Mafiaermittlungen in Kärnten: Landespolizeidirektorin als Opfer einer Verwechslung
Kärntens LPD, Michaela Kohlweiß, wurde offenbar unverschuldet in einen Mafia-Fall hineingezogen. Samt Hausdurchsuchung. Eine folgenschwere Verwechslung, bei der die WKStA auch eine Rolle spielte.
Der 10. Oktober ist ein besonderer Tag in Kärnten; Landesfeiertag. Während sich um 9.30 Uhr die Spitze der Landespolitik zum Gedenken der Kärntner Volksabstimmung versammelt, kommt es gut 2,5 Stunden zuvor zu einer weiteren Zusammenkunft.
Zeitgleich rücken Beamte des Bundesamtes für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung im Auftrag der Staatsanwaltschaft Graz und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) zu sieben Hausdurchsuchungen an.
An Adressen von hochrangigen Kärntner Polizisten, sowie einer 38-jährigen Litauerin, die enge Kontakte zum Polverino-Clan, einem der Camorra zugerechneten Mafia-Clan pflegen soll, der seine Opfer gerne in Säure auflösen soll.
Der Vorwurf: illegale Online-Wetten, aber auch Geldwäsche und damit verbunden gebunkertes Geld, das von der 38-jährigen Beschuldigten als „Gegenleistung“ an Dritte geflossen sein soll.
Mafia-Bargeld in der Höhe von bis zu 50.000 Euro, das die Ermittler bei niemand geringeren als Kärntens Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß vermuten.
Wie der KURIER aus gut informierten Kreisen in Erfahrung bringen konnte, sollen acht Männer deswegen am Kärntner Landesfeiertag um 7 Uhr morgens zur Hausdurchsuchung bei Kärntens höchster Polizistin angerückt sein.
Handy und Tablet ausgelesen
Stundenlang soll das Haus der 50-jährigen Juristin durchsucht worden sein. Das Ergebnis: Kein gefundenes Mafia-Geld, aber ein abgenommenes Privathandy und ein Tablet der Landespolizeidirektorin. Technische Geräte, von denen wenig später alle Daten ausgelesen werden sein sollen.
Was gut eineinhalb Monate nach der Hausdurchsuchung vom Kärntner Landesfeiertag bei der Landespolizeidirektorin übrigbleibt?
Laut derzeitigem Wissensstand wohl eine Verwechslung, die Kohlweiß unverschuldet in den Fokus von Mafia-Ermittlungen rücken ließ. Ebenso wie im besten Fall der Verdacht, dass die WKStA einem Ermittlungsauftrag aus Italien mit zu wenig Sorgfaltspflicht und fehlender Verhältnismäßigkeit begegnet ist.
Im schlimmsten Fall der Verdacht, dass die WKStA den Auftrag aus Italien als Anlass für eine Handyabnahme bei Kärntens höchster Polizistin genutzt haben könnte.
Denn auch wenn die sieben Hausdurchsuchungen aufgrund einer europäischen Ermittlungsanordnung aus Italien erfolgt sein sollen, die Sicherstellung von Handy und Tablet der Landespolizeidirektorin soll auf explizite Anordnung der WKStA durchgeführt worden sein.
WKStA ermittelt wegen Amtsmissbrauch und Bestechung
Die WKStA bestätigt auf Anfrage des KURIERS folgendes: "Die WKStA führte ein Ermittlungsverfahren gegen 3 namentlich bekannte Beschuldigte, darunter auch 2 Polizeibeamte, wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs sowie der Bestechung bzw. Bestechlichkeit. Es besteht der Verdacht, dass eine Beschuldigte von Polizeibeamten über anstehende Ermittlungsmaßnahmen vorab informiert und dafür Geld bzw Wertgegenstände übergeben worden sein sollen."
Nähere Angaben zu beschuldigten Personen oder Details zu einzelnen Ermittlungsschritten könnten im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen nicht gemacht werden. Vonseiten der WKStA wird allerdings von einer bewilligten Hausdurchsuchung an zwei Standorten gesprochen.
Ermittlungen in Neapel
Wer versucht, die Hintergründe zu dem Fall zu verstehen, der landet in einer Bar in Neapel.
Die italienische Guardia di Finanza soll der 38-jährigen Litauerin, die nach wie vor in Klagenfurt gemeldet ist und hier ein Luxus-Modegeschäft betreibt, dabei seit Längerem wegen angeblich mafiöser Verbindungen auf der Spur gewesen sein.
Zumindest eine halbe Millionen Euro soll die Frau durch Geldwäsche erwirtschaftet haben. Teilweise angeblich vergraben in ihrem Garten.
Als die 38-Jährige schließlich in einer Bar in Neapel zu offensichtlich mit ihrer „vertraulichen Beziehung“ zu einem „Capo della polizia di Klagenfurt“ prahlt, wittert die Guardia di Finanzia offenbar eine heiße Spur: Ein Polizeichef aus Klagenfurt soll also mit der Frau unter einer Decke stecken.
