Das G’spür der Frau Landespolizeidirektor
Michaela Kohlweiß leitet als Landespolizeidirektorin seit fast zehn Jahren die Sicherheitsagenden Kärntens. Ein Interview mit einer starken Frau, die gerne Frau Landespolizeidirektor genannt wird, überzeugt ist, dass gleiche Rechte und Pflichten gleiche Möglichkeiten für Frauen bringen und keine Vorzeigefrau der Polizei sein will.
KURIER: Sie stehen seit fast zehn Jahren als Frau an der Spitze einer Männerdomäne. Was hat sich verändert?
Michaela Kohlweiß: Verändert hat sich, dass ich durch den Weggang meiner Mitstreiterin Michaela Kardeis im Kreise der Landespolizeidirektoren nun die einzige Frau bin (Kardeis, frühere Polizeivizepräsidentin von Wien und Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit wechselte als Verbindungsbeamtin nach Amerika, Anm.). Was sich nicht verändert hat, ist meine Aufnahme im Kreis der Führungsriege. Die lief von Anfang an großartig.
Die Männerdomäne musste sich also nicht erst an eine Frau gewöhnen?
Im Gegenteil, großes Lob an dieser Stelle an die männlichen Kollegen. Hätte sich etwas verändert, wäre es nur schlechter geworden.
Würden Sie sich als Einzelkämpferin mehr Frauen in der polizeilichen Führung wünschen?
Eine Einzelkämpferin bin ich, wenn man die Situation bundesweit betrachtet. Wenn ich mir aber die Situation in Kärnten ansehe, dann liegt der Anteil an Akademikerinnen und Offizierinnen in Führungsfunktion bei fast 20 Prozent. Das ist umso erstaunlicher, weil wir insgesamt in Kärnten einen Frauenanteil in der Exekutive und Verwaltung von etwa 20 Prozent haben. Wir wissen, dass normalerweise der weibliche Anteil umso schneller wegbricht, je höher die Position wird. Das verläuft ähnlich einer Pyramide, wo am Ende nur einige wenige weibliche Führungskräfte übrig bleiben. Bei uns ist es eine gerade Linie. Aber für mich ist es kein Parameter zu sagen, ich bin Einzelkämpferin, weil ich Frau bin. Eine Einzelkämpferin wäre ich dann, wenn ich alleine kämpfen müsste, ohne Männer und Frauen an meiner Seite.
Hängt der hohe Frauenanteil in Kärnten auch damit zusammen, dass eine Frau an der Spitze der Polizei steht. Stichwort: Vorbildfunktion?
Frauen fühlen sich durch eine Frau an der Spitze vielleicht ermutigt. Ich bin aber der strikten Überzeugung, dass Frauen, die bei uns in Führungspositionen sind, es auch wären, wenn sie Männer wären. Das wissen auch die weiblichen Führungskräfte.
Braucht die Polizei eine Frauenquote?
Ich denke, nein.
Warum?
Weil sich die Frauen in unserem Bereich ohnehin durchsetzen müssen. Wir haben das System des öffentlichen Dienstes und somit alle Möglichkeiten für Frauen und Männer. Man sieht, dass der Frauenanteil kontinuierlich wächst. Das Einzige, was die Polizei in Hinblick auf Frauen braucht, ist ein wenig Zeit.
1991 war das Jahr, das Frauen bei der Polizei den gleichberechtigten Dienst bringen sollte. Frauen im Polizeidienst gab es zwar bereits vor 1991, aber die 185 Kolleginnen, die vor 30 Jahren ihren Dienst antraten, waren erstmals ihren Kollegen gleichgestellt, was Ausbildung, Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten betraf
Der Anteil von Polizistinnen steigt seit der Zulassung von Frauen in den Exekutivdienst stetig an. Lag der Frauenanteil 1995 bei 1.254 Polizistinnen (4,69 Prozent), stieg er bis 2021 auf 6.576 (20,7 Prozent)
In der Polizeigrundausbildung zeigt sich ein ähnliches Bild. Von 2018 bis 2020 gab es beim Polizeinachwuchs eine Steigerung von 28 auf 32 Prozent
Im Innenressort arbeiten übrigens 27 Prozent Frauen. Einzig in der Führungsriege der Polizei bilden Frauen nach wie vor die Ausnahme. „Wir wollen die Verbesserungen der Repräsentation von Frauen in Führungspositionen im Innenministerium weiterverfolgen“, sagt Innenminister Karl Nehammer
Und was ändert sich mit der Zeit?
Mit der Zeit wird sich alles ohne Quotenfrauen von selbst regeln. Es wäre kontraproduktiv, mit einem derartigen Terminus bei der Polizei zu arbeiten. Wichtig ist, dass Frauen gleiche Rechte, aber auch Pflichten haben. Das ist essenziell. Denn gleiche Rechte und gleiche Pflichten führen letztendlich zu gleichen Möglichkeiten für Frauen.
Sie wollten nie als Vorzeigefrau der Polizei gelten. Ist das nach wie vor so?
Ja. Immer wieder taucht auch auf: Wie möchte ich angesprochen werden? Für mich ist eine Ansprache als Frau Landespolizeidirektor völlig in Ordnung. Ich kann auch sehr gut damit leben, wenn man von den Landespolizeidirektoren spricht. Ich hatte noch nie das Gefühl, nicht gemeint zu sein. Man kann sehr wohl sehr ernst genommen werden, egal ob es Direktorin oder Direktor heißt.
Sie haben keine Kinder, keinen Ehemann, dafür eine große Karriere: Wie oft wurde Ihnen das vorgehalten?
Interessanterweise sehr selten. Abgesehen davon, dass ich in einer glücklichen Beziehung ohne Trauschein lebe. Beruflich kann es schon sein, dass sich das manche denken. Nach dem Motto: Das ist ja klassisch, nur so macht man Karriere. Aber ich sage, es gibt großartige Karrierefrauen mit fünf Kindern. Aber besser ins Bild für manchen passt es, wenn es bei einer Karriere keine Kinder und keine Ehe gibt.
Haben Sie sich in Ihrer Laufbahn je benachteiligt gefühlt, weil sie Frau sind?
Nein, nie.
Welchen Ratschlag würden Sie einer jungen Polizistin geben?
Ich würde ihr raten, dass sie von niemanden einen Ratschlag annimmt und schon gar nicht von mir. Weil jeder Weg ein anderer ist und man von Anfang an diese Stärke und Überzeugung haben sollte, seinen Weg zu gehen und sich nicht von anderen beeinflussen zu lassen. Eigener Kopf, eigenes G’spür, und eigenes Lebensmodell wählen.
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