AUA-Hagelflug: Nun geraten die Ermittler ins Visier
Zweieinhalb Monate nach dem Flug eines AUA-Airbus mit 179 Insassen durch ein Hagelunwetter wurde noch kein einziger Zeuge befragt, auch der Cockpit-Voicerekorder und der Flugdatenschreiber sind vorerst noch unangetastet. Deshalb gehen die Wogen immer höher. Weil die Einstufung als einfache Störung durch die Untersuchungsstelle (SUB) im Verkehrsministerium könnte falsch sein. Inwiefern Absicht dahinter steckt, könnte ein weiterer Fall für die Justiz werden, Passagier-Anwalt Wolfgang List droht nun mit rechtlichen Schritten gegen die Ermittler.
Laut EU-Recht handelt es sich nämlich um eine schwere Störung, wenn die Piloten Sauerstoff benötigen oder zumindest ein wichtiges System ausfällt. Beides sei der Fall gewesen, führt der gerichtliche Sachverständige aus. Das Flugzeug ging offenbar sogar in den Direct-Law-Modus ohne Autopilot, weil es keine Geschwindigkeitsmessung und kein Wetterradar mehr gab. Zusätzlich sei eine wohl unnötige Schleife über Wien geflogen worden mit einer potenziell exorbitanten Opferzahlzahl, wie es im dem KURIER vorliegenden Gerichtsakt heißt.
Eine derartig schwere Störung würde der Staatsanwaltschaft Korneuburg die Beschlagnahme aller Aufzeichnungsgeräte ermöglichen, was von der AUA deshalb blockiert worden ist.
Es gab Warnungen bereits in Mallorca
Neu ist darüber hinaus auch, vor dem Start in Mallorca gab es bereits eine Hagelwarnung für Österreich, vor der AUA-Maschine waren außerdem drei weitere Jets mit Hagel konfrontiert. Wirklich überraschend kann all das also nicht gewesen sein. Angeblich waren sogar schon eigene Hagelflieger in der Luft. Auch deshalb wird gegen die Piloten weiterhin wegen mutmaßlich fahrlässiger Gemeingefährdung ermittelt, während die Mitarbeiter der Austro-Control entlastet sind.
List fordert jetzt auch, dass die Justiz die Untersuchungsstelle ins Visier nimmt. "Dieser gefährliche Zwischenfall wird seitens SUB in vermuteter rechtswidriger Auslegung der einschlägigen Vorschriften nicht ordnungsgemäß geprüft. Im Gegenteil hindert die SUB die StA Korneuburg an deren Ermittlungsarbeit", heißt es in einem Schreiben an das Gericht. Mit einem neuen Gutachten will er belegen, dass es sich sogar um einen Unfall im flugrechtlichen Sinne handelt, noch eine Stufe höher als die Störungen. "Die Betroffenen des AUA-Hagelfluges OS434 behalten sich aufgrund des aktuellen Kenntnisstandes strafrechtliche Schritte gegen einzelne Mitarbeiter der SUB vor, sofern sich die Verdachtsmomente erhärten sollten."
List sieht „einen echten Skandal. Ich werde alles tun, damit diese Angelegenheit restlos aufgeklärt wird.“
Aus dem Ressort von Leonore Gewessler heißt es, dass „die Einstufung der Vorfälle auf Basis der europäischen Regelungen durch die weisungsfreie und unabhängige Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes geschieht“. Trotz anderslautender Argumentation der vom KURIER befragten Experten und der AUA-Juristen wird erklärt, dass „die Einstufung des Vorfalls weder auf den Umfang der Untersuchung, noch die Kompetenz der SUB oder die Zusammenarbeit mit der Justiz einen Einfluss“ hätte. Aktuell würde ein Datenaustausch zwischen SUB und Staatsanwaltschaft laufen. Die Geräte werden allerdings weiterhin nicht der Justiz übergeben.
Anwalt List betont, dass die Ermittler nicht einmal Fotos vom betroffenen Flugzeug angefertigt haben. Auch wurde die offizielle Untersuchung erst vier Tage nach dem Vorfall eingeleitet.
Im Februar hatte der Rechnungshof festgestellt, dass "die SUB nur bedingt geeignet ist, zeitgerechte und effiziente Untersuchungen durchzuführen". In einem Fall seien Beweise mysteriös verschwunden und teilweise nicht feststellbar, ob es unberechtigte Zugriffe auf Unfallwracks gegeben habe.
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