Die italienischen Kollegen recherchieren, stoßen zwar auf keinen Mann, aber auf einen Polizeichef in der Kärntner Landeshauptstadt: Michaela Kohlweiß.
Dass der Chef eine Chefin ist, macht offenbar niemanden stutzig.
Bei 43-jährigem Polizisten gemeldet
Bei einer Befragung durch die Italiener, wird die Litauerin mit den Erkenntnissen konfrontiert. Ihre Reaktion? Sie kenne keine Kohlweiß. Stattdessen nennt sie gegenüber der italienischen Finanzpolizei sogar den Namen des aus ihrer Sicht gemeinten „Polizei-Chefs“ in Kärnten.
Ein 43-jähriger Polizist, der durch seine Führungsfunktion bei der Polizei in Kärnten durchaus umgangssprachlich als Chef bezeichnet werden kann. Und mit dem die 38-Jährige offenbar wirklich gute Verbindungen pflegen dürfte: Bis Februar diesen Jahres ist sie zumindest in seiner Wohnung in Klagenfurt offiziell gemeldet.
Nachzulesen mit wenigen Klicks im Zentralen Melderegister. Stutzig macht aber auch das niemanden.
Und stutzig wird auch niemand aufgrund des Fakts, dass Kohlweiß in einem Haus und nicht in einer Wohnung lebt.
Die Italiener schicken also kurzerhand auf europäischer Ebene sieben Hausdurchsuchungsbefehle nach Österreich. Zunächst an die Staatsanwaltschaft Graz, dort wird der Fall offenbar eiligst nach Wien weitergeleitet.
Sieben Hausdurchsuchungen
Die Hausdurchsuchungen gelten für: die Landespolizeidirektorin, drei Meldeadressen der Litauerin, eine für den 43-jährigen Polizisten in dessen Wohnung die Litauerin gemeldet war, und zwei Adressen eines 51-jährigen Mitarbeiter des Landeskriminalamts Kärnten, der mit dem „Polizeichef“ bekannt sein soll.
Am Landesfeiertag werden alle in Kärnten vollzogen.
In Wien soll den Fall unterdessen Oberstaatsanwalt Georg Schmid-Grimburg für die WKSTA leiten. Er ist kein Unbekannter: Bereits in der Vergangenheit sorgte er mit Ermittlungen gegen seinen eigenen, Ex-Vorgesetzten, den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA), Johann Fuchs, für Schlagzeilen.
Doch auch mit dem Verfahren rund um eine möglicherweise verratene Hausdurchsuchung bei Investor Michael Tojner war Schmid-Grimburg befasst. Tojners Handy war damals ausgewertet worden. Die Auswertungen hatten zu einem konkreten Tatverdacht gegen den erst kürzlich verstorbenen Christian Pilnacek geführt.
Zeuge oder Beschuldigter?
Weiteres Detail: Während Kohlweiß von der WKStA als Verdächtige geführt wird, nimmt der 43-jährige „Polizeichef“ offenbar weiterhin den Status eines Zeugen ein.
Bei der Landespolizeidirektion Kärnten wird auf offizielle Anfrage auf Kohlweiß Anwalt, Gernot Murko verwiesen.
Kettenreaktion
Murko, der auch Präsident der Rechtsanwaltskammer Kärnten ist, bestätigt auf KURIER-Anfrage indirekt die Geschehnisse: "Ich halte das, was hier passiert ist, für mehr als bedenklich. Wenn auf einem Überwachungsprotokoll aus einer Bar in Neapel angeblich ein Name fällt, und dies solch eine Kettenreaktion hervorruft." Und nach einer Pause: "Wenn alles, und davon gehen wir momentan aus, in sich zusammenfällt, wird das zwar meiner Klientin nicht gut getan haben, aber es wird mit Sicherheit auch der Justiz und der Polizei in diesem Staate nichts Gutes getan haben", sagt Murko.
Warum sich Kohlweiß für Murko entschieden hat, lassen Interviews des Anwalts aus der Vergangenheit erahnen.
Kritiker der WKStA
Dabei geht er einerseits mit der WKStA hart ins Gericht: „Die WKStA arbeitet in vielen Bereichen viel zu langsam, gilt aber als sakrosankt – das ist gefährlich, weil auch eine Staatsanwaltschaft eine Dienstaufsicht erfahren muss.“
Und er fordert andererseits etwa eine Einschränkung bei der Sicherstellung und Auswertung von Handydaten. „Ein Handy ist mehr als ein anderer Sicherstellungsgegenstand, wie ein Messer oder eine Tatwaffe. Ich brauche einen dringenden Tatverdacht“, erklärte er etwa im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.
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