Messebranche: „Ende Juli ist die Stimmung gekippt“

Messebranche: „Ende Juli ist die Stimmung gekippt“
Reed-Messe-Chef Benedikt Binder-Krieglstein rechnet für die Aussteller mit einer Durststrecke bis mindestens 2022.

Der Chef des österreichischen Messe-Marktführers Reed Exhibitions, Benedikt Binder-Krieglstein, erklärt im KURIER-Interview, warum sich die Lage für die Aussteller im Vergleich zum Sommer noch einmal verschlechtert hat, und ein weiterer Personalabbau nicht auszuschließen ist.

KURIER: Wenn Sie die täglichen Corona-Meldungen hören, wie geht es Ihnen da aus wirtschaftlicher Sicht?

Benedikt Binder-Krieglstein: Wir sind ein Spiegel der Wirtschaft und damit sind wir über die Maßen besorgt. Wir spüren bei unseren Ausstellern eine große Verunsicherung, das ist derzeit der größte Unsicherheitsfaktor.

Sie haben im Frühjahr gesagt, entscheidend wird das vierte Quartal. Das hat bereits begonnen. Wie sieht die Lage aus?

Wir waren bis zum Beginn des Sommers sehr zuversichtlich. In unserer Marktforschung haben wir aber bemerkt, dass Ende Juli die Stimmung gekippt ist. Anfang Mai sagten unsere Aussteller zu 73 Prozent, sie kommen sicher zur nächsten Ausstellung. Aktuell ist der Wert bei 25 Prozent. Da stellt sich dann die Frage der Wirtschaftlichkeit einer Veranstaltung. Wir haben uns deshalb schweren Herzens entschlossen, alle Veranstaltungen bis Jahresende abzusagen. Vor diesem Hintergrund ist der Rettungsschirm der Regierung für die Veranstaltungsbranche eine großartige Initiative. Ich glaube aber, dass er mit 300 Millionen Euro zu gering bemessen ist.

Messebranche: „Ende Juli ist die Stimmung gekippt“

Die „Tracht & Country“ in Salzburg war im September die erste Fachmesse nach Ausbruch der Pandemie. Statt 3.700 Besuchern wie üblich kamen nur 800.

Was ist denn das größere Problem? Die Regeln, die die Kapazität von Veranstaltungen verringern, oder die eingebrochene Nachfrage?

Ich glaube, die Regeln führen dazu, dass sich die Menschen Gedanken machen und die Nachfrage einbricht. So gesehen sind die Regeln das größere Problem.

Wie wird es denn 2021 weitergehen?

Ich gehe nicht davon aus, dass wir einen besonderen Start ins nächste Jahr haben werden. Wir haben zu Jahresbeginn unsere größten Publikumsmessen, ich würde die aus heutiger Sicht mit einem Fragezeichen versehen.

Reaktion auf die Krise
Reed Exhibitions ist der Marktführer für Messen in Österreich und in Wien, Graz, Salzburg sowie Wels aktiv. Vor der Pandemie hatte das Unternehmen 400 Mitarbeiter. Ende Juli musste Reed davon 90 Mitarbeiter kündigen. Dazu wurde das Geschäft mit kleineren Messen abgegeben

Der Chef
Benedikt Binder-Krieglstein, 43, ist seit April 2015 bei Reed Exhibitions. Seit November 2017 führt er das Unternehmen, seit Kurzem ist er auch für das Deutschlandgeschäft zuständig

Für die Veranstaltungsbranche sind die Schnelltests ein Hoffnungsschimmer. Ist das für Reed ein Thema?

Da geht es sehr stark um finanzielle Fragen. Eine Messe wie die Gast in Salzburg hat 47.000 Besucher. Ein Schnelltest kostet 10 bis 90 Euro. Nimmt man da einen Mittelwert, dann haben wir Kosten von etwa 1,8 Millionen Euro. Dazu kommt noch die Logistik. Das ist finanziell nicht darstellbar. Es wäre ein Lösungsansatz, ohne finanzielle Unterstützung der Politik wird es aber nicht gehen.

Sie haben im Juli einen Personalabbau und die Ausgliederung kleinerer Messen angekündigt. Reichen diese Maßnahmen angesichts der verschärften Lage aus?

Wir waren im ersten Schritt reaktiv. Wir treten jetzt in eine Phase ein, wo wir das Unternehmen so aufstellen müssen, dass wir auch einen längeren Zeitraum übertauchen können. Von daher schließe ich weitere Maßnahmen nicht aus. Ich bin seit Kurzem auch für Deutschland zuständig. Wir werden uns überlegen müssen, wie können wir in der Zusammenführung der beiden Organisationen das Beste aus beiden Welten kombinieren.

Wenn man der Politik zuhört, könnte man glauben, dass im späteren Frühjahr 2021 alles besser wird. Wie sehen Sie das?

Was unsere Branche anbelangt, glaube ich nicht, dass wir vor 2022, 2023 wieder dort sein werden, wo wir vorher waren. Ich glaube, dass sich die wirtschaftliche Gesamtstimmung ab dem zweiten Halbjahr 2021 verbessern wird, aber das ist eine Hoffnung und keine Prognose.

Glauben Sie, dass die Messen wieder so zurückkommen, wie wir sie kennen?

Das glaube ich schon. Der Bedarf des menschlichen Kontakts wird deutlich zunehmen. Es wird anders werden. Bei den ganz großen Veranstaltungen werden wir eine Zäsur erleben. Das wird weniger werden, dafür wird es vom Publikum qualitativ hochwertiger werden.

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