikation mit den Mitgliedern ein Anliegen ist. Das respektiere ich.
Auch Sie werden als SPÖ-Mitglied einen Fragebogen erhalten. Wissen Sie schon, wie Sie die Vertrauensfrage beantworten?
Ich werde mich mit allen inhaltlichen Fragen, die in dem Fragebogen stehen, sehr intensiv auseinander setzen.
Das war jetzt aber keine Antwort auf unsere Frage. Werden Sie die Vertrauensfrage mit Ja oder Nein beantworten?
Das werde ich der Parteivorsitzenden über den Fragebogen kommunizieren und ihr in einem Vier-Augen-Gespräch mitteilen.
Kommen wir herunter auf die Landesebene ...
Was heißt da „herunter“? Dagegen verwehre ich mich. Das ist die wichtigste Ebene. Auch wenn das Politiker anderer Parteien nicht so sehen und nur einen Abstecher in die Wiener Landespolitik machen, um nach der Wahl wieder in die Bundespolitik zu enteilen.
Sie glauben ÖVP-Chef Gernot Blümel weiterhin nicht, dass er nach einem Wahlsieg in Wien bleiben würde?
Das hat er, soweit ich weiß, noch nicht verraten.
In der Wiener SPÖ gab es zuletzt Unruhe: In der Donaustadt kandidieren zwei Personen für den Vorsitz, aber nur eine steht auf dem Stimmzettel. In Margareten ist die Bezirksvorsteherin aus der SPÖ ausgetreten. Ist die Partei weit weniger geeint als behauptet?
Sie ist sehr geeint. Das schließt nicht aus, dass sich einzelne Personen etwas anderes erwarten oder mehrere Personen für eine Funktion kandidieren wollen. Das sind normale Prozesse in einer demokratisch organisierten Partei, in der es keine Message Control gibt.
Gab es zwischen Ihnen und Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery vor oder nach ihrem Parteiaustritt ein Gespräch?
Nein, sie hat das Gespräch nicht gesucht. Ich habe das aus den Medien erfahren und zur Kenntnis genommen.
Und dass man im 22. Bezirk nur einen Kandidaten auf den Wahlzettel schreibt, obwohl zwei antreten – ist das eine gute Lösung?
Über den Wahlvorgang entscheidet ein Wahlkomitee. Es hat im Bezirk eine breite Entscheidungsfindung gegeben und dann hat das Komitee entschieden. So wie das im Statut vorgesehen ist.
Sie könnten als Landesparteichef sagen, dass das eine unglückliche Optik ergibt.
Das könnte ich gar nicht. Ich mische mich in Bezirksfraktionen nicht ein. Ich habe nur darauf zu achten, dass die Statuten eingehalten werden.
Von Pflegeplätzen, Ganztagsschulen bis Lehrstellen haben Sie zuletzt eine Reihe von Garantien abgegeben, die kostenfrei sein sollen. Wie geht sich das alles finanziell aus?
Das geht sich alles aus, weil wir gut gewirtschaftet haben und früher als prognostiziert das Nulldefizit erreicht haben.
Das Nulldefizit wird dennoch auch 2020 halten?
Ja.
Privates
Geboren 1961 in Wien, wuchs Michael Ludwig in Floridsdorf auf. Sein Studium der Politikwissenschaften und Geschichte schloss er 1992 ab. Im August 2018 heiratete er seine Lebensgefährtin Irmtraud Rossgatterer
Politik
1994/95 war Ludwig SPÖ-Bezirksrat in Floridsdorf. Es folgten Stationen im Bundesrat und Wiener Landtag, ehe er 2007 Wohnbaustadtrat wurde. Im Jänner 2018 wurde er Wiener SPÖ-Chef, im Mai 2018 Bürgermeister
Was wird die geplante Pflegegarantie kosten?
Wir möchten den Menschen ermöglichen, dass sie möglichst lange in ihrer Wohnung bleiben können. Gleichzeitig wollen wir allen, die das möchten, einen Pflegeplatz oder ein Appartement in einem Pensionistenwohnhaus garantieren. Das ist eine große Herausforderung. Die genauen Zahlen werden berechnet. Aber ich versichere, es ist im Rahmen.
Eines der brennendsten Probleme Wiens ist die Integration. In Ihrer jüngsten Rede haben Sie das Thema ausgespart. Wollen Sie es FPÖ und ÖVP überlassen?
Nein. Aber dieses Thema ist mir zu wichtig, als dass ich hier nur reine Symbolpolitik betreiben möchte. Wir setzen konkrete Schritte. Das sind der kostenfreie Kindergarten und die nun kommende kostenfreie Ganztagsschule.
Trotzdem wird der Integrationsleistung Wiens oft ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.
Nur von jenen, die dieses Thema am Köcheln halten wollen, aber nichts dazu beizutragen haben. Trotz aller Mängel, die es immer noch gibt, haben wir die Integration besser gelöst als viele andere Großstädte in Europa.
Der türkische Präsident Erdoğan hat die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet. Befürchten Sie eine Flüchtlingsbewegung wie 2015?
Das kann ich schon deshalb nicht glauben, weil ja Sebastian Kurz die Balkan- und Mittelmeerroute geschlossen hat, wie er immer betont. Da kann ja fast nichts mehr passieren (lacht).
Wäre Wien auf eine Situation wie 2015 vorbereitet?
Wien ist das einzige Bundesland ohne Außengrenze. Daher ist die Bundesregierung gefordert, entsprechende Maßnahmen zu setzen.
Nach Umfragen kommt die Wiener SPÖ auf nur 35 Prozent. Das würde den Verlust eines Stadtratsposten bedeuten. Von welchem könnten Sie sich am leichtesten trennen?
Von gar keinem. Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Wahlergebnis in etwa so aussehen wird wie 2015 (39,6%, Anm.). Wir werden den Wienern deutlich machen, was wir erreicht haben und was wir vorhaben.
Bei Ihrer Rede sind Sie ohne SPÖ-Logo aufgetreten. Warum?
Es war mir wichtig, deutlich zu machen, wofür ich als Bürgermeister stehe. Und es wird Sie nicht sehr überraschen, dass jede Wahl auch eine Persönlichkeitswahl ist.
Das Coronavirus hat Wien erreicht. Man hatte anfangs nicht den Eindruck, dass sehr souverän gehandelt wurde. Hat man sich zu wenig vorbereitet?
In Summe sind wir gut vorbereitet. Dass man die Abstimmung zwischen Bund und Ländern immer verbessern kann, ist unbestritten. Aber wir ziehen an einem Strang und arbeiten gut zusammen.
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