Menschenhandel bis Sexualdelikte: 150 Österreicher im Ausland im Häf'n
Rund 150 Österreicher sitzen derzeit in internationalen Gefängnissen. Die Vorwürfe reichen dabei von Menschenhandel über Spionage bis hin zu Sexual- und Vermögensdelikten.
Auf einem weißen Plakat prangt ein schwarzes Kreuz. „Dr. Herbert F., + gestorben in einer Zelle von Kabul, angenagt von Ratten, genauer Zeitpunkt unbekannt. Gott möge seiner Seele gnädig sein“, steht auf der Parte, die die Familie von Herbert F. selbst angefertigt hat. Der Wiener ist pensionierter Lehrer und seit Jahrzehnten auch in der rechtsextremen Szene in Österreich aktiv.
F. ist einer von rund 150 Österreichern, die derzeit im Ausland im Gefängnis sitzen. Vor rund sieben Monaten wurde der 85-Jährige von den Taliban verschleppt und in Kabul inhaftiert. Der Grund: Verdacht auf Spionage.
"Erkundungsreise" in Afghanistan
Herbert F. dürfte sich in Afghanistan auf „Erkundungsreise“ befunden haben. Der ehemalige Pädagoge war ein Gründungsmitglied der Nationaldemokratischen Partei (NDP), die 1988 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung aufgelöst worden ist. Bereits in den 1980er-Jahren hatte F. Afghanistan zum Ziel. Seine letzte Reise dürfte ihm nun aber zum Verhängnis geworden sein.
Für Aufsehen hatte in diesem Zusammenhang ein Trip von Andreas Mölzer, dem ehemaligen freiheitlichen EU-Abgeordneten, gesorgt. Mölzer war gemeinsam mit dem ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Johannes Hübner im September 2023 nach Afghanistan gereist und hatte dort unter anderem den „Außenminister“ der nicht anerkannten Taliban-Machthaber getroffen, was offizielle Fotos auf X (Twitter) belegen.
Der Grund dürfte ein Versuch gewesen sein, Herbert F. zurückzuholen. Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper brachte daraufhin eine parlamentarische Anfrage ein.
Tochter startete Online-Petition
Die Familie des 85-Jährigen setzt sich Monaten für seine Freilassung ein. „Seit Mitte Mai haben wir keine Informationen von Herbert, warum genau er eingesperrt ist, wie es ihm geht, ob er seine Medikamente bekommt. Diese Ungewissheit ist schrecklich“, sagt Werner F., Bruder des Inhaftierten, im Gespräch mit dem KURIER.
Eine der Töchter von Herbert F. hat im November auch eine Online-Petition gestartet. Die Unterzeichnenden appellierten an das Außenministerium, sich für die Freilassung von Herbert F. aus dem Gefängnis in Kabul einzusetzen. Auf KURIER-Anfrage heißt es dort, dass konsularische Hilfsleistungen in Afghanistan nur sehr beschränkt möglich seien.
„Wir dürfen darauf hinweisen, dass Herr F. trotz der seit Jahrzehnten bestehenden Reisewarnung im Mai nach Afghanistan gereist ist und dort festgenommen wurde“, sagt Antonia Praun, eine Sprecherin des Außenministeriums.
Auf die Kritik der Familie, Herbert F. werden lebenswichtige Medikamente vorenthalten, schreibt das Außenministerium: „Wir über unsere Botschaft in Pakistan mehrmals Medikamentensendungen weitergeleitet.“ Wann Herbert F. seine Familie wiedersehen wird, ist derzeit unklar.
Dies gilt wohl auch für jene Österreicher, die ebenfalls im Ausland inhaftiert sind.
Die Delikte umfassen Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit, gegen Leib und Leben, Drogen- und Vermögensdelikte, weiters Schlepperei und Menschenhandel sowie Sexualdelikte. Laut Wiener Konsularkonvention sind Staaten zwar verpflichtet, über jede Festnahme, Anhaltung oder Haft das Herkunftsland des Inhaftierten zu informieren.
"Voraussetzung ist aber das explizite Einverständnis der betroffenen Person. Daher wird das Außenministerium nicht über jede Festnahme informiert“, so Praun. Generell leisten die österreichischen Vertretungen bei Verhaftungen von österreichischen Staatsbürgern im Ausland konsularische Unterstützung, etwa im Rahmen von Haftbesuchen.
Gefängnisse Die meisten Österreicher sitzen laut Angaben des Außenministeriums in Deutschland, der Türkei und Serbien im Gefängnis.
2.977 Nicht-EU-Bürger befinden sich mit Stand 1. Jänner 2024 in österreichischen Justizanstalten in Haft. Rund 19 Prozent aller Inhaftierten kommen aus EU-Ländern. 47 Prozent aller Insassen und Insassinnen stammen aus Österreich. 8.306 Personen sind in Justizanstalten untergebracht, 783 befinden sich in psychiatrischen Krankenhäusern beziehungsweise im elektronisch überwachten Hausarrest.
Herkunftsländer Laut Angaben des Justizministeriums kommen die ausländischen Insassinnen bzw. Insassen in erster Linie aus Rumänien, den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens, Ungarn, Nigeria und der Türkei.
Strafdauer 47 Prozent der Insassen sitzen ein bis fünf Jahre Strafe ab, ein Drittel null bis ein Jahre, zehn Prozent fünf bis zehn Jahre und 1,7 Prozent lebenslang.
Österreichische Vertretungen verfügen über Vertrauensanwälte, die in der Regel österreichische Häftlinge anwaltlich betreuen können bzw. Anwälte empfehlen können. „Dazu muss angemerkt werden, dass das Außenministerium weder selbst anwaltlich tätig werden kann, noch über Finanzmittel verfügt, um Rechtsanwaltshonorare für Häftlinge zu begleichen“, erklärt Praun.
Zudem können Vertretungen auf Grundlage von Völkergewohnheitsrecht oder bilateralen Abkommen behilflich sein, österreichische Häftlinge in den nationalen Strafvollzug zu überstellen.
27-jähriger Kärntner in Iran inhaftiert
Eine Überstellung nach Österreich beziehungsweise Enthaftung würde sich auch die Mutter jenes 27-jährigen Kärntners wünschen, der seit Herbst 2022 in Iran inhaftiert ist. „Im August befand sich der junge Mann wegen Beziehungsproblemen und einer gescheiterten Prüfung in einem schlechten Gemütszustand“, erklärt der Rechtsanwalt der Familie, Georg Schuchlenz, gegenüber dem KURIER.
Der Student sei anschließend mit seinem Pkw in die Türkei gefahren. Er habe über den Iran mit einem Visum, das ihm von der Türkei ausgestellt wurde, nach Indien weiterfahren wollen. An der Grenze in den Iran wurde der 27-Jährige dann aber verhaftet, da er eine Waffe bei sich trug. „Als Student der Astronomie und Astrophysik hatte er natürlich Nachtsichtgeräte dabei, ebenso eine Waffenbesitzkarte und seine auf ihn eingetragene Waffe“, erklärte der Anwalt.
Wegen Spionage-Verdachts wurde der junge Kärntner verurteilt – die ursprüngliche Strafe von siebeneinhalb Jahren wurde mittlerweile herabgesetzt. „Es ist wirklich ein Wahnsinn, dass das Außenministerium in diesem Fall so wenig unternimmt, um den Studenten freizubekommen“, kritisiert Schuchlenz.
Vonseiten des Ministeriums betont man, sich mit größtem Nachdruck für die Rückkehr der Betroffenen einzusetzen.
